Wer in diesen Tagen mit der Berliner U-Bahnlinie 6 unterwegs ist, vernimmt aus dem Lautsprecher neuerdings eine Stimme, die sich anhört wie die von Angela Merkel. Natürlich ist es nicht die desig-nierte Regierungschefin in persona.
Wäre sie es tatsächlich, gäbe das zu denken: Schließlich ruft nicht nur ein 35-Milliarden-Euro-Sparpaket bei den Bürgern Unmut hervor - auch Meldungen über Verspätungen oder Schienenersatzverkehr können den Puls des Steuerzahlers beim morgendlichen Pendeln ordentlich beschleunigen.
Man stelle sich das vor: Angela Merkel und ein Nebenjob bei den Berliner Verkehrsbetrieben. Könnte das ein Zeichen an die arbeitende Bevölkerung sein, auch im Berufsleben künftig mehrgleisig zu fahren? Vor allem aber wäre es eine gute Übung im Überbringen noch viel unangenehmerer Nachrichten: Schließlich müssen die Deutschen demnächst wohl noch länger arbeiten und können erst mit 67 in Rente gehen - toll, wenn da die eigene Bundeskanzlerin mit gutem Beispiel vorangeht und ein paar Überstunden schiebt. Und was ist schon ein kleiner Pendelverkehr gegen explodierende Arbeitslosenzahlen oder finstere Konjunkturdaten?
Wenn Sie bis hierhin nur Bahnhof verstehen, könnte Sie Folgendes wieder auf die Spur bringen: Sollte die Bundesrepublik wirtschaftlich aus der Kurve geraten oder die Koalition aus Union und SPD im Reformstau stecken bleiben, müsste zumindest Angela Merkel keine Angst vor Hartz IV haben. Sie würde einfach in der U6 verkünden: "Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Zug nach Aufschwung und Wohlstand für alle ist abgefahren. Ein Konjunktur-Ersatzprogramm gibt es nicht. Beachten sie die nächsten Arbeitslosenzahlen und wenden sie sich an den nächsten Wahlkreisabgeordneten. Wir bitten um Ihr Verständnis."