Entgegen den Umfragen siegte sein Zwillingsbruder Lech Kaczynski in der Stichwahl zum Präsidenten am 23. Oktober mit 54,04 Prozent. In der ersten Tour erreichte sein Herausforderer Donald Tusk von der PO noch die meisten Stimmen.
Aber auch der Posten des Sejm-Marschalls, wie der Parlamentspräsident in Polen gennant wird, wurde am vergangenen Mittwoch mit einem PiS-Politiker, Marek Jurek, besetzt - entgegen einer Abmachung, wonach Bronislaw Komorowski (PO) Parlamentspräsident werden sollte. Allerdings wollte die PiS von der PO zuvor eine Koalitionszusage, die diese wiederum nicht gewähren wollte. In der Kampfabstimmung erhielt Jurek fast die doppelte Stimmanzahl des Sejms - die Bauernpartei PSL und die radikalen Parteien "Liga Polnischer Familien", die "Selbstverteidigung", die Hauspartei des radikalen Bauerns Andrzej Lepper, stimmten für den euroskeptischen Nationalkonservativen.
Der Pakt mit dem antiliberalen Andrzej Lepper ist nicht der einzige Grund für die Niederlage und die Verärgerung der PO-Politiker, jedoch ein gewichtiger. Leppers "diszipliniertes" Elektorat auf dem Land, das ihm bei der ersten Tour der Präsidentschaftswahlen 15 Prozent der Stimmen bescherte, stimmte bei der Stichwahl nach Aufforderung Leppers für Lech Kaczynski. Als Dank dafür kündigte Lech Kaczynski an, dass Lech Balcerowicz in seinem Amt als Chef der Nationalbank nicht mehr bestätigt werde. Somit kann Leppers Appell "Balcerowicz muss abtreten" in die Tat umgesetzt werden. Der Ökonomieprofessor ist durch seine harte Reformpolitik als Finanzminister Anfang der 90er-Jahre bei den weniger wohlhabenden Polen verhasst.
Auch von der Gewerkschaft Solidarnosc und den Ultrakatholiken erhielt Lech Kaczynski Unterstützung: Der xenophobe Medienpriester Tadeusz Rydzyk attakierte Donald Tusk, er würde eine "Ideologie der Reichen" verkörpern.
Die Angst vor dem "liberalen Experiment", die auch von Lech Kaczynski geschürt wurde, ist nach polnischen Analysen ausschlaggebend für den Sieg des Nationalkonservativen gewesen.
Tusk schien in den letzten Fernsehdebatten erschöpft, auch die Idee, zweimal das Wahlplakt zu ändern, diente nicht seiner Glaubwürdigkeit: In der letzten Version wurde eine blasse EU-Fahne durch eine polnische ersetzt, zudem ein polnischer Trachtenträger ins Bild eingebaut.
"Lech Kaczynski hat gewonnen, weil er redlich ist, denn dies ist das Wichtigste", erklärte ein Berater der PiS in der Wahlnacht. Tusk sei ein "gefärbter Fuchs", der seine Ansichten wechsle, das würden die Leute nicht honorieren.
Uneinig ist man sich in den polnischen Medien über die Folgen der Kampagne, die der übereifrige Medienberater Jacek Kurski Anfang Oktober losgetreten hatte. Kurski wurde zwar von den Kaczynskis entlassen, nachdem er behauptet hatte, Tusks Großvater hätte in der Wehrmacht gedient; damit sorgte Kurski im Lager der "Bürgerlichen Plattform" und vor allem bei Donald Tusk für Empörung. Recherchen des Fernsehsenders TVN belegten jedoch, dass Józef Tusk 1944 einige Monate einem Wehrmachtsregiment bei Aachen angehört hatte, bevor er zu den Westalliierten überlief. Zuvor war er in dem Hamburger Konzentrationslager Neuengamme inhaftiert. Für eine differenzierte Betrachtungsweise der schwierigen Situation der kaschubischen Volksgruppe, zu der Tusks Familie gehört, aber auch die der Schlesier, war im Wahlkampf um die Präsidentschaft wenig Raum.
Die Brüder Kaczynski hingegen können den Anspruch erheben, "richtige" Polen zu sein. Ihre Eltern hatten am Warschauer Aufstand 1944 teilgenommen, Lech Kaczynski hat als Oberbürgermeister der Stadt Warschau mit der Gründung eines Museum über den Aufstand viel Zuspruch erfahren. Seine scharfen Äußerungen gegenüber Deutschland versuchte er in der letzten Woche zu relativieren, seinen Widerstand gegen ein in Berlin geplantes Zentrum gegen Vertreibungen unterstrich er jedoch erneut.
Während Lech Kaczynski schon mehre politische Ämter - darunter das des Justizministers - bekleidete, blieb Jaroslaw, der habilitierte Jurist und Stratege, stets Oppositionspolitiker. Dennoch gilt er als der mächtigste Mann Polens. Er ist der Architekt der "vierten Republik", der Vision einer gerechteren Nation, in der kommunistische Untaten und die postkommunistischen Verstrickungen bei der Privatisierung von Staatsbetrieben aufgedeckt und bestraft werden.
Bei der Wählerschaft, die sich zum großen Teil aus der eher schwächer gebildeten Landbevölkerung zusammensetzt, stehen aber momentan andere Sorgen an. Viele Radiohörer erklärten nach der Wahl, dass sie sich von der PiS vor allem eine Überwindung der "Teilung" des Landes in einen wohlhabenderen Westen und einen ärmeren Osten wünschten; auch Polen A und Polen B genannt. Die Gewerkschaft Solidarnosc erwartet nun Taten in Form von allgemeinen Sozialpaketen, verbessertem Kündigungschutz und dem Erhalt von Staatsbetrieben.
Der mitregierenden PO - so die Koalition doch noch zustande kommt - kann als schwächerem Koalitionspartner die Rolle des Buhmanns zufallen, wenn sich die vielfältigen Versprechungen nicht einhalten lassen.
So drohen im Bankensektor bald mehrere tausend Stellenstreichungen: Die anstehende Fusion der Hypovereinsbank mit der Unicredito wird auch die beiden konkurrierenden polnischen Universalbanken BPH und Pekao SA zu einer Großbank zwangsvereinigen. Der einst angekündigte Widerstand der PiS-Politiker wurde in letzter Zeit wieder zurückgenommen. Die soziale Misere wird jedoch sicherlich der liberalen Politik der PO verantwortet werden. Auch der schwierige Bereich Gesundheitswesen soll den Liberalkonservativen überantwortet werden.
Das Innenministerium, das Justizministerium mit der Generalstaatsanwaltschaft und das Ministerium für Geheimdienstangelegenheiten sollen jedoch unter der Kontrolle von PiS stehen. Der designierte Ministerpräsident Marcinkiewicz erinnerte daran, dass die Wähler seine Partei aus einem Sicherheitsbedürfnis gewählt haben. Die Übernahme des Innenministeriums durch den künftigen Vizepremier Jan Rokita machte die PO jedoch zur Koalitionsbedingung.
Am Montag, dem 31. Oktober, muss Marcinkiewicz eine Ministerriege aufstellen und eine Regierung bilden - die PO verweigerte jedoch nach der Kampfabstimmung über den Sejm-Marschall weitere Gespräche. Nach Aussagen der PiS kommen keine Bündnisalternativen mit anderen Parteien in Frage, nur die Möglichkeit einer Minderheitsregierung. Eine Alternative wären nach polnischer Verfassung Neuwahlen am 15. Januar 2006, wie es der scheidende Staatspräsident Aleksander Kwasniewski bereits vorschlug. Kwasniewski appellierte jedoch an beide Parteien, zu einer Einigung zu kommen. "Die Hoffnung stirbt zuletzt", zitierte Kwasnieski ein russisches Sprichwort.