Was bedeutet es für den Einzelnen, wenn das einmal Erlernte nicht mehr ausreicht, um den steigenden Anforderungen an berufliches Wissen dauerhaft gerecht zu werden", hatte Bundespräsident Horst Köhler im Vorfeld des diesjährigen Geschichtswettbewerbes für alle unter 21 Jahren gefragt. Der Wettbewerb zur Arbeit in der Geschichte ist nun zu Ende und hat erstaunliche Ergebnisse gebracht. Am 19. Oktober ehrte Köhler in Hamburg die Erstpreisträger und erfolgreichsten Schulen. Seit 30 Jahren gibt es den Wettbewerb der Körber-Stiftung gemeinsam mit dem Bundespräsidenten. Er ist damit die größte koordinierte Laienforschungsbewegung in Deutschland.
Die Leitidee des Wettbewerbs "Sich regen bringt Segen" entstammt einem alten Sprichwort und bezieht sich auf die Bedeutung des Broterwerbs als Sinn von Arbeit. Neben den heutigen Vorstellungen über die Bedeutung von Erwerbsarbeit für das Leben des Einzelnen verbindet das Sprichwort auch Wohltätigkeit und Erziehung, innere Zufriedenheit - aber auch den Einklang mit Gott, "Segen" für das, was man tut. Die Initiatoren der Stiftung regten die Jugendlichen an, nicht nur nach dem Erlös, sondern auch nach dem Sinn von Arbeit zu fragen. In der Retrospektive galt es, Neues zu finden.
Und welches Thema könnte die Gemüter mehr bewegen? Arbeit und Arbeitsplatzsuche sind inzwischen integraler Bestandteil einer jeden Nachrichtensendung. Gerade für junge Menschen, die noch die Schule besuchen oder eine Ausbildung absolvieren und ihre berufliche Lebensplanung beginnen, ist der Beruf das Thema. Deshalb waren es etwa 6.000 Jugendliche zwischen acht und 21 Jahren, die sich dieses Jahr mit 1.380 Beiträgen an dem Geschichtswettbewerb beteiligten. Beschreiben, erklären, bewerten, überdenken sollten die Teilnehmer, wie sich die Umstrukturierung der Arbeits- und damit auch der Lebenswelt in ihrem Umfeld vollzog. Daraus leitete die Stiftung allgemeine Fragen ab: Wie sind die Berufe entstanden, verändert worden oder verschwunden? In ihren Projekten sollten die Teilnehmer erklären und bewerten, warum sich Arbeit veränderte und welchen Stellenwert Arbeitslosigkeit im Leben der Familien in verschiedenen Zeiten hatte. Auf dem Weg nach Lösungen "rütteln die Teilnehmer keineswegs am Fundament unseres Wirtschaftssystems, sondern suchen individuell nach Vorbildern, an denen sie sich in schwierigen Zeiten orientieren können", beschreibt Sven Tetzlaff, der Projektleiter die Arbeitsweise der Jugendlichen.
Die Gewinnerprojekte zeigen die Vielfalt des Wettbewerbs: Friederike Krause aus Münster porträtierte drei Generationen von Verkäuferinnen in dem inzwischen fast ausgestorbenen "Tante-Emma-Laden". Christina Brauner fragte: "Und wo bleiben die Arbeiter?" und wandte sich dem Strukturwandel im Ruhgebiet zu. Das inzwischen wohl fast vergessene Berufsfeld des Hasenhaarschneiders beleuchteten Julia Dörr, Alexander Voitmann und Noela Müller aus Mainz. In ihrem Heimatort ernährte eben dieser heute fast komisch anmutende Beruf in der Filzhutproduktion fast jeden zweiten Anwohner. Das historisch brisante Thema "Frauenarbeit in der NS-Volkswohlfahrt" wählte Clemens von der Heide aus Braunschweig. Er stellte seine Großmutter vor, die als Leiterin eines Kindergartens zunehmend unter den Einfluss der NS-Führung geriet. "Glasmacherkunst ade?": Corina Dosch ließ eine Glashütte im Spessart für die 82 Jahre ihres Bestehens wieder aufleben.
Diese Jugendlichen haben sich mit der Geschichte vor ihrer Haustür auseinandergesetzt - und so einen anderen Blick auf die gegenwärtige Erwerbssituation gewonnen. Die inzwischen mehr als 20.000 Beiträge machen die Sammlung der Körber-Stiftung zu einem lokalgeschichtlichen Archiv. Die nächste Ausschreibung startet am 1. September 2006.