Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) hat sich am 20. Juni für einen zügige Umsetzung der EU-Gleichbehandlungsrichtlinien in deutsches Recht ausgesprochen. Zypries sagte in der Debatte zum Abschluss des Haushaltes ihres Ministeriums, es drohten "massive Strafzahlungen" aus Brüssel, wenn Deutschland die Richtlinien nicht bald umsetze. Nach dem von CDU/CSU und SPD eingereichten Gesetzentwurf ( 16/1780) sollen Diskriminierungen aus Gründen der Rasse, der ethnischen Herkunft, der Religion, einer Behinderung, des Alters sowie der sexuellen Identität und des Geschlechts künftig verhindert oder beseitigt werden. Laut Regierung verpflichten die Richtlinien unter anderem zu abschreckenden Sanktionen bei Verstößen gegen das Gleichbehandlungsgebot.
Dies ist der zweite Versuch, die EU-Richtlinien in deutsches Recht umsetzen. Schon am 17. Juni vergangenen Jahres hatte der Bundestag mit der damaligen rot-grünen Mehrheit einen Gesetzentwurf angenommen. Der Bundesrat rief daraufhin den Vermittlungsausschuss an. Wegen der Bundestagswahl fiel das damalige Antidiskriminierungsgesetz sozusagen in den Papierkorb. Der Bundestag hat jetzt den Entwurf an den Rechtsausschuss überwiesen. Das Gesetz soll am Donnerstag dieser Woche verabschiedet werden.
Die Unionsfraktion hatte das Gesetz seinerzeit heftig bekämpft. So tat sich die CDU/CSU erkennbar schwer mit dem zuvor ausgehandelten Koalitionsdeal. Der Unionsabgeordnete Jürgen Gehb sagte, "dass uns die Exekutive häufig - weil sie weiß, dass sie im eigenen Parlament keine Mehrheit bekommt - geschickt über den Tauchsieder Europa Richtlinien zuspielt und dass wir dann sagen müssen: Hier stehe ich und kann nicht anders". Auch Ole Schröder ("Wir müssen jedenfalls mit diesen Richtlinien leben.") und Norbert Geis ("Ich bin der Auffassung, dass schon die vier Richtlinien eine Katastrophe gewesen sind.") machten kein Hehl aus ihrer grundsätzlichen Ablehnung der EU-Richtlinien.
Mechthild Dychmanns von der FDP-Fraktion streute noch Salz in diese offene Wunde: Die Unionsabgeordneten müssten ihren Wählern erst einmal schlüssig erklären, warum sie dieses Gesetz jetzt verabschieden wollten. Die CDU/CSU handele nach dem Motto: "Augen zu und durch!" So könne man sich nicht aus der Verantwortung stehlen. Die Liberalen verlangten eine Anhörung zu dem Gesetzentwurf, was Zypries in der gleichen Debatte zurückwies.
Für die Linkspartei begrüßte Wolfgang Neskovic den Entwurf, warf der Koalition aber vor, sie bleibe auf halbem Wege stehen: "Dort, wo ihr Mut, ihre Veränderungsbereitschaft besonders gefragt gewesen wären, nämlich bei der Anerkennung der sozialen Herkunft als Merkmal für Diskriminierung, haben Sie gekniffen." Rückhaltlos begrüßte Volker Beck (Bündnis 90/Die Grünen) die vier EU-Richtlinien. Es gebe kein Land in der EU, in dem es so ein ideologisches "Buhei" um die selbstverständliche Umsetzung dieser Grundsätze gebe wie in Deutschland. Beck stimmte im Übrigen der Justizministerin zu: Eine "langatmige Anhörung" dazu sei nicht notwendig.
Der Bundesrat hat in der Zwischenzeit moniert, dass die EU-Richtlinien zur Gleichbehandlung "unnötige, zu detaillierte und bürokratische Regelungen" enthalten. In seiner Stellungnahme zum Regierungsentwurf ( 16/1852) ist er darüber hinaus der Auffassung, dass darin noch überflüssige Belastungen für das Wirtschafts- und Rechtsleben enthalten sind, die durch die zu Grunde liegenden europäischen Richtlinien nicht zwingend vorgegeben sind. Es sollte nicht ausreichen, Tatsachen, die eine Benachteiligung vermuten lassen, "glaubhaft" zu machen. Deswegen sei die Beweisregelung in dem Gesetzentwurf neu zu fassen. Der Bundesrat ist ferner der Auffassung, die vorgeschlagenen Regelungen des Gleichbehandlungsgesetzes würden zu einem erheblichen Bürokratiezuwachs sowohl in der privaten Wirtschaft als auch im öffentlichen Bereich führen.