Kontrolle durch europapolitische Beschlüsse (Stellungnahmen)
Der Bundestag übt mit europapolitischen Beschlüssen, so genannten Stellungnahmen, parlamentarische Kontrolle der Bundesregierung in EU- Angelegenheiten aus. Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes präzisiert durch Paragraf 5 EUZBBG, legen fest, dass die Bundesregierung vor ihrer Mitwirkung an Rechtsetzungsakten der EU dem Bundestag Gelegenheit zur Stellungnahme geben muss und dass die Bundesregierung die Stellungnahmen des Bundestages bei ihren Verhandlungen berücksichtigt.
Mitwirkung der Parlamentsausschüsse
Das Plenum gibt regelmäßig nach vorheriger Beratung in den zuständigen Parlamentsausschüssen auf der Grundlage einer Beschlussempfehlung eine Stellungnahme ab. In Ausnahmefällen kann der Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union (EU-Ausschuss) „plenarersetzend" einen Beschluss fassen.
Politische Bindung der Bundesregierung
Mit der Stellungnahme gibt der Bundestag der Bundesregierung inhaltliche Positionen vor, deren Umsetzung im Rahmen der Verhandlungs- und Entscheidungsprozesse im Rat erwartet wird. Dazu ist die Bundesregierung jedoch nicht immer in der Lage. Die Gründe können unterschiedlicher Art sein: Möglicherweise kann sie sich in dem auf Kompromiss angelegten Verhandlungsprozess gegenüber ihren Partnern aus den anderen Mitgliedstaaten nicht durchsetzen. Denkbar ist auch, dass nach Auffassung der Bundesregierung bei Befolgung der Bundestagsstellungnahme die integrationspolitische Handlungsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland eingeschränkt würde. Schließlich kann die Bundesregierung - bei Geltung des Mehrheitsprinzips im Entscheidungsverfahren durchaus kein Einzelfall - schlichtweg überstimmt werden. In allen diesen Fällen hat die Bundesregierung eine Erklärungs- und Rechenschaftspflicht gegenüber dem Bundestag und den mit der Vorlage befassten Parlamentsausschüssen, warum die Auffassung des Parlaments in den Verhandlungen nicht durchgesetzt werden konnte.
Parlamentsvorbehalt
Die dem Bundestag zur Abgabe der Stellungnahme eingeräumte Frist ist so zu bemessen, dass der Bundestag ausreichend Gelegenheit hat, sich mit der Vorlage zu befassen. Ist eine zeitgerechte Befassung des Bundestages nicht möglich, kann die Bundesregierung dem Rechtsakt in Brüssel nicht zustimmen und muss einen so genannten Parlamentsvorbehalt im Rat der EU einlegen. Eine Aufhebung des Parlamentsvorbehalts ist, wenn der Bundestag Gelegenheit zur Stellungnahme hatte, in der folgenden Sitzung des Rates möglich.
Sonstige Mitwirkungs- und Kontrollrechte in EU-Angelegenheiten
Neben der Mitwirkung an laufenden, noch in der Verhandlung befindlichen EU-Gesetzen wird der Bundestag auch bei erforderlichen Zustimmungsgesetzen (Ratifizierung), bei Vertragsänderungen oder Beitritten neuer Mitglieder tätig. Auch für das Wirksamwerden bestimmter Beschlüsse des Rates, zum Beispiel Festlegung einer gemeinsamen Verteidigungspolitik, Fortentwicklung der Unionsbürgerschaft, Schaffung eines einheitlichen Wahlrechts für die Europawahlen, Festlegung des Eigenmittelssystems - verlangen die europäischen Verträge deren Annahme durch die Mitgliedstaaten „gemäß ihren verfassungsrechtlichen Vorschriften“, das heißt unter Beteiligung von Bundestag (und Bundesrat). Weiterhin übt der Bundestag zum Beispiel durch Parlamentsdebatten, Frage- und Aktuelle Stunden parlamentarische Kontrolle über die Europapolitik der Bundesregierung aus. Schließlich verabschiedet er nach Vorberatung in den Fachausschüssen Gesetze zur Umsetzung von EU-Richtlinien.