EUROPARAT
Montenegro wird Anfang Mai 47. Mitglied des Europäischen Staatenbundes
Anders als bei der EU ist beim Europarat der halbjährliche Wechsel der Präsidentschaft meist eine Routineübung. Wenn am 10. und 11. Mai bei der Tagung des Ministerkomitees, in das die 46 Außenminister ihre Straßburger Botschafter entsenden, der Vorsitz von San Marino zu Serbien wechselt, ist das etwas anderes: Bei diesem Treffen soll Montenegro die 47. Mitgliedsnation des Staatenbunds werden.
Im Prinzip ist das Ministerkomitee als höchstes Gremium des Europarats nicht an das Votum der Parlamentarischen Versammlung gebunden, doch nach deren Ja Ende April steht die Zustimmung der Botschafterrunde zur Aufnahme des Balkanlands außer Frage. Ein bloß formeller Akt ist der Beitritt indes keineswegs: Montenegro werden eine Reihe von Auflagen wie vor allem die Verabschiedung einer neuen Verfassung gemacht, um demokratisch-rechtsstaatliche Standards zu gewährleisten. Vorgaben, die nicht nötig wären, wenn nicht eine Reihe von Defiziten und Problemen existieren würden. Von April 2003 bis Juni 2006 gehörte das Land als Teil der Staatenunion Serbien-Montenegro schon einmal indirekt dem Europarat an. Nach der Unabhängigkeitserklärung im Juni 2006 stellte die Regierung in Podgorica sofort einen eigenen Aufnahmeantrag in Straßburg.
Laut den von den Europaratsmitgliedern verfügten Auflagen muss Montenegro innerhalb eines Jahres eine neue Verfassung in Kraft setzen, in der unter anderem die Unabhängigkeit der Justiz, die Unterstellung des Militärs unter einen zivilen Oberbefehl, Minderheitenrechte und das Verbot der Todesstrafe verankert sind. Gerade die Unabhängigkeit der Justiz ist im Osten des Kontinents häufig ein heikler Punkt. So verlangt Straßburg auch, jenseits hehrer Verfassungsprinzipien das Justizwesen so auszugestalten, dass politischer Einfluss auf die Ernennung von Richtern und Staatsanwälten wie auch auf deren Arbeit ausgeschlossen wird. Berichterstatter Jean-Charles Gardetto: "Die Reformen müssen beschleunigt werden, um die Verpflichtungen in die Praxis umzusetzen." Die Garantie der Unabhängigkeit der Medien und die Installierung eines Bürgerbeauftragten stehen ebenfalls im Forderungskatalog des Europarats. Die Regierung in Podgorica muss überdies zusagen, die Zustände in Gefängnissen zu verbessern. Wenn die montenegrinische Delegation von der Sitzung des Ministerkomitees nach Hause fährt, wird sie zudem eine lange Liste mit Europarats-Konventionen bei sich führen, die zu ratifizieren sind: Dazu zählt nicht zuletzt die Sozialcharta - die im Übrigen erst von 23 Mitgliedsländern in Kraft gesetzt wurde.