Weniger kompliziert, weniger langwierig und weniger undurchsichtig: So wird die Gesetzgebung künftig aussehen, geht es nach dem Willen der Großen Koalition. Ermöglichen soll das die lang geplante und viel diskutierte Föderalismusreform. In der vergangenen Woche begannen die Beratungen zur Modernisierung des deutschen föderalen Systems. Insgesamt äußern sich in den Anhörungen mehr als 100 Sachverständige. Ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags kam bereits im Vorfeld zu einem eindeutigen Urteil: Die geplanten Änderungen würden den Anteil der Zustimmungsgesetze erheblich senken. Bislang sind in Deutschland etwa 55 Prozent der Gesetzesvorlagen zustimmungspflichtig. Damit sie in Kraft treten können, muss ihnen nicht nur der Bundestag, sondern auch der Bundesrat zustimmen. Ursprünglich sollte damit die Mitwirkung der Länder an der Gesetzgebung des Bundes gewährleistet sein. In der politischen Praxis aber führten unterschiedliche Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat oft dazu, dass die Länderkammer bei vielen Gesetzentwürfen der Bundesregierung ihr Veto einlegte und die Entwürfe in die Mangel des Vermittlungsausschusses gerieten. Obwohl schließlich weniger als drei Prozent der zustimmungspflichtigen Gesetze tatsächlich am Einspruch der Länder scheiterten, kam am Ende des Vermittlungsprozesses oft etwas ganz anderes als das ursprünglich intendierte heraus.
Hier würde die Föderalismusreform Verbesserungen bringen, meint der Wissenschaftliche Dienst. Die Mehrzahl der Gesetze soll zu Einspruchsgesetzen werden, bei denen der Bundesrat zwar ein Veto einlegen, der Bundestag dieses aber mit Kanzlermehrheit zurück- weisen kann. Im Gegenzug erhalten die Länder ein erhebliches Abweichungsrecht von den Bundesgesetzen. Ihre Zustimmung ist nach wie vor nötig, wenn geplante Bundesgesetze erhebliche Kosten für die Länder verursachen. Eine Untersuchung des Wissenschaftlichen Dienstes zu den Auswirkungen der geplanten Reform auf die Gesetze der vergangenen sieben Jahre hat ergeben, dass der Anteil der Zustimmungsgesetze beispielsweise in der vorigen Wahlperiode von 51 Prozent auf 24 Prozent gefallen wäre. In der Koalition rief dieses Ergebnis Begeisterung hervor: "Die Förderalismusreform wirkt!", so das Fazit des SPD-Fraktionsgeschäftsführers Olaf Scholz. Die Zuständigkeiten würden deutlich entflochten, die Wähler könnten besser erkennen, wer für welches Gesetz verantwortlich sei.
Dennoch verwies Scholz in seiner Stellungnahme auf nach wie vor bestehenden Diskussionsbedarf: Das Ergebnis der Studie sage nichts darüber aus, ob die Aufteilung von Gesetzesmaterien auch in jeder Frage sinnvoll ist. Besonders umstritten ist das in den Bereichen Umwelt und Bildung. Reformkritiker befürchten, dass die Abweichungsrechte der Länder insbesondere im Umweltschutz zu gänzlich unterschiedlichen Standards in den Ländern - und schlimmstenfalls zu 16 verschiedenen Regelungen - führen könnten. Auch die Pläne, die Bildungspolitik komplett an die Länder abzugeben, sorgen für Unmut. FDP-Chef Guido Wes-terwelle konstatierte, in beiden Bereichen gebe es noch Beratungsbedarf. Umstritten ist auch das Vorhaben, die Zuständigkeit für den Strafvollzug vom Bund auf die Länder zu verlagern - hier fordert Grünen-Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck Nachbesserungen. Doch während die Opposition und große Teile der SPD das Reformpaket noch einmal aufschnüren wollen, lehnt die Union bislang jede Änderung ab. Sie befürchtet, dass dadurch das ganze Projekt scheitert.
Ob CDU und CSU diese Haltung beibehalten können, ist fraglich: Bereits in den ersten Anhörungen übten die Sachverständigen zum Teil deutliche Kritik. So warnten Europaexperten, die Föderalismusreform schwäche die deutsche EU-Verhandlungsposition. Auch die geplanten Änderungen des Beamtenrechts stießen auf Skepsis. Das umstrittene Thema Bildung steht am 29. Mai auf der Tagesordnung.