Mit 67 Jahren geht man in den Ruhestand - oder in die Politik. Für Letzteres zumindest hat sich Konrad Schily entschieden. Gut zwei Jahre liegt dieser Entschluss nun zurück. Nicht nur in der Bundespolitik, auch in der privaten Lebensplanung Schilys kam es damals, im Neuwahl-Jahr 2005, zu neuen Weichenstellungen: erst tatkräftiges Engagement in der FDP, dann sein Parteieintritt, schließlich ein Bundestagsmandat. So ganz lässt sich die Politisierung des Konrad Schily von den innenpolitischen Erosionen des Jahres 2005 wohl nicht trennen: "Ich wollte in der FDP nicht mehr nur beraten", begründet Schily, der seit 2003 im "Innovationskreis NRW liberal" tätig ist, diesen Schritt. "Ich wollte Verantwortung übernehmen."
Verantwortung hat Schily freilich nicht erst im Jahr 2005 übernommen, sondern sein ganzes Leben lang - vor allem in Nordrhein-Westfalen. Schily, 1937 in Bochum geboren, gehört jener im Bundestag immer spärlicher vertretenen Generation von Menschen an, für die Weltkrieg und Wirtschaftswunder nicht nur kollektive Erinnerung, sondern vor allem auch unmittelbare, persönliche Erfahrung darstellen.
Nichts Politisches, sondern Medizin studierte Schily, doch auch die war hochpolitisch. Als Mitglied der ersten Stunde im Vorstand des 1969 gegründeten Gemeinschaftskrankenhauses Herdecke war Schily bereits inmitten gesellschaftlich-politischer Streitpunkte der Zeit angelangt. "Unser Ideal war es, die überkommene hierarchische Struktur in den Krankenhäusern zu erneuern", erinnert sich Schily. Das habe ihm bei den Kollegen nicht nur Freunde eingebracht.
Mit einem anderen Vorhaben sorgte Schily bei der NRW-Landesregierung für Unmut. Schon seit seiner Studienzeit schwebte ihm die Idee vor, eine freie Universität zu gründen, die das Studium, vor allem für Ärzte praxisnäher gestalten sollte. Diese Idee griff Schily zu Beginn der 1980er-Jahre mit neuer Beharrlichkeit auf. "Die NRW-Landesregierung hat mir dabei alle erdenklichen Steine in den Weg gelegt. Eine private Universität war für große Teile der regierenden SPD und natürlich auch der ministerialen Verwaltung undenkbar." Über raue Pfade gelangte Schily dann doch an sein Ziel. Rund 20 Jahre sollte er Präsident der Universität Witten/Herdecke bleiben. Doch seine Nähe zur SPD zerbrach über diesem Streit. Der sozialdemokratischen Partei war er 1973 beigetreten, nicht aus Grundüberzeugung, wie er betont, sondern um ihr soziales Anliegen zu unterstützen. 1990 gab er sein Parteibuch zurück.
Bis heute ist es für Schily eine Grundsatzfrage, wie viel Staat der Mensch eigentlich braucht. "Ich habe mein ganzes Leben darüber nachgesonnen", bemerkt er heute in der Rückschau, "wie man Menschen aus der verwaltenden Hand des Staates in ein selbstverantwortetes Leben überführen kann. Ich bin gegen einen Staat", positioniert er sich, "der die Gesellschaft betreut." Gegen diese generelle Stimmung kämpfe er an. Schilys Credo ließe sich so auf den Punkt bringen: "Weniger Verwaltung, mehr eigenständige Verantwortung im Gemeinwesen."
Seit zwei Jahren übernimmt Konrad Schily nun bundespolitische Verantwortung. Im Bundestag engagiert sich der Arzt und ehemalige Universitätspräsident - wie hätte es auch anders sein können? - im Gesundheits- und Bildungsausschuss. Doch hat sich er, der mit Nordrhein-Westfalen nicht nur durch Herkunft, sondern auch durch vielfältige Tätigkeiten eng verbunden ist, schon eingelebt im politischen Zentrum der Republik?
"Es hat mich mehr als ein Jahr gekostet, mir das Know-How anzueignen, das ich brauche, um die Strukturen hier zu verstehen", sagt Schily pragmatisch. Einleben, könnte man denken, muss man sich hier wohl nicht. Als hätte er diesen Gedanken lesen können, sagt er: "Politik als Beruf sollte auch nicht die Regel sein", und fügt fast beiläufig an: "Ein Wechsel zurück in die freie Wirtschaft nach vier, acht oder auch zwölf Jahren ist zwar schwierig, aber doch wünschenswert." Gilt dies auch für ihn? Nach zwölf Jahren Parlamentsarbeit zurück in die Wirtschaft? Warum nicht? Es gibt noch viel zu tun.