Georg Baselitz
In der Südeingangshalle greift Georg Baselitz in zwei
großformatigen Leinwandgemälden, die den Eingangsbereich
zu beiden Seiten flankieren, Motive des Malers der Romantik Caspar
David Friedrich auf. Auch in diesen Bildern hat er, wie er es seit
Ende der 1960er-Jahre zu tun pflegt, seine - in diesem Fall Caspar
David Friedrichs - Motive auf den Kopf gestellt, um die formale
Gestaltung der Komposition in den Vordergrund zu rücken. Als
Vorlage haben ihm Holzschnitte nach Caspar David Friedrichs Bildern
"Melancholie", "Die Frau am Abgrund" und "Der schlafende Knabe am
Grabe" gedient, die er in einer leichten und transparenten Malweise
seiner künstlerischen Ausdrucksweise anverwandelt hat.
Große Teile der Leinwand sind frei geblieben, und die Farben
wirken teilweise wie lasierend aufgebracht. So erscheinen die
Gemälde von aquarellhafter Leichtigkeit und behaupten sich
sowohl durch diese Transparenz als auch durch die expressiv-
nervöse Pinselführung gegen die festgefügten,
massiven Steinquader der Architektur. Baselitz schlägt mit den
motivischen Anklängen an Caspar David Friedrich im Medium der
traditionellen Leinwandmalerei eine Brücke von der Gegenwart
zu der für die Selbstfindung der Deutschen so bedeutenden
Epoche der Romantik. Sowohl die Motive als auch die Malweise legen
nahe, dass der Künstler auf die Gefährdungen und die
Abgründigkeit jener Geistesepoche anspielt.
Werdegang des Künstlers
Der als Hans-Georg Kern in Deutschbaselitz (Sachsen) geborene
Georg Baselitz studierte Malerei an der Hochschule für
bildende und angewandte Kunst in Ost-Berlin. Er war befreundet mit
Ralf Winkler (A. R.Penck) und wurde bereits nach zwei Semestern
wegen "gesellschaftspolitischer Unreife" ausgeschlossen. Er setzte
daraufhin ab dem Jahr 1957 das Studium in West-Berlin fort. Gegen
das in Westdeutschland vorherrschende Informel und den vielfach nur
noch dekorativ sich wiederholenden abstrakten Expressionismus
wandte er sich 1961 mit dem 1. Pandämonium- Manifest. Er
bekannte sich zu einem pathetischen, expressiv-figürlichen
Malstil, der mit seinem dunklen Unterton des Künstlers
existentielles "Geworfensein " zwischen Ost und West zum Ausdruck
brachte. Baselitz und seine Malerfreunde des "pathetischen
Realismus " sprengten die malerischen Konventionen sowohl durch
provokative Sujets als auch dadurch, dass Baselitz das Motiv auf
den Kopf stellte und so die Malerei an sich, die expressive
Malgebärde, in den Vordergrund stellte. Die
gegenständlichen Motive werden zum bloßen Anstoß
für einen freien, sich immer weiter verselbstständigenden
expressiven Farbauftrag. Seit 1984 greift Baselitz verstärkt
als Bildfindungen Motive aus der Anfangszeit des Christentums auf,
als über die religiöse Funktion des Bildes intensiv
reflektiert wurde, und setzt sich nunmehr unter diesem neuen
ikonographischen Aspekt mit der Frage nach Inhalt und Botschaft
eines Bildes auseinander. In den Arbeiten der 1990er-Jahre wird die
Auseinandersetzung mit dem eigenen Werdegang bedeutsam. Das
Interesse für die Malerei "an sich" bleibt aber das
entscheidende Charakteristikum des Schaffens von
Baselitz.
Georg Baselitz
geboren 1938 in Deutschbaselitz, lebt und arbeitet in Süddeutschland.
Text: Andreas Kaernbach
Kurator der Kunstsammlung des Deutschen Bundestages