Wer wissen will, was die Bürgerinnen und Bürger im Land bewegt, muss nur die Internetseite des Petitionsausschusses aufrufen: Abschaffung der Hundesteuer, Allgemeines Rauchverbot, Helmpflicht für Fahrradfahrer oder ein Reinheitsgebot für Wein - das ist nur ein Ausschnitt der Begehren, mit denen sich Männer und Frauen an den Deutschen Bundestag gewendet haben.
In Deutschland gesteht Artikel 17 des Grundgesetzes jeder Person das Recht zu, Bitten und Beschwerden den zuständigen Stellen und der Volksvertretung mitzuteilen. Und davon wird ausgiebig Gebrauch gemacht. Fast 500.000 Zuschriften jährlich erreichen die 80 Mitarbeiter, die in den vier Referaten der zuständigen Unterabteilung "Petitionen und Eingaben" arbeiten. Dann heißt es erst einmal: Filtern. Häufig können Eingaben rasch durch Recherche auf kurzem Weg geklärt werden. "Für etliche Beschwerden ist der Bundestag nicht zuständig", sagt Karl-Dietrich Haase, der die Unterabteilung leitet. Zum Beispiel, weil sie die Länderebene oder gerichtliche Entscheidungen betreffen. Andere Eingaben haben aus juristischer Sicht schlicht keine Aussicht auf Erfolg. Übrig bleiben rund 20.000 Petitionen jährlich - immer noch eine stolze Zahl.
Haase begreift sich und seine Mitarbeiter - die die Petitionen für den zuständigen Petitionsausschuss zur Entscheidung vorbereiten - als Anwälte der Bürger, und das soll sich auch in der Kommunikation ausdrücken. "Wer will, erreicht auch mich direkt am Telefon", sagt er. Der 61-jährige Jurist begann seine Laufbahn beim Deutschen Bundestag 1986 als Referent beim Wehrbeauftragten. Aus dieser Zeit weiß er, wie mit den Sorgen und Nöten der Soldaten umzugehen ist. Jetzt kann er auf diese Erfahrungen als Leiter des "Pet-Teams" zurückgreifen.
Seit September 2005 können Petitionen auch per Web-Formular eingereicht werden, davor mussten sie schriftlich an das Parlament gerichtet werden. Zum gleichen Zeitpunkt wurde das Modell der "Öffentlichen Petition" eingeführt. "Das haben sich die Abgeordneten des Petitionsausschusses auf einer Delegationsreise in Schottland abgeguckt", sagt der Teamchef.
Damit eine Petition ins öffentliche Netz eingestellt werden kann, muss sie jedoch von allgemeinem Interesse und für eine sachliche Diskussion geeignet sein. Diese öffentlichen Petitionen sind über die Internetseite des Petitionsausschusses abrufbar und können dort mitgezeichnet oder auch mitdiskutiert werden. Rund 500 standen bislang im Netz. Die Hitliste führte eine Petition zur Abgrenzung von Praktika von regulären Arbeitsverhältnissen an: Über 60.000 unterzeichneten diese Forderung. Wenn eine Petition von 50.000 Gleichgesinnten unterstützt wird, berät sie der Petitionsausschuss in aller Regel öffentlich und der Petent kann an der Ausschusssitzung teilnehmen.
Der Petitionsausschuss tagt in jeder Sitzungswoche. Anschließend legt er seine Beschlussempfehlungen dem Plenum des Bundestages zur Entscheidung vor. Wird das Anliegen des Petenten als gerechtfertigt empfunden, werden diese Petitionen der Bundesregierung oder den zuständigen Stellen mit der Bitte um Abhilfe zugeleitet.
In fast einem Drittel der Fälle sind Petitionen erfolgreich - ein Beweis, dass Karl-Dietrich Haase und seine Mitarbeiter weit mehr sind als ein Kummerkasten. "Jede Zuschrift ist gleich wichtig und wird ernst genommen", betont der Jurist. Dabei betreffen viele Briefe das Sozial- und Gesundheitssystem. Beispielsweise weil Bürger nicht mit der Berechnung des Hartz-IV-Satzes einverstanden sind oder erreichen möchten, dass ihre Krankenkasse eine bestimmte Behandlung übernimmt. So manches Mal werden Abgeordnete erst durch eine Beschwerde auf eine Ungereimtheit aufmerksam. So beschwerte sich ein Bürger, dass er für einen Hilfsgütertransport Mautgebühren auf deutschen Autobahnen bezahlen soll. Mit Erfolg, wie Karl-Dietrich Haase sich erinnert: "Seither sind solche Fahrten von Mautgebühren befreit."