Alle Redner bezogen sich in der Debatte auf den "Bericht zur technologischen Leistungsfähigkeit Deutschlands 2006", der von neun Wirtschaftsforschungsinstituten im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung erstellt worden ist. Der Befund der Fachleute ist alarmierend: "Trotz anhaltender Exporterfolge hat sich die technologische Leistungsfähigkeit Deutschlands auf längere Sicht nicht gut entwickelt." Als ein wesentlicher Punkt wird genannt, dass Deutschland bei den Ausgaben für Forschung und Entwicklung (FuE) trotz der Steigerungen der vergangenen Jahre im internationalen Vergleich weiter zurückfalle. Der Rückgang der Investitionen in Bildung, Wissenschaft und Forschung rüttele "mittlerweile an den Fundamenten der deutschen Leistungsfähigkeit", heißt es in dem Bericht. Mit einer gesamtwirtschaftlichen FuE-Quote von aktuell rund 2,5 Prozent rangiere Deutschland nur noch auf Platz neun im internationalen Vergleich.
Auch beim Qualifikationsniveau verliert Deutschland den Angaben zufolge an Boden. So liege der Anteil der 25- bis 35-Jährigen mit Hochschulabschluss um 25 Prozent unter dem Durchschnitt der Staaten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Die Verschlechterung in diesem Bereich verlaufe seit 1991 kontinuierlich. Besonders bei natur- und ingenieurwissenschaftlichen Abschlüssen weise Deutschland einen Rückstand auf. Schavan verdeutlichte die globale Dynamik, der sich Deutschland stellen muss, an einem Beispiel. In China seien von 1997 bis 2004 mehr Forscher in die Arbeit eingestiegen als in Deutschland insgesamt arbeiteten, sagte sie.
Doch es gibt auch Positives zu vermelden. Dem Bericht zufolge ist Deutschland das exportstärkste Land bei Technologiegütern. Mit einem Anteil von 16,5 Prozent an allen OECD-Exporten liege es vor den USA mit 15,5 Prozent. Die Regierung sieht allerdings trotz des hohen Niveaus der technologischen Leistungsfähigkeit Deutschlands Handlungsbedarf. Die vorhandene Stärke dürfe nicht darüber hinwegtäuschen, dass Struktur und Dynamik der technologischen Leistungsfähigkeit "deutlich zu verbessern" seien.
Um wie angestrebt im Jahr 2010 einen dreiprozentigen Anteil der FuE-Ausgaben am Bruttoinlandsprodukt zu haben, seien "hohe Steigerungen" erforderlich, schreibt die Regierung in ihrer Stellungnahme zu dem Bericht. Bei einem unterstellten realen Wirtschaftswachstum von 1,5 Prozent müsse das Niveau der FuE-Ausgaben im Jahr 2010 um mehr als 20 Milliarden Euro höher liegen als im Jahr 2005. Bliebe es dabei, dass davon zwei Drittel der Staat trage, sei bis zum Jahr 2010 in den öffentlichen Haushalten eine jährliche Ausgabenerhöhung um 6 Milliarden Euro notwendig.
Union und SPD wollen tatsächlich 6 Milliarden Euro mehr ausgeben - allerdings verteilt auf die gesamte Legislaturperiode. Im laufenden Jahr stehen nach den Worten Schavans für Forschungs- und Entwicklungsvorhaben fast 700 Millionen Euro zur Verfügung. "Wir gehen in Vorleistung", sagte sie und mahnte die Unternehmen, nun ihrerseits "nicht kleinmütig" zu sein und einen "erheblichen Beitrag" zu leisten. Das Drei-Prozent-Ziel müsse unbedingt erreicht werden, unterstrich die CDU-Politikerin. Die Vorsitzende des Bildungsausschusses, Ulla Burchardt (SPD), pflichtete ihr bei. Der Bund halte bei den Forschungsausgaben Wort, "jetzt muss auch die Wirtschaft kommen". Die Abgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen, Krista Sager, rief Schavan auf, sich dagegen zu stemmen, dass die Länder ihre FuE-Investitionen zurückfahren.
Die forschungspolitische Expertin der Unions-Fraktion, Ilse Aigner (CSU), konstatierte: "Längst spielen wir nicht mehr in den Medaillenrängen." Das Motto müsse deshalb heißen: "Abstieg vermeiden, Anschluss gewinnen." Dazu beitragen soll ein "Paradigmenwechsel in der europäischen Forschungspolitik". Bis zum Jahr 2013 sollten die FuE-Mittel der Gemeinschaft um 75 Prozent erhöht werden, so Schavan. Die Koalitionsfraktionen ergänzen in einem Antrag, nicht mehr zeitgemäße Subventionen der EU sollten zugunsten von Zukunftsinvestitionen gekürzt werden.
Als zweites Kernanliegen von Schwarz-Rot kennzeichnete Schavan die angekündigte High-Tech-Strategie. Sie erläuterte, Ziel sei es, Brücken von der Forschung zu den Zukunftsmärkten zu schlagen. Im Klartext heißt das beispielsweise, dass der Weg von Grundlagenforschungen zu marktfähigen Produkten verkürzt werden soll. Insgesamt umfasst die High-Tech-Strategie laut Schavan 17 Innovationsfelder, da-runter die Gesundheitsforschung, die Bio- und die Energietechnologie. Dabei solle auch die Kernenergieforschung unterstützt werden. Der Beschluss zum Atomausstieg könne nicht bedeuten, "dass wir jedwedes Know-How in diesem technologischen Bereich verloren gehen lassen", so die CDU-Politikerin. Das stieß bei den Grünen auf Ablehnung. "Atom ist ein Irrweg", rief Sager.
Andere Probleme mit den schwarz-roten Plänen machte FDP-Bildungsexpertin Cornelia Pieper deutlich. "Sie stehen noch zu stark auf der Bremse", klagte sie. Schavan setze im Wesentlichen nur die Projekte ihrer Vorgängerin Edelgard Bulmahn (SPD) fort. Notwendig sei aber mehr Forschungsfreiheit. Pieper nannte in diesem Zusammenhang Freilandversuche mit gentechnisch veränderten Pflanzen. In einem Antrag fordert die FDP-Fraktion zudem, die Autonomie der Hochschulen im Grundgesetz zu verankern. Für die Linksfraktion bemängelte die Abgeordnete Petra Sitte, die Zielvorgaben für die Forschung seien "zu technologielastig". Die Gestaltung der Gesellschafts- oder der Steuerpolitik werde hingegen kaum überprüft. Auch stünden zu wenig Gelder für die Bio- und Nanotechnologie zur Verfügung.
Die Debatte bot zudem einen Vorgeschmack auf die Anhörungen zur Föderalismusreform in der kommenden Woche. Die Expertinnen von SPD und Grünen, Burchardt und Sager, sprachen sich beide gegen den geplanten weitgehenden Rückzug des Bundes aus dem Bildungsbereich aus. Zur Fachministerin aus den Reihen ihres neuen Koalitionspartners sagte die SPD-Politikerin, wer Forschungswachstum fordere, müsse bei der Föderalismusreform "auch Mut zu Korrekturen haben".