Deutliche Kritik einiger Experten am neuen Verbraucherinsolvenzverfahren
Berlin: (hib/BOB) Deutliche Kritik einiger Sachverständiger gab es am Mittwochnachmittag bei einer Anhörung von Sachverständigen über den Gesetzentwurf der Bundesregierung für ein neues Verbraucherinsolvenzverfahren ( 16/7416). Nach Angaben der Regierung ist vorgesehen, dass auf das bislang notwendige zeit- und kostenintensive gerichtliche Insolvenzverfahren verzichtet werden soll, wenn bereits nach der vorläufigen Prüfung durch einen Treuhänder feststeht, dass der Schuldner völlig mittellos ist. Um einen Missbrauch zu verhindern, ist eine Stärkung der Gläubigerrechte geplant.
Es gebe eine "unglaubliche Vielzahl von Widersprüchen in dem Gesetzentwurf", so Professor Hans Haarmeyer von der Fachhochschule Koblenz. Die vorliegende Fassung sei weitgehend "nicht geglückt". Die vornehmlich fiskalisch begründete Reformnotwendigkeit bestehe nicht. Eine solide Feststellung tatsächlicher Belastungen sei frühestens Ende 2009 möglich. Bis zum heutigen Tag vorliegende Erhebungen widerlegten eine angeblich unzumutbare Kostenbelastung vollständig. Der Entwurf führe zudem zu massiven bürokratischen und personellen Erschwernissen, ohne auch nur ansatzweise materielle Verbesserungen oder gar Erleichterungen für die Abwicklung des Verfahrens mit sich zu bringen. Die geplante Novellierung bewirke zudem eine erhebliche Schwächung der Gläubigerrechte. Wie zuvor schon Haarmeyer wies Frank Frind, Richter am Amtsgericht Hamburg, darauf hin, es gebe neun laufende Gesetzesänderungsvorhaben zur Insolvenzordnung. Diese würden vom Bundesjustizministerium offenbar nicht aufeinander abgestimmt. Die insolvenzgerichtliche Praxis könne dieser Flut von Gesetzesänderungen in der täglichen Arbeit nicht mehr bewältigen - eine funktionierende Insolvenzordnung werde so "kaputt reformiert". Es gebe offenbar "überhaupt keine Rücksprache mit der Praxis", so Frind.
Oliver Liersch, Rechtsanwalt für Insolvenzrecht aus Hannover, war der Meinung, mit dem Inkrafttreten der Insolvenzordnung 1999 sei nach langer Diskussion ein einheitliches und bis heute in seiner Grundstruktur unbestritten gutes Recht geschaffen worden. Inzwischen habe es seit 1999 eine Vielzahl von Änderungsgesetzen zur Insolvenzordnung gegeben, weitere Entwürfe lägen noch vor. Auch Liersch war der Meinung, dass die Zielrichtung vieler dieser Änderungen untereinander wenig abgestimmt sei. Der Rechtsausschuss habe die Aufgabe, die verschiedenen Zielsetzungen von Änderungswünschen stärker zu bündeln, so Liersch.
Professor Heinz Vallender, Richter am Amtsgericht Köln, begrüßte dagegen die Initiative der Bundesregierung in der vorgesehenen Grundkonzeption. Sie verzichte auf ein Insolvenzverfahren, das mit erheblichem Aufwand verbunden sei. Stattdessen sehe der Entwurf bei mittellosen Schuldnern ein Entschuldungsverfahren vor. Auch dieses Verfahren, so Vallender einschränkend, werde jedoch für den Fiskus nicht zum "Nulltarif" zu haben sein. Zur Deckung der Kosten des Verfahrens sagte der Experte, Rechtpfleger und auch Verwalter hätten übereinstimmend berichtet, dass es nicht wenigen Schuldnern gelungen sei, im Lauf des Verfahrens aus dem pfändbaren Einkommen oder auf Grund von sonstigen Geldzuflüssen zumindest einen Teil der Verfahrenskosten aufzubringen. Professor Hugo Grote (ebenfalls Fachhochschule Koblenz) begrüßte die vorgesehenen Änderungen im Wesentlichen. Einem Großteil der gemachten Vorschläge liege das Bedürfnis zu Grunde, Kosten in den Länderjustizhaushalten einzusparen. Dies solle insbesondere durch eine Kostenbeteiligung der Schuldner und durch Vereinfachungen des Verfahrens ohne Geldmittel geschehen.