Anlass des aufziehenden Sturms war die Frage der Einflusssicherung zwischen Ost und West. So standen russische Truppen noch im Iran, und die Sowjetunion zeigte kein Interesse, sie zügig abzuziehen. In ähnlicher Weise versuchte Großbritannien seine Präsenz in Griechenland aufrecht zu erhalten. Der Kampf um den Verlauf des im März 1946 von Churchill so genannten "Eisernen Vorhangs" war mithin auch in die neu geschaffene Weltorganisation eingezogen und sollte die Handlungsfähigkeit der UNO während des nunmehr aufziehenden Kalten Krieges maßgeblich bestimmen. Unter dem Eindruck der Auseinandersetzung zwischen Ost und West war das Charta-Konzept der kollektiven Sicherheit einerseits gelähmt, wurde jedoch durch innovative Maßnahmen auch an die neuen Realitäten angepasst.
Allein in den Jahren bis 1955 legte die Sowjetunion im Rat 80 Mal ihr Veto ein; in den 1970er- und 80er- Jahren wurde sie dann in der Häufigkeit des Veto-Einsatzes durch die USA abgelöst. Moskau sah sich - bedingt durch eine deutlich pro-westliche Mehrheit unter den Mitgliedstaaten - in der UNO oft an den Rand gedrängt. Stalin wird nachgesagt, dass er die UNO zeitweise für eine kapitalistische Verschwörung hielt. Präsident Truman konnte hingegen selbst bei einem sowjetischen Veto im Sicherheitsrat auf die Mehrheit in der Generalversammlung bauen, die - wenn auch nicht rechtlich verbindlich - zumindest Verurteilungen und Empfehlungen aussprechen konnte. Die Weltorganisation war somit zur Bühne der Blockkonfrontation geworden. Neue Länder wurden aufgrund jeweiliger ideologischer Zuordnungen nicht aufgenommen, Abrüstungsmaßnahmen sowie technische Hilfsprogramme blockiert. Entscheidend dürfte jedoch auch der Umstand sein, dass das in Kapitel VII der Charta vorgesehene Instrumentarium zu gemeinsamen Kollektivmaßnahmen nicht umgesetzt wurde. Die in Artikel 45 geforderten Sonderabkommen zur Überstellung militärischer Einheiten an die UNO kamen nicht zustande, und der mit Artikel 47 begründete Generalstabsausschuss aus Vertretern aller ständigen Ratsmitglieder traf sich nur, um sich zu vertagen. Selbst der regelmäßig als erste chartagemäße Anwendung militärischer Maßnahmen zitierte Einsatz nach dem Überfall Nordkoreas auf Südkorea 1950 lässt sich vor diesem Hintergrund eigentlich auch als Schlag gegen das in der Charta vertretene Konzept gemeinsamer kollektiver Sicherheit darstellen. Der Beschluss war nur zustande gekommen, weil Moskau die Ratssitzungen aus Protest gegen die Anwesenheit Taiwans boykottierte.
Und dennoch waren die Vereinten Nationen nicht untätig. Zu beobachten ist eine doppelte Machtverlagerung: Da der Sicherheitsrat blockiert war, nahm sich in immer mehr Fällen die Generalversammlung dringender Fragen an. Symptomatisch mag hier die Uniting-for-Peace Resolution von 1950 gelten, mit der die Generalversammlung sich angesichts eines handlungsunfähigen Rates selbst das Recht zusprach, bei Bedrohungen des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit zumindest Empfehlungen zu formulieren. Die damit begründete Kompetenz der Generalversammlung auf dem Gebiet der Friedenssicherung hatte dann in einem zweiten Schritt Konsequenzen für das Amt des Generalsekretärs, der eine quasi-exekutive Funktion bei der Umsetzung der Vorgaben der Generalversammlung erhielt. Mehr noch als Lie profitierte der zweite UN-Generalsekretär Dag Hammarskjöld von diesem Trend, den er weit zu nutzen wusste. Dass dies auch politisch riskant war, wurde in der zuvor demonstrierten Verhinderung der Wiederwahl Lies durch die Sowjetunion sehr deutlich.
Aus dieser Konstellation heraus entstand in der Suez-Krise von 1956 ein neues Instrument der kollektiven Friedenssicherung, die so genannten Blauhelmmissionen. Nach dem von Großbritannien und Frankreich unterstützen Angriff Israels gegen Ägypten (das unter Nasser den Suez-Kanal verstaatlicht hatte) war eine Involvierung der Großmächte in die explosive Situation im Nahen Osten zu befürchten. Aufbauend auf einem Vorschlag des kanadischen UN-Botschafters Lester Pearson forderte die Generalversammlung in dieser Situation die Entsendung einer internationalen Friedenstruppe, die einen gesichtswahrenden Rück-zug der schon im Anmarsch befindlichen britisch-französischen Truppen erlauben und zugleich die Situation entspannen sollte. Zur Umsetzung dieser Idee erhielt Hammarskjöld nur wenige Tage Zeit - die diplomatisch-militärische Innovation aber gelang und seither gehören die Blauhelme zum wesentlichen Inventar der UN-Friedenssicherung.
Der Kalte Krieg beherrschte jedoch weiterhin die Weltlage und verband sich mit dem in den 1960er-Jahren bestimmenden Prozess der Dekolonialisierung. Allein im Jahre 1960 traten auf einen Schlag 17 neue Staaten der Weltorganisation bei. Die Bewegung der Blockfreien trat als neues Element in der Generalversammlung hervor, und die ehemals "sichere" westliche Mehrheit schwand dahin, was sich nicht zuletzt auch an der Aufnahme der Volksrepublik China 1971 zeigte, die die USA zuvor über Jahre hinweg verhindert hatten. Doch schon zuvor bedrohten weltweite, "stellvertretende" Auseinandersetzungen der Großmächte in den nunmehr unabhängigen, ehemaligen Kolonialgebieten den Weltfrieden. Beispielhaft erscheint hier bereits der Konflikt im Kongo, bei dem die Blauhelmtruppen zwischen lokalen Rivalitäten und weltpolitischer Einflussnahme kaum etwas unternehmen konnten. Generalsekretär Hammarskjöld kam dort bei einem ungeklärten Flugzeugabsturz um.
Eine ungeahnte Zuspitzung erhielt der Kalte Krieg dann in der Kuba-Krise von 1962. Noch nie zuvor hatte sich die Welt so nahe am Rande einer nuklearen Katastrophe befunden. Alle Motive und Prinzipien, mit denen die UNO gegründet worden war, standen durch die Auseinandersetzung um die Stationierung sowjetischer Atomwaffen in Frage. Erneut war der Sicherheitsrat gelähmt - und doch stellte die Präsentation des Nachweises von Atomwaffen auf der Karibikinsel durch den amerikanischen UN-Botschafter Adlai Stevenson einen Höhepunkt der Diplomatie im Sicherheitsrat dar, indem der Rat bei hoher Medienpräsenz sozusagen vor den Augen der Welt diskutierte. Die Lösung der Krise kam dann schließlich durch eine Reihe informeller Kontakte zwischen den USA und der UdSSR zustande. Der von UN-Generalsekretär
U Thant an die Konfliktparteien versandte Appell zur friedlichen Beilegung der Krise bot jedoch abermals die Möglichkeit eines für alle Parteien gesichtswahrenden Rückzugs.
Fast völlig außen vor blieben die Vereinten Nationen im Vietnam-Krieg. Mehrere Versuche zur Thematisierung oder Vermittlung im Rahmen der UNO blieben ungehört und selbst beim Friedensschluss konnten weder U Thant noch Kurt Waldheim eine erkennbare Rolle spielen. Auch in den weiteren kriegerischen Auseinandersetzungen im Nahen Osten sowie durchgängig in der Deutschlandpolitik und bei der Berlin-Frage blieb der UNO eine friedensstiftende Wirkung versagt. In der Folge stellten das Aufkommen des Terrorismus, die weiterhin explosive Lage im Nahen Osten, die Forderung nach einer "Neuen Weltwirtschaftsordnung" seitens der Länder des Südens und eine durch politisch motivierte Zahlungsverweigerung ausgelöste Finanzkrise die UNO unter schwere Belastung. Persönliche Vermittlungsinitiativen des Generalsekretärs und Blauhelmoperationen, die eine Konfliktsituation oftmals nur "einfrieren" konnten, traten weiterhin als Lückenbüßer des ursprünglich gedachten Ansatzes kollektiver Sicherheit der Charta auf.
So, wie sich jedoch schon vor dem Kalten Krieg die Stürme der Blockkonfrontation frühzeitig in der UNO angekündigt hatten, so konnte auch der "wind of change" zum Ende des Kalten Krieges bald in der UNO verspürt werden. Im Dezember 1988 kündigte Michail Gorbatschow einen revolutionären Kurswechsel der sowjetischen Außenpolitik an, in der er den Vereinten Nationen eine große Rolle zuwies. Die sich andeutende Kooperation der Supermächte erleichterte die UNO-Diplomatie um Frieden in Afghanistan, Angola, Kambodscha oder Nigeria. Im selben Jahr wurden die in der Charta gar nicht vorgesehenen, aber unter dem Eindruck des Kalten Krieges ins Leben gerufenen Blauhelmsoldaten symbolisch mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Die Vereinten Nationen konnten den Kalten Krieg nicht verhindern, ohne sie wäre er jedoch anders verlaufen und anders ausgegangen.
Dr. Manuel Fröhlich arbeitet am Institut für
Politikwissenschaft der Friedrich-Schiller-Universität
Jena.