WOHNGELD
Experten fordern Einbeziehung von Energiekosten
Der Bundestag ist als Hort des demokratischen Widerstreits nicht unbedingt ein Ort von Wärme und Herzlichkeit. Es gibt allerdings auch Ausnahmen. Wenn die dann noch atmosphärisch passend in die besinnliche Vorweihnachtszeit fallen, ist das bundestägliche Adventsmärchen perfekt. Dabei ist der Titel des Gesetzes, das am 12. Dezember Thema einer öffentlichen Anhörung im Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung war, alles andere als märchenhaft - und mit Besinnlichkeit hat es ebenso wenig zu tun: Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Wohngeldrechts und zur Änderung anderer wohnungsrechtlicher Vorschriften ( 16/6543 ).
Dennoch war die Anhörung im besten Sinne adventlich - und das lag nicht an den Weihnachtsplätzchen, die jeder der sieben Sachverstänigen in einer hübsch dekorierten Schale auf seinem Platz fand: Die Anhörung bot Zeit zum Innehalten und zur Besinnung auf das Wesentliche.
Eigentlich hätte die Wohngeldnovelle schon im November im Bundestag verabschiedet werden sollen. Doch weil die Opposition noch Expertenmeinungen einholen wollte, war sie von der Tagesordnung genommen worden. Und darüber waren am 12. Dezember nicht nur die Abgeordneten der Opposition und die Sachverständigen froh, sondern auch die Koalitionsfraktionen.
Selten gibt es soviel gegenseitigen Dank, Lob und Anerkennung: von den Experten, weil sie - bevor das Gesetz Realität wird - noch einmal ihre berechtigten Sorgen und Bedenken vortragen konnten; von den Abgeordneten, weil sie nun die Chance haben, nicht beabsichtigte nachteilige Effekte der Novelle zu verhindern.
Welche dies sind, darin waren sich die sieben Sachverständigen von Spitzenverbänden der Wohnungswirtschaft, dem Mieterbund, des Diakonischen Werks, dem Städte- und Gemeindebund und von Landes- und Kommunalebene nahezu komplett einig: Es gibt bei allen positiven Effekten der Novelle für die Verwaltungsarbeit nämlich deutlichen Nachbesserungsbedarf.
Am wichtigsten sei, sagte Gesine Kort-Weiher vom Städte- und Gemeindebund, nicht das, was im Gesetz stehe, sondern das, was nicht darin stehe: nämlich eine Leistungsverbesserung. Der Entwurf sehe sehr begrüßenswerte Vereinfachungen vor, zum Beispiel durch die Abschaffung der bisher vier Baualtersklassen, nach denen die Zuschusshöhe berechnet wurde, jedoch keine Erhöhung der seit 2001 unveränderten Wohngeldsätze. Das führe unter anderem dazu, dass das Gesetz seinen Zweck - die "Sicherung angemessenen und familiengerechten Wohnens" (Paragraf 1 Wohngeldgesetz) - nicht mehr erfüllen könne. Zudem, so Franz-Georg Rips, Präsident des Deutschen Mieterbundes, seien die "wirkliche Belastung" der Mieter die Energiekosten. Während die Grundmieten in den vergangenen Jahren nur moderat gestiegen seien, habe es bei den Energiekosten eine "Explosion" gegeben. Seit 2002 sind diese ausweislich des aktuellen Wohngeld- und Mietenberichts um 32 Prozent gestiegen. Für einen Quadratmeter musste man damit im vergangenen Jahr in Deutschland durchschnittlich 7,32 Euro bezahlen.
Da Heizkosten bisher nicht wohngeldfähig sind, führt dieser Anstieg nach einhelliger Meinung der Experten dazu, dass die Wohngeldberechtigten immer weniger entlastet würden. In Hannover beispielsweise, so berichtete Uwe Grund, liege die Entlastungsquote mittlerweile nur noch bei 13,4 Prozent. Um den Wirkungsgrad des Wohngeldes wieder zu verbessern und die derzeit bestehende Diskrepanz zwischen Hartz-IV-Berechtigten, für die sowohl Miete wie Heizkosten komplett gezahlt werden, und Wohngeldberechtigten auszugleichen, müssen nach Meinung der Sachverständigen Heizkosten anteilsmäßig wohngeldfähig werden.
Auch bei zwei weiteren wichtigen Knackpunkten der Novelle waren sich die Vermieter- und Mietervertreter und die Träger der Leistungen einig: Nicht einverstanden sind sie mit der neuen Definition eines Haushaltsmitglieds und mit der vorgesehenen gesamtschuldnerischen Haftung aller Haushaltsmitglieder. Die geplante Beschränkung des Wohngeldanspruchs auf eine Person pro Haushalt berge große Risiken vor allem für alternative Wohnformen für Alte und Kranke zum Beispiel in Wohngruppen, warnte Marie-Luise Schiffer-Werneburg vom Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche. Bisher habe jeder Bewohner einer Wohngemeinschaft - das gelte auch für Studenten - eigenständig Wohngeld beantragen können. Diese Möglichkeit solle nun wegfallen, kritisierte sie. Die Gründung alternativer Wohnformen, die ansonsten sozial- und gesundheitspolitisch gefordert und gefördert werde, dürfe nicht durch ein neues Wohngeldrecht gefährdet werden.
Eng mit dem Haushaltsbegriff zusammen hängt die vorgesehene gesamtschuldnerische Haftung: Nach den bisherigen Plänen soll künftig jedes Mitglied eines Haushalts - ohne Rücksicht auf verwandtschaftliche oder partnerschaftliche Beziehungen - für zu viel, zu lange oder zu unrecht gezahltes Wohngeld zur Rechenschaft gezogen werden können. Gesine Kort-Weiher sieht in der gesamtschuldnerischen Haftung die Gefahr "problematischer Auswüchse", Uwe Grund erkennt in ihr "mehr Risiken als Vorteile".
Und weil keiner unzufrieden zurück bleiben will - erst recht nicht nach einer so besinnlichen Sitzung und erst recht nicht in der letzten Sitzungswoche vor Weihnachten - sahen sich am Ende alle politischen Akteure in ihrer Sicht bestätigt: Die Unionsfraktion und die SPD hatten bei den Experten vorwiegend Lob für die gelungene Entbürokratisierungsnovelle gehört - das gab es tatsächlich von allen Experten-, die Opposition hatte natürlich "klare Kritik" an der "völlig am Leben vorbeigehenden Novelle" vernommen - die es tatsächlich auch gab, wenn auch nicht so grundsätzlich wie die Opposition es suggerieren wollte.
Wenn sich am Ende allerdings auch die Sachverständigen wie Uwe Grund mit den Worten verabschieden, "dass die Einigkeit der Experten zu solcher Nachdenklichkeit führt, das finde ich sehr gut" dann war die Anhörung im besten Sinne des Wortes besinnlich. Ob der adventliche Geist nun tatsächlich auch Eingang ins Gesetz findet, wird sich allerdings erst im kommenden Jahr zeigen.