RODRIGUEZ: KREDITVERGABE MUSS TRANSPARENT GEMACHT WERDEN
Bonn: (hib) mr- Die internationale und bilaterale Kreditvergabe sollte transparent und öffentlich erfolgen, so daß die Öffentlichkeit in den Empfängerländern selbst zum Kontrolleur und Korrektiv werden kann. Das betonte der honduranische Erzbischof und Vorsitzende der Lateinamerikanischen Bischofskonferenz, Oscar A. Rodriguez, am Mittwoch abend im Ausschuß für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe. Rodriguez, der auch Mitinitiator der Kampagne "Erlaßjahr 2000" ist, erklärte, die letzte Dekade sei für die Länder Lateinamerikas ein "verlorenes Jahrzehnt" gewesen. Der Schuldendienst sei für sein Land und andere arme Länder der Welt eine neue Art der "Kolonialherrschaft". Statt Tribute müsse man Zinsen zahlen. An der hohen Verschuldung der armen Länder seien sowohl die Gläubiger- als auch die Schuldnerländer Schuld. Die Gläubigerländer hätten, ohne nach der Legitimation zu fragen, Diktaturen und korrupten Regimen Kredite gewährt, die auf Kosten der Bevölkerung nun zurückgezahlt werden müßten. Die Frage des Schuldendienstes und der Zurückzahlung der Gelder sei aber auch eine Frage der Menschenrechte. Durch die Auflagen der internationalen Finanzinstitutionen seien die Länder gezwungen, die knappen Finanzmittel für den Schuldendienst und nicht für die Grundbedürfnisse und die Bildung der Menschen auszugeben. Neben einem umfassenden Schuldenerlaß forderte der Erzbischof deshalb auch einen Internationalen Strafgerichtshof für Wirtschaftsverbrechen, ähnlich wie dem Haager Tribunal für Menschenrechtsverletzungen. Zudem brauche man dringend ein internationales Insolvenzrecht. Dies sei nicht nur eine wirtschaftliche, sondern eine humanitäre Frage.
Auch die Sozialdemokraten betonten, ohne Bildung und mehr soziale Gerechtigkeit werde sich der Demokratisierungsprozeß in Lateinamerika nicht verstärken. Das deutsche Parlament und die Bundesregierung hätten die Bereitschaft, eine tragbare Lösung zu finden. Schulden hätten jedoch ihre Ursachen, und selbst wenn es einen an Bedingungen geknüpften Schuldenerlaß gebe, bedeute dies nicht, daß die Verschuldung automatisch zu Ende sei. Es gebe immer Länder, die bereit seien, den Schuldenerlaß für eine weitere militärische Aufrüstung zu nutzen. Die CDU/CSU-Fraktion verwies auf die Rolle der Banken und die bereits in Indien erfolgreich praktizierte Methode, Kleinstkredite zu niedrigen Zinsen an Frauen zu vergeben. Bündnis 90/Die Grünen interessierten sich dafür, inwieweit es bereits Beratungen zur Errichtung eines Internationalen Strafgerichtshofs für Wirtschaftsverbrechen gebe. Wichtig sei auf jeden Fall, daß die Aufarbeitung der Verbrechen der Vergangenheit in den letzten Jahren bereits einen großen Schritt vorangekommen sei. Dabei habe auch die Verhaftung General Pinochets von Chile eine Rolle gespielt. Die PDS wies in diesem Zusammenhang darauf hin, daß ein Großteil der Schulden der armen Länder von Diktaturen aufgenommen worden seien, mit dem Ziel, das Volk weiter zu unterdrücken und/oder die Gelder auf Privatkonten umzuleiten. Deshalb sei es ungerecht, wenn nun das Volk, das durch diese Mittel unterdrückt wurde, für den Schuldendienst aufkommen müsse. Die Freien Demokraten äußerten sich skeptisch mit Blick auf einen Internationalen Strafgerichtshof für Wirtschaftsverbrechen. Es sei kaum vorstellbar, daß sich viele Länder einem solchen Strafgerichtshof anschließen würden. Schon deshalb werde er nur eine geringe Bedeutung haben. Dem Bischof riet die F.D.P., die Erwartungen und Hoffnungen nicht auf etwas zu richten, "was in sehr, sehr weiter Ferne ist". Besser wäre es, zunächst im eigenen Land für eine funktionierende Justiz zu sorgen. Rodriguez räumte ein, daß er mit seiner Forderung nach einem Internationalen Strafgerichtshof für Wirtschaftsverbrechen zwar nur ein "kleiner Rufer in der Wüste" sei, aber allein die Thematisierung einer solchen Forderung mache "gewisse Leute schon nervös".