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Billige Laptops und neue Absatzmärkte
Als Nicholas Negroponte 2005 seine Vision eines maximal 100 Dollar teuren Notebooks vorstellte, das die Bildungschancen von Kindern in Entwicklungsländern verbessern sollte, giftete der damalige Intel-Chef Craig Barrett, das sei kein Computer, "sondern ein Spielzeug". Negroponte, langjähriger Direktor am renommierten Massachusetts Institute of Technology in Cambridge, warf Barrett daraufhin vor, das Entwicklungshilfeprojekt zu torpedieren, weil in dem Billig-Computer statt Intel-Chips solche des Rivalen AMD eingebaut seien.
Mitte Juli einigten sich die Kontrahenten überraschend, in Zukunft zusammenzuarbeiten. Damit stehen die Chancen gut, dass die beiden aktuell größten Bildungsprojekte in der Informationstechnologie zusätzlich an Schwung gewinnen.
Das eine ist das von Negroponte angestoßene Programm "One Laptop per Child" (OLPC): Um den digitalen Graben zwischen Industriestaaten und Entwicklungsländern zu überbrücken, will er in den kommenden Jahren Millionen von Kindern mit einem speziellen Lerncomputer ausstatten.
Das "XO" genannte Notebook ist ein Rechner, den Negroponte gemeinsam mit Kollegen aus dem Media Lab sowie Software- und Hardwarespezialisten aus aller Welt von Grund auf neu entwickelt hat: Kompakt und leicht, damit ihn Grundschüler tragen können. Zugleich so robust, dass ihm weder ein Sturz vom Tisch noch tropische Regenstürme etwas anhaben können. Obwohl per Funk mit seinesgleichen vernetzbar, verbraucht er nur wenig Strom, und sein Akku lässt sich per Kurbeldynamo aufladen, damit er vom Stromnetz unabhängig ist.
Innovation und niedrige Preise - die Kombination soll die Zahl der mit OLPC-Rechnern ausgestatteten Kinder in wenigen Jahren in zwei- bis dreistellige Millionenhöhe treiben. Angesichts nachlassenden Wachstums in den traditionellen Computermärkten suchen die Chip-Riesen in den Entwicklungsländern nach neuen Vertriebschancen. Zwar sind die Kunden dort nicht so kaufkräftig wie in den Industrienationen. Dafür verspricht die schiere Masse dreistellige Millionenumsätze.
Um das Feld nicht Non-Profit-Organisationen wie OLPC zu überlassen, hat Paul Otellini, Barretts Nachfolger an der Intel-Spitze, eine Kehrtwende vollzogen und seine Entwickler ebenfalls einen Niedrigpreis-Rechner bauen lassen. Die rund 300 Dollar teuren "Classmate" genannten Spar-Computer sind zwar nicht so innovativ gebaut, wie die XO-Rechner. Dafür sind die ersten regulären Exemplare bereits an Schulen in Mexiko, Brasilien oder Nigeria ausgeliefert.
Die XO-Computer sollen dagegen im Oktober Serienreife erreichen. "Wir stecken in der kritischsten Phase des Projekts", so Negroponte. Zumal der Lerncomputer mit rund 175 Dollar aktuell deutlich teurer ist, als ursprünglich angepeilt. Negroponte hält das 100-Dollar-Ziel dennoch für realistisch: "Wachsende Stückzahlen und die stärkere Integration der Bauteile werden die Kosten pro Jahr um rund ein Viertel senken." Vor allem die Kooperation mit Intel dürfte helfen, die Geräte durch bessere Einkaufskonditionen noch günstiger zu produzieren.
Die Pläne sind ambitioniert: Schon im zweiten Produktionsjahr soll die Zahl der ausgelieferten XO-Rechner 50 bis 100 Millionen Stück erreichen. "Ein Vierteljahrhundert nach der Vorstellung des ersten PCs nutzen rund 700 Millionen Menschen so einen Computer", so der IT-Visionär. "Mit unserem Modell lässt sich die Zahl binnen weniger Jahre verdoppeln."