Das Parlament: Der Zusammenschluss führender deutscher Werften unter dem Dach der Thyssen-Krupp Marine Systems (TKMS) 2005 war heftig umstritten. Politiker, Professoren und ganze Familien demonstrierten gegen die Übernahme von HDW in Kiel. Hat sich der Ärger mit der Öffentlichkeit für Sie, für Thyssen-Krupp gelohnt?
Klaus Borgschulte: Einen massiven Widerstand, wie Sie ihn ansprechen, hat es nicht gegeben, auch kann von "Ärger mit der Öffentlichkeit" keine Rede sein. Obwohl der Werftenverbund schon seit Jahren diskutiert wurde, hat seine Bildung im Vorfeld bei einigen Menschen zunächst Bedenken ausgelöst. Diese haben wir von Anfang an sehr ernst genommen und gemeinsam mit den Mitarbeitervertretungen diskutiert sowie alle Pläne und Entscheidungen stets offen kommuniziert. Es sei daran erinnert, dass die Politik, allen voran die damalige Bundesregierung, die Bildung des Werftenverbundes nachdrücklich unterstützt und begrüßt hat. Denn angesichts der Konkurrenz aus Fernost und der staatlich subventionierten Werften Europas ist es nur in einem Verbund möglich, die Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Schiffbaus zu stärken und die deutsche Schiffbauindustrie langfristig zu erhalten.
Das Parlament: Ist Ihnen das gelungen?
Klaus Borgschulte: Drohende Standortschließungen konnten durch die konsequente Ausrichtung auf die jeweiligen Kernkompetenzen verhindert werden, wir haben ein europäisch ausgerichtetes Systemhaus entwickelt, sind durch unser breites Produktportfolio - trotz der nach wie vor schwierigen Marktsituation - gut positioniert und haben die Weichen für eine auch in Zukunft erfolgreiche Werftengruppe gestellt. Insofern können heute alle zufrieden sein, denen der Schiffbau in Deutschland ein Anliegen ist.
Das Parlament: TKMS setzt auf Fregatten und U-Boote fürs internationale Geschäft. Wie wichtig ist die Bundeswehr als Erstnutzer, als "Parent Navy"?
Klaus Borgschulte: Die Deutsche Marine als "Parent Navy" halten wir für überaus wichtig. Das der nationale Markt unverzichtbar, aber zu klein ist, um sich hier ausschließlich zu engagieren, erhöht die Bedeutung noch. Denn indem die Deutsche Marine unsere neuesten Produkte und Technologien einsetzt, demonstriert das natürlich deren Funktionsfähigkeit und Überlegenheit. Dieser Umstand hat selbstverständlich großen Einfluss auf den Export. Hinzu kommt, dass für die Deutsche Marine entwickelte Bauprogramme die Kernfähigkeit der Marine-Technologie in Deutschland sichern. Die jüngsten Projekte dieser Art sind der Bau der Fregatte F 125 und des U-Bootes 212 A, denen wir aufgrund ihrer herausragenden Konzeption nach einem Einsatz bei der "Parent Navy" überaus gute Exportchancen einräumen.
Das Parlament: Marine-Aufträge hängen an der Politik, sind besonders zyklisch und unberechenbar. Im zivilen Schiffbau setzen Sie auf Hochtechnologie - deren Blaupausen immer schneller in Korea und China landen, die anschließend mit Dumpingpreisen die Aufträge wegschnappen. Welche Unterstützung für den globalen Wettbewerb erwarten Sie aus Berlin und Brüssel?
Klaus Borgschulte: Das Problem sind generell die Wettbewerbsverzerrungen, die wir mit Konkurrenten in verschiedenen asiatischen, aber auch europäischen Ländern haben. Der Technologietransfer, die von Ihnen angesprochenen Blaupausen, insbesondere zu asiatischen Wettbewerbern, ist dabei nur ein, wenn auch relevanter Aspekt. Generell erwarte ich von der europäischen wie auch der nationalen Politik gleiche Rahmenbedingungen für alle. Dazu gehören im Handelsschiffbau der Abschluss entsprechender OECD-Abkommen und ein Unterbinden von Preisdumping. Aber auch vergleichbare Finanzbeihilfen, zum Beispiel bei Bankbürgschaften, oder einheitliche Innovationsprogramme - Stichwort Rückzahlbarkeit - wären zu nennen. Im Marineschiffbau sind immer noch zahlreiche Wettbewerber im Staatsbesitz, so dass durch die Kombination von Eigentümer und Kunde in einer Person erhebliche Verwerfungen entstehen. Die privatwirtschaftlich organisierten Schiffbaugruppen erwarten hier vergleichbare Rahmenbedingungen.
Das Parlament: Weltweit nehmen die Werftkapazitäten schneller zu, als die Bestellungen neuer Schiffe. Wo sehen Sie strategische Marktlücken - oder gibt es für TKMS in Zukunft nur noch kleine Nischen?
Klaus Borgschulte: Die rasante Zunahme der Werftkapazitäten, insbesondere in China, ist tatsächlich ein gravierender Aspekt, der erhebliche Auswirkungen auf den Handelsschiffbau haben wird. TKMS ist davon nicht oder nur in sehr geringem Umfang betroffen. Unsere Märkte sind nicht die der Massenschiffe, sondern hochspezialisierte Schiffe mit geringerer Losgröße aber hohen Qualitätsanforderungen. Dieses gilt sowohl für den Marine-Sektor wie auch den zivilen Bereich. Insofern bedienen wir schon heute eher Spezial- oder Nischenmärkte, die aber über ein starkes Marktwachstumspotential verfügen. Auf den frei zugänglichen Weltmärkten sind wir führend bei Fregatten, Korvetten und konventionellen U-Booten. Starke Marktpositionen haben wir außerdem bei Unterstützungsschiffen und Patrouillenbooten, beim Bau von Mega-Yachten sowie im Bereich After Sales Service. Wir verstehen uns aber nicht nur als Schiffbauer, der seinen Kunden hilft, seine Aufgaben wirtschaftlicher, effektiver und effizienter zu erfüllen. Zu unseren "Lösungen rund ums Schiff" gehört auch ein attraktives Finanzierungs-, Dienstleistungs- und "After-Sales-Paket" im Rahmen des "Life Cycle Managements".
Das Parlament: Die Globalisierung erzwingt geradezu einen gemeinsamen europäischen Werftenkonzern, einen europäischen Champion, wie ihn die erfolgreiche Luftfahrt in EADS hat. Was tut TKMS dafür?
Klaus Borgschulte: Thyssen-Krupp Marine Systems ist hier bislang ein erhebliches Stück weiter gegangen als Schiffbauunternehmen irgendwo in Europa: Wir sind ein rein privates Unternehmen, sind mit Standorten in Deutschland, Schweden, Griechenland und einer Beteiligung in Portugal ein europäisch ausgerichteter Verbund, haben im vergangenen Jahr außerordentliche multinationale Integrationserfahrung gewonnen und werden unsere Konsolidierung mit der Integration von Atlas Elektronik fortführen. Gerade die nationale Konsolidierung der Werften mit der Marine Elektronik-Excellence und die Privatisierung der Unternehmen betrachten wir aber als Voraussetzung für die nächsten Schritte auf europäischer Ebene. Soll es zu einem noch größeren europäischen Werftenkonzern kommen, müssen die anderen Länder ebenfalls entsprechende Anstrengungen übernehmen. Sobald dort vergleichbare Voraussetzungen geschaffen werden, sind wir grundsätzlich bereit, die europäische Konsolidierung maßgeblich weiterzutreiben und zu führen.
Das Interview führte Hermannus Pfeiffer.