Die südostasiatischen Chinesen haben eine lange Geschichte der Diskriminierung als Minderheit durch die Einheimischen in den jeweiligen Ländern erlebt. Fakt ist allerdings auch, dass sie dort einen überproportional großen Teil der Wirtschaft kontrollieren. Ihr Status, ihre gesellschaftliche Integration und politische und wirtschaftliche Macht sind in den verschiedenen Länder aber durchaus unterschiedlich und durch lokale Bedingungen geformt. Ihre Zahl wird auf insgesamt rund 30 Millionen geschätzt.
Die größten Einwanderungswellen fanden im 19. und 20. Jahrhundert statt, als hauptsächlich der Süden Chinas von Bürgerkriegen, Überbevölkerung und Hungersnöten geplagt wurde. Viele Chinesen hörten auf den Lockruf der europäischen Kolonialmächte, die ihnen lukrative Arbeitsmöglichkeiten in den südostasiatischen Kolonien versprachen. Aber auch in das unabhängige Königreich Thailand wanderten Chinesen ein.
In Thailand wurde bereits Anfang des 20. Jahrhunderts unter König Chulalongkorn eine aktive Assimilationspolitik betrieben, um die Spannungen zwischen den Zugewanderten und den Einheimischen abzubauen. Den Chinesen wurde die Wahl gelassen, ihre chinesische Identität zu behalten und Außenseiter zu bleiben, oder einen thailändischen Namen und die thailändische Staatsbürgerschaft anzunehmen. Die meisten entschieden sich für die zweite Option. Interethnische Hochzeiten wurden von der Regierung stark gefördert und beschleunigten den Prozess der Assimilation, der so erfolgreich war, dass es keineswegs unüblich ist für Angehörige dieser Minderheit, hohe politische Ämter zu bekleiden, sogar das des Premierministers. Dennoch wurden die Chinesen auch in Thailand wiederholt Opfer von Diskriminierung, wenn auch in einer abgeschwächteren Form als in manchen Nachbarländern.
Auch auf den Philippinen hat sich die chinesische Minderheit erfolgreich assimiliert. Das wurde ebenfalls durch inter-ethnische Hochzeiten vorangetrieben. Die Kinder aus diesen Ehen werden als Mestizos bezeichnet und machen den Großteil der sozialen und politischen Elite aus. Anders als die Mestizos, die Abstand nahmen von ihrem chinesischen Erbe, wurden die Vollblut-Chinesen, auch Tsinoy genannt, Bewahrer der chinesischen Kultur und Tradition. Das verhindert jedoch nicht, dass die chinesische Gemeinschaft auf den Philippinen sich voll und ganz als "philippinisch" betrachtet.
In Indonesien hingegen waren die Beziehungen zwischen den eingewanderten Chinesen und den Einheimischen schon immer problematisch. Die Spannungen zwischen diesen beiden Gruppen haben einen Ursprung in der Kolonialpolitik der Niederländer. Diese teilten die Bevölkerung in drei Klassen ein. Die Chinesen wurden zusammen mit den Arabern zwischen der herrschenden europäischen Klasse und der unteren Klasse der Einheimischen eingestuft. Darüber hinaus erhielten die Chinesen eine klare Dominanz im Handelsbereich. Somit gehörten sie bereits zur Zeit der Unabhängigkeit nach dem Zweiten Weltkrieg zu den Vermögendsten in Indonesien. Ihr priviligierter Status wurde zur Quelle des Misstrauens bei den Einheimischen. Nach dem Putschversuch gegen Präsident Sukarno 1965 kam es verstärkt zu anti-chinesischen Ausschreitungen, weil die Aktion als Unternehmen der kommunistischen Partei dargestellt wurde und die chinesischen Indonesier wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit alle als Kommunisten verdächtigt wurden. Tausende Chinesen kamen bei dieser "Kommunisten"-Verfolgung ums Leben. Suharto nutzte die angespannte Lage aus, um als zweiter Präsident die Macht zu ergreifen. Während seiner Regierungszeit spitzte sich die anti-chinesischen Stimmung in Indonesien immer weiter zu. Insgesamt wurden 60 anti-chinesische Gesetze erlassen, die unter anderem den Gebrauch chinesischer Schriftzeichen, das Feiern chinesischer Feste und das Verbreiten von chinesischen Publikationen untersagten. Darüber hinaus waren chinesische Indonesier verpflichtet, ein Zertifikat der Staatsbürgerschaft als Beweis dafür zu beantragen, dass sie ihre Loyalität zu China aufgegeben hatten. Ebenso wurden sie per Gesetz dazu verpflichtet indonesische Namen anzunehmen. Nicht alle Mitglieder der chinesischen Gemeinschaft wurden jedoch in dieser Zeit benachteiligt.
Einige einflussreiche Chinesen profitierten erheblich von der Herrschaft Suhartos. Ausgedehnte Patronage-Netzwerke zwischen chinesisch-indonesischen Wirtschaftsführern und dem Militär sowie Politikern des Suharto-Klans wurden geknüpft. Dieser Nepotismus wurde der chinesischen Gemeinschaft zum Verhängnis. Als Suharto 1998 nach Massenprotesten zurück-trat, kam es zu heftigen anti-chinesischen Ausschreitungen mit Plünderungen, Vergewaltigungen und Morden in ganz Indonesien. Viele chinesische Indonesier verließen das Land. 1999 wurden unter Präsident Wahid einige der anti-chinesischen Gesetze gestrichen. Das Verbot chinesischer Schriftzeichen und chinesischsprachiger Zeitungen wurde aufgehoben und chinesische Feiertage dürfen nun wieder gefeiert werden. Eine häufig informelle Diskriminierung besteht aber nach wie vor, so etwa bei Anstellungen in der öffentlichen Verwaltung und beim Militär sowie bei der Aufnahme in öffentliche Schulen und Universitäten.
Die chinesische Gemeinschaft in Malaysia hat ihre eigene gemeinschaftliche Identität behalten und gemischte Hochzeiten sind eine Seltenheit, wahrscheinlich weil die Chinesen bei Hochzeiten mit den muslimischen Einheimischen zum Islam übertreten müssen. Zur Zeit der Unabhängigkeit 1957 bestand die Bevölkerung Malaysias zu fast 50 Prozent aus Chinesen. Auch hier dominierten die Chinesen als Folge der britischen Kolonialpolitik die Wirtschaft. Blutige Ausschreitungen zwischen Chinesen und Malaien in Kuala Lumpur 1969 änderten die politische Landschaft in Malaysia. Mit einer Politik, die Malaien erheblich Vorteile gegenüber Nicht-Malaien einräumt, sollte die wirtschaftliche Benachteiligung der Einheimischen behoben werden. Seitdem hat die politische Macht der chinesischen Minderheit erheblich abgenommen. Die positive Diskriminierungspolitik der "New Economic Policy" sorgt dafür, dass drei Viertel der Plätze in der höheren Bildung, der Stellen in der öffentlichen Verwaltung, der Regierungsverträge und der Wohnungen für die muslimischen Malaien reserviert sind. Trotz einer solchen klaren Bevorteilung der Malaien, hat ihr Anteil an der malaysischen Wirtschaft nur marginal zugenommen. In der chinesisch-malaysischen Gemeinschaft steigt wegen der Diskriminierung die Zahl der Auswanderer. Aus diesem Grund wird in jüngster Zeit die Politik der malaysischen Regierung kontrovers diskutiert.
In ganz Südostasien kann man in den vergangenen Jahren ein Wiederbelebung der chinesischen Sprache und Kultur feststellen. Sie fand parallel mit dem wirtschaftlichen Aufstieg Chinas im vergangenen Jahrzehnt statt. China und die Vereinigung Südostasiatischer Staaten (ASEAN) sind wichtige Handelspartner und auch in politischer Hinsicht gibt es immer engere Beziehungen. Investitionen in Milliardenhöhe von südostasiatischen Chinesen sind ein wichtiger Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung Chinas und die Netzwerke (guanxi) der Chinesen fungieren als
Brücke und Vermittler zwischen den beiden Regionen. Jedoch darf man die wirtschaftlichen Vorteile der Auslandschinesen in der Volksrepublik China nicht überschätzen. Dort werden die Übersee-Chinesen, nicht zuletzt wegen ihres oftmals mangelhaften Mandarin (Hochchinesisch), immer noch als Außenseiter wahrgenommen. Außerdem sollte sich die chinesische Minderheit in Südostasien bewusst sein, dass die Wiederbelebung ihrer Kultur sich zu einer Gefahr entwickeln könnte. Die alten Spannungen brodeln nach wie vor unter der Oberfläche und könnten leicht wieder aufbrechen. Die größte Herausforderung der chinesischen Minderheit in Südostasien wird deshalb sein, ihre nationale Loyalität und ihre Wirtschaftsinteressen vorsichtig auszubalancieren.
Die Autorin ist Referentin in der Friedrich-Ebert-Stiftung, Singapur.