Zwei Räte stellte "Future!" in ihrer ersten Amtsperiode. Bei den Kommunalwahlen im Oktober vergangenen Jahres schafften die Jugendlichen dann ein sensationelles Ergebnis: Sie gewannen fast dreimal so viele Stimmen wie bei der Wahl davor und wurden mit 16,6 Prozent drittstärkste Fraktion im Stadtrat.
So wenig auch das rheinische Städtchen Monheim mit Magdeburg, der Landeshauptstadt Sachsen-Anhalts, gemeinsam hat, so sehr scheint sich zumindest die Entstehungsgeschichte der beiden Jugendparteien zu ähneln. Begonnen hat es jeweils mit einer verrück-ten Idee. Im Sommer 1997 planten Mitarbeiter des Magdeburger Stadtmagazins "Günther" eine Titelstory: Sie wollten testen, wie die Magdeburger auf eine Jugendpartei reagieren würden. So bauten sie sich mit einem Stand auf dem alten Marktplatz auf und taten so, als seien sie die neue Jugendpartei. "Es war eigentlich ein Gag", sagt Michael Stage, heute Partei- und Fraktionsvorsitzender von "Future!", im Rück-blick. Doch die Magdeburger reagierten gar nicht so irritiert auf die neue Partei wie angenommen. Im Gegenteil: Sie wurde so interessiert aufgenommen, dass zwei der "Günther"-Mitarbeiter auf die Idee kamen, Ernst zu machen mit dem Plan einer Parteigründung. Denn dass Jugendliche in der Politik nicht genügend Gehör finden - diese Meinung teilten sie schon länger.
Im November 1997 war es schließlich soweit: Sie mieteten einen Saal im AMO, einem Kultur- und Kongresszentrum in Magdeburg. Rund 100 Menschen zwischen 14 und 45 Jahren folgten dem in den Medien verbreiteten Aufruf zur Parteigründung. Michael, damals noch ein 16-jähriger Schüler, war einer davon. Manche der Interessierten kamen damals sogar aus Bayern und sind quer durch die Republik gefahren, nur um die Partei aus der Taufe zu heben und deren programmatischen Grundlagen mitzubestimmen. Das Parteiprogramm, das man noch heute auf der "Future!"-Website findet, stammt aus dieser Zeit. Ein Kernthema: die Reform des Bildungssystems. Noch bevor die Ergebnisse der ersten PISA-Studie Deutschland schockten und zeigten, wie dringend das Bildungswesen reformiert werden muss, forderte die Magdeburger Jugendpartei schon die Gemeinschaftsschule, Schulpflicht ab fünf Jahren und eine Nachmittagsbetreuung für die Schüler.
Doch als "Future!" erstmals in den Stadtrat gewählt wurde, musste die Partei solche Ideale vorerst zur Seite schieben und sich mit der Wirklichkeit beschäftigen. Und die hieß in Magdeburg vor allem Abwanderung: Rund 70.000 Menschen hatten seit der Wende die Stadt verlassen, darunter viele junge Familien mit Kindern. Die Folgen bekamen auch die Schulen zu spüren - und Michael, der als einziges Ratsmitglied im Stadtrat saß. Er musste mitentscheiden, welche Schulen geschlossen oder zusammengelegt werden sollten. Kein leichter Einstieg in die Politik für den damals 18-Jährigen, zumal er schnell die Erfahrung machen musste, wie schwer es ist und wie lange es dauern kann, eigene Vorstellungen in der Politik durchzusetzen: "Es ist frustrierend, wenn man erlebt, wie eine gute Idee zerredet wird und am Ende nichts davon übrig bleibt", sagt er.
Auch in Monheim verlief für "Peto" der Anfang im Rat nicht gerade einfach. Die anderen Parteien beäugten misstrauisch die jungen politischen Quereinsteiger, die vermeintlich aus einer Laune heraus eine Partei gegründet und auf Anhieb so viele Stimmen errungen hatten - so etwas hatte es in Monheim noch nie gegeben. Die Parteigründung im Dezember 1998 war für die meisten ein verrückt klingende Idee gewesen: Eltern und Lehrer quittierten sie entweder mit nachsichtigem Lächeln oder ungläubigem Staunen. Doch Daniel Zimmermann, heute Fraktionsvorsitzender, und seine Freunde ließen sich nicht beirren: "Wir wollten einfach etwas Sinnvolles tun", erklärte der damals 17-Jährige nach dem ersten Wahlsieg.
Dabei war keiner der Gymnasiasten vorher politisch aktiv gewesen, Daniel hatte sogar das Fach Politik in der Schule abgewählt. Aber in Monheim gab es vieles, was aus Sicht der Jugendlichen nicht gut lief: Kaum Möglichkeiten, nachts mit dem Bus von der Disko nach Hause zu kommen, schlecht ausgebaute Radwege, zu wenig Sportplätze. Und vor allem keinen Ort, an dem sich Jugendliche treffen konnten. In ihrem ersten Antrag im Stadtrat forderte "Peto" dann auch gleich ein Jugendcafé. Obwohl der Antrag nach langen Diskussionen angenommen wurde, gibt es bis heute keine zufrieden stellende Lösung: Zwar können die Jugendlichen mittlerweile einen Raum im öffentlichen Kulturzentrum nutzen, allerdings nur einmal in der Woche. Zu wenig, findet die Partei. "Wir wollen einen Club, der täglich geöffnet ist", erklärt Daniel. Das Thema wird daher demnächst wieder auf die Agenda gesetzt. Für Politik braucht man einen langen Atem, das hat der 23-Jährige, der nebenbei in Köln Französisch und Physik studiert, schnell gemerkt.
Auch wenn sich die Monheimer Jugendpartei recht pragmatisch auf die Kommunalpolitik konzentriert und nicht wie "Future!" mit einem Sprung in die Landespolitik liebäugelt - die Mitglieder beider Parteien haben oft die Erfahrung gemacht, wie es ist, Ideen zu entwickeln, in den Ausschüssen Zuspruch zu bekommen und bei der Abstimmung im Rat dennoch zu scheitern. "Peto" wollte vergünstigte Bustickets für Monheimer Schüler, "Future!" plante, eine Mauer für einen Graffiti-Wettbewerb freizugeben. Beide Vorschläge fanden keine Mehrheit. "Schade", findet Michael, "dass es oft nur darum geht, Argumente gegen etwas zu finden, anstatt sich konstruktiv zu überlegen, wie es doch gehen kann."
So unangenehm Niederlagen sind: Die Mitglieder von "Future!" sind sich sehr wohl bewusst, dass zwei Ratsmitglieder eben keine Mehrheit sind. Daher geht es für Michael, der nach seiner Banklehre an der Magdeburger Uni den Studiengang "Cultural Engineering" belegt hat, darum, so überzeugend wie möglich für seine Ideen zu werben und Mitstreiter in anderen Fraktionen zu finden. Ab und zu klappt das, und dann sind die Ratsmitglieder Michael und Martin Altmann stolz. Wie kürzlich, als es gelang, die Mehrheit für ein vergünstigtes Schwimmbad-Familienticket zu gewinnen. Aber solche Momente sind selten.
Das gilt auch für "Peto", auch wenn die Partei mitlerweile über sieben Sitze im Rat verfügt und damit Abgeordnete in jeden Ausschuss, in die Beiräte der Verkehrs- und der Bäderbetriebe sowie ins Kuratorium der Sparkassen-Stiftung entsendet. "Jetzt bekommt endlich nicht nur der Heimatverein Geld aus der Stiftung, sondern es werden auch Pfadfinder-Jugendreisen unterstützt", sagt Daniel.
Fragt man Daniel und Michael nach der politischen Orientierung der beiden Jugendparteien, so wird man keine eindeutige Antwort bekommen. "Wir sind nicht links, wir sind nicht rechts, wir sind vorne", lautet der Slogan von "Peto". Michael von "Future!" formuliert es so: "Wir wollen uns nicht in dieses gängige Links-Rechts-Schema einordnen - wir sind einfach die Jugend." Und tatsächlich scheinen Jugendthemen eine recht heterogene Mitglieder- und Wählerschicht anzusprechen. Gemeinsam zu arbeiten, funktioniert allerdings nur, wenn die Positionen nicht zu weit auseinander liegen, diese Erfahrung hat Michael gemacht: "Am Anfang waren Vertreter aller Gruppierungen dabei, auch ganz Extreme. Die Hoffnung, dass man dennoch etwas miteinander erreichen kann, hat sich aber schnell zerschlagen", erinnert sich der 24-Jährige. "Zum Glück haben sich die Radikalen dann wieder verabschiedet."
182 Mitglieder hat die Monheimer Jugendpartei im Moment. Doch noch vor einem Jahr sorgten sich Daniel und seine Mitstreiter, wie es nach den Kommunalwahlen weitergehen sollte. Zwei Stadträte hatten angekündigt aufzuhören, weil sie sich mehr auf ihr Studium konzentrieren wollten. Die Gründungsmitglieder wurden älter und neue Mitglieder daher dringend gesucht. Jugendparteien - und auch die lokalen Gruppen der Jugendgruppen der Parteien - haben oft ein Nachwuchsproblem: Viele Mitglieder kommen schnell in ein Alter, in dem nach Schulabschluss, mit dem Studiums- oder Arbeitsbeginnt ein Ortswechsel häufig notwendig ist.
"Future!" erhofft sich einen Mobilisierungsschub vom Landtags-Wahlkampf im März 2006. Bisher gelang es ihnen, vor Wahlen neue Mitstreiter zu finden. Eine Hürde bleibt dennoch: "Viele interessieren sich für unsere Politik, scheuen sich aber davor, in eine Partei einzutreten", sagt Michael. Es klingt etwas resigniert: Nur 35 Mitglieder hat die Partei gegenwärtig, auf zehn Helfer kann sich die Jugendpartei im Wahlkampf verlassen. "Peto" hatte mehr Glück. Im letzten Jahr traten etwa 60 neue Mitglieder ein, die meisten davon Schüler. Das macht den Monheimern Mut. Sie wissen, dass nur wenn sich die Partei verjüngt, "Peto" das halten kann, wofür sie angetreten ist: Für frischen Wind im Stadtrat zu sorgen.
Die Autorin arbeitet als Journalistin in Berlin.