Mit einem Geschäftsordnungsantrag hat der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der Bündnisgrünen, Volker Beck, am Freitagabend die vereinbarte erste Lesung des Steueränderungsgesetzes 2007 gestoppt. Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckart (Grüne) ließ durch Hammelsprung die Beschlussfähigkeit des Parlaments feststellen und beendete die Sitzung, nachdem nur 148 anwesende Abgeordnete gezählt worden waren. Der Bundestag ist nach der Geschäftsordnung nur dann beschlussfähig, wenn mehr als die Hälfte der zurzeit 614 Abgeordneten anwesend sind. Mit dem zweiten Geschäftsordnungsantrag Becks, den Bundesfinanzminister zur Beratung herbeizuzitieren, muss sich das Parlament nun in seiner nächsten Sitzung am 1. Juni befassen. Zuvor hatten die Parlamentarischen Geschäftsführer von Union und SPD, Manfred Grund und Petra Ernstberger, die Anträge Becks als "kontraproduktiv" und "nicht akzeptabel" bezeichnet.
Zum Auftakt der ersten Lesung des Koalitionsentwurfs für ein Steueränderungsgesetz 2007 ( 16/1545) und zu einem Antrag der Grünen, diesen Entwurf zurückzuziehen ( 16/1501), hatte bis dahin lediglich der Vorsitzende des Finanzausschusses, Eduard Oswald (CDU/CSU), gesprochen. Eigentlich war vorgesehen, beide Vorlagen nach der geplanten halbstündigen Aussprache zur Beratung an die Ausschüsse zu überweisen. Der Finanzausschuss hat für den 1. Juni bereits eine Sachverständigenanhörung terminiert. Oswald warb um Verständnis für das Vorhaben, das vor allem Berufspendler und Sparer belasten wird. Man dürfe es nicht isoliert betrachten, sondern müsse es als notwendigen Beitrag zur Haushaltssanierung sehen. Die Koalition erhofft sich davon allein im kommenden Jahr Mehreinnahmen von 2,12 Milliarden Euro, von denen 973 Millionen Euro auf den Bund, 866 Millionen Euro auf die Länder und 284 Millionen Euro auf die Gemeinden entfallen. In den Folgejahren sollen sich die zusätzlichen Einnahmen zum Teil auf mehr als 5 Milliarden Euro erhöhen.
Im Einzelnen ist geplant, die Entfernungspauschale in Höhe von 30 Cent pro Kilometer für Fahrten zum Arbeitsplatz für die ersten 20 Kilometer zu streichen. Wer beispielsweise 30 Kilometer zum Arbeitsplatz fährt, kann die 30 Cent in der Steuererklärung künftig nur noch für zehn Kilometer geltend machen. Damit will die Koalition das so genannte "Werkstorprinzip" durchsetzen, wonach Fahrten zum Arbeitsplatz der Privatsphäre zuzurechnen sind. Der Sparerfreibetrag, der jährliche Kapitaleinkünfte zurzeit noch bis zur Höhe von 1.370 Euro für Ledige und 2.740 Euro für Verheiratete schont, wird nach den Plänen der Koalition stark reduziert. Ledige sollen vom nächsten Jahr an noch 750 Euro, Verheiratete noch 1.500 Euro an Zinsen und Dividenden steuerfrei verbuchen können.
Zugleich soll die Altersgrenze für die Zahlung von Kindergeld und für Kinderfreibeträge vom Geburtsjahrgang 1983 an vom 27. auf den 25. Geburstag vorverlegt werden. Für Kinder des Jahrgangs 1982 soll es bis zum 26. Geburstag Kindergeld geben. Die Fraktionen wollen damit einen Anreiz schaffen, das Studium zügiger zu beenden. Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer will die Koalition nur noch dann als abzugsfähig anerkennen, wenn es Mittelpunkt der gesamten beruflichen und betrieblichen Tätigkeit ist. Darüber hinaus ist vorgesehen, die Bergmannsprämie ab 2007 von 5 Euro pro Untertageschicht auf 2,50 Euro zu senken und von 2008 an ganz abzuschaffen. Angesichts des notwendigen Personalabbaus im Bergbau sei die Prämie kontraproduktiv, heißt es.
Die Grünen schlagen in ihrem Antrag eine einheitliche Pauschale von 2.000 Euro jährlich für Werbungskosten und Betriebsausgaben vor. Sie wollen die Altersvorsorge steuerlich fördern, das Ehegattensplitting durch eine Individualveranlagung mit Unterhaltsabzug ersetzen und die Pendlerpauschale vom ersten Kilometer an beibehalten, den Kilometersatz aber von 30 auf 15 Cent kürzen. Den Sparerfreibetrag will die Fraktion dagegen nicht antasten.