Das wichtigste familienpolitische Vorhaben der Großen Koalition ist auf den Weg gebracht: Nur wenige Tage nachdem sich das Bundeskabinett auf die Einführung des Elterngeldes geeinigt hatte, befasste sich am 22. Juni auch der Bundestag in erster Lesung mit dem Gesetzentwurf ( 16/1889). Schon nach der Sommerpause will er das Elterngeld beschließen, das ab 1. Januar 2007 das bisherige Erziehungsgeld ersetzen soll. Berufstätige Mütter und Väter würden damit finanziell stärker unterstützt, wenn sie nach der Geburt ihres Kindes zu Hause bleiben oder beruflich kürzer treten.
Im Bundestag verteidigte Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) diese Mehrkosten als "richtige und zeitgemäße Investition". Das Elterngeld, betonte sie, werde allen Eltern nützen, die sich im ers-ten Lebensjahr Zeit für ihr Neugeborenes nähmen und dafür auf Einkommen verzichteten. Zugleich sei es "ein klares Signal, dass es von der Gesellschaft akzeptiert ist, dann auch in den Beruf zurückzukehren". Der Gesetzentwurf sieht vor, dass ein berufstätiger Elternteil ein Jahr lang 67 Prozent seines bisherigen Nettoeinkommens, höchstens aber 1.800 Euro, erhält, wenn er wegen des Kindes eine berufliche Auszeit nimmt. Betreut auch der andere Partner das Kind für mindestens zwei Monate, erhöht sich die Bezugsdauer auf 14 Monate. Gegenüber "Das Parlament" sagte von der Leyen: "Ich hoffe, dass das Elterngeld junge Menschen darin bestärkt, sich die Kinderwünsche, die sie ja haben, auch zu erfüllen." Es eröffne eine echte Wahlfreiheit zwischen Familie und Beruf und stärke Vätern in den Betrieben, aber auch im Bekanntenkreis, den Rücken, sich Zeit für ihr Kind zu nehmen.
Kritik seitens der Opposition gab es dennoch, auch wenn sie das Gesetzesvorhaben im Grundsatz ausdrücklich begrüßte. So betonte die familienpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Ina Lenke, dass das Elterngeld allein nicht ausreichen könne, um eine familien- und kinderfreundliche Politik in Deutschland zu realisieren. Es sei zwar ein nettes Startkapital für Familien, sagte sie, doch dann, nach Ablauf des ersten Jahres, schnappe die "Kinderbetreuungsfalle" zu.
Ähnlich argumentierte Ekin Deligöz von den Grünen. In Deutschland fehle es in erster Linie an einer Betreuungsinfrastruktur, sagte sie. Ohne sie könnten Maßnahmen wie das Elterngeld nicht wirken. In einem Antrag ( 16/1673) forderten die Grünen die Bundesregierung daher auf, ausreichende Betreuungsangebote sicherzustellen. Sie sollen es Eltern nach Ablauf der Förderdauer ermöglichen, tatsächlich wieder in den Beruf einzusteigen. Der Antrag wurde zusammen mit dem Gesetzentwurf der Regierung an den Familienausschuss überwiesen.
Besonders heftig attackierte die Linksfraktion das Elterngeld: Ihr Abgeordneter Jörn Wunderlich bezeichnete das Gesetz als "sozial unausgewogen" im Hinblick auf die darin enthaltene "Geringverdienerregelung". Bisher, so Wunderlich, habe ein Arbeitslosengeld-II-Empfänger über 24 Monate 300 Euro Erziehungsgeld erhalten. Jetzt seien es nur noch 300 Euro Elterngeld über 12 Monate. Damit sei das Gesetz "eine familien- und sozialpolitische Mogel-packung" zu Lasten der sozial Schwachen. Weniger deutlich, aber mit gleichem Tenor, schlossen sich FDP und Grüne an.
Von der Leyen widersprach: Wenn Eltern ihren Lebensunterhalt nicht selbst erarbeiten könnten, sei es Aufgabe des Sozialstaates und nicht des Elterngeldes, ihn zu sichern, sagte sie. Es sei daher konsequent, die Kernleistung auf ein Jahr zu begrenzen. Zugleich betonte sie, dass Kinderbetreuung und Elterngeld "Hand in Hand gehen" müssten. Für Mitte Juli kündigte sie einen Bericht an, der über die Fortschritte beim Ausbau der Kinderbetreuung informieren soll. Die Minis- terin gegenüber "Das Parlament": "Erfahrungen aus Ländern, die das Elterngeld bereits eingeführt haben, zeigen, dass der Ausbau der Kinderbetreuung seither deutlich voran ging. Ich bin zuversichtlich, dass uns dies auch in Deutschland gelingt."