Joachim Hörster - Leiter der deutschen Delegation - über die Parlamentarische Versammlung des Europarates
Vor mehr als 50 Jahren, am 5. Mai 1949, haben in London zehn Staaten den Europarat gegründet. Die Bundesrepublik Deutschland wurde 1951 als Vollmitglied aufgenommen. Der Eintritt in den Europarat – der erste Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zu einer internationalen politischen Organisation nach dem Zweiten Weltkrieg – machte den Weg frei für die verantwortliche Mitwirkung und Einbindung der Bundesrepublik bei der politischen Gestaltung eines freiheitlichen und demokratischen Europas. Der Europarat ist heute eine gesamteuropäische Organisation mit 46 Mitgliedstaaten, die nicht nur durch gemeinsame Werte, sondern auch durch ein eigenes Vertragsnetz miteinander verbunden sind. Voraussetzung für die Mitgliedschaft eines Landes im Europarat sind die Zeichnung der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Beitritt zu weiteren wichtigen europäischen Übereinkommen, wie z.B. das Europäische Übereinkommen zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe („Antifolterkonvention“).
Ein jüngster Meilenstein in der Entwicklung des Europarates war der Dritte Gipfel der Staats- und Regierungschefs in Warschau 2005. Hier wurden in einem Aktionsplan die wichtigsten Ziele für die nächsten Jahre festgelegt: Förderung der gemeinsamen Grundwerte wie Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie sowie die Bekämpfung des Terrorismus und der Kriminalität, z.B. des Menschenhandels, der Korruption und der Gewalt gegen Frauen. Brennende Fragen, wie das Verhältnis zwischen der Europäischen Union und dem Europarat, dem Verhältnis zur OSZE und der Reform des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte wurden erörtert und es wurde nach Lösungen gesucht.
Die Parlamentarische Versammlung, in der insgesamt 315 Abgeordnete aus den nationalen Parlamenten der Mitgliedsländer ein Spiegelbild der europäischen Demokratien darstellen, wird häufig auch als „Motor“ des Europarates bezeichnet. Mit Delegationen aus 46 nationalen Parlamenten ist sie heute die größte europäische Versammlung. Die Mitglieder der deutschen Delegation (18 Abgeordnete und 18 Stellvertreter) sind in der Parlamentarischen Versammlung in Plenartagungen, Ausschusssitzungen oder Konferenzen aktiv, erstellen Berichte und engagieren sich als Wahlbeobachter.
Auf der Tagesordnung unserer Plenarsitzungen in Straßburg stehen Debatten über europäische und internationale Ereignisse und ganz allgemein über Angelegenheiten, die europaweites Handeln erfordern. Die von uns verabschiedeten Texte geben dem Ministerkomitee, den nationalen Regierungen, Parlamenten und politischen Parteien wichtige Orientierungshilfen. Viele unserer Initiativen haben zu einer Reihe von europäischen Übereinkommen geführt. Das Protokoll Nr. 6 zur Europäischen Menschenrechtskonvention bezüglich der Abschaffung der Todesstrafe ist das Ergebnis einer Initiative unserer Versammlung. Konventionsentwürfe werden vor ihrer Annahme durch das Ministerkomitee grundsätzlich der Versammlung zur Stellungnahme vorgelegt. Über die eigentliche parlamentarische Arbeit hinaus hat die Versammlung auch die Aufgabe, den Generalsekretär des Europarates und seinen Stellvertreter zu wählen sowie den Menschenrechtskommissar des Europarates und die Richter des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte.
Die deutsche Delegation der 16. Wahlperiode bringt sich wie ihre Vorgänger mit Engagement in die Parlamentarische Versammlung ein, um ihren Beitrag zur Verwirklichung der Ziele des Europarates zu leisten.
Joachim Hörster, MdB