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„Parlamentarier schützen Parlamentarier” heißt eine Initiative des Bundestages. Sie hilft ausländischen Politikern, die in ihren Ländern bedroht oder verfolgt werden, weil sie für Menschenrechte kämpfen. Dabei können die Abgeordneten Freiheiten nutzen, die Regierungsvertretern nicht immer möglich sind.
Hier waren sich die Abgeordneten aller
Fraktionen einig: Ihrer türkischen Amtskollegin Leyla Zana,
die in der Türkei wegen ihres gewaltfreien Einsatzes für
das Anliegen der Kurden zu 17 Jahren Haft verurteilt wurde, musste
geholfen werden. Der Europäische Gerichtshof hatte den Prozess
gegen sie und drei weitere Abgeordnete bereits als unfair
kritisiert. Nun forderten die Bundestagsabgeordneten in einer
gemeinsamen Petition an die Türkei die Freilassung der
Parlamentarier. Über die Hälfte der Abgeordneten und
mehrere Bundesminister haben die Petition anlässlich des
Internationalen Tages der Menschenrechte am 10. Dezember 2003
unterschrieben.
Die Petition war zugleich der Auftakt für die Initiative
„Parlamentarier schützen Parlamentarier”. Sie
wurde vom Bundestagsausschuss für Menschenrechte und
humanitäre Hilfe ins Leben gerufen, um bedrohten oder
verfolgten Parlamentariern zu helfen und den Einsatz für
Menschenrechtsverteidiger auszuweiten. Mit dem
fraktionsübergreifenden Antrag „Schutz von bedrohten
Menschenrechtsverteidigern” haben sich alle Abgeordneten des
Bundestages verpflichtet, die Initiative zu unterstützen und
bedrohten Kolleginnen und Kollegen beizustehen.
Leyla Zana ist eine von vielen Menschenrechtsverteidigern, die
überall auf der Welt bedroht oder verfolgt werden, weil sie
für Grundrechte einstehen. Meist sind die Opfer Mitglieder von
Nichtregierungsorganisationen, die die Täter staatlicher
Willkür zur Verantwortung ziehen wollen, Juristen, die in
ihren Ländern gegen die Straflosigkeit von
Menschenrechtsverletzungen kämpfen, oder Journalisten, die
Verbrechen anprangern. Es sind Politiker, Gewerkschafter,
Frauenrechtlerinnen, Wissenschaftler oder Kirchenvertreter, deren
Vergehen häufig nur darin liegt, ihre Meinung frei zu
äußern. Aber auch Ärzte, die Folteropfer betreuen,
Lehrer und Beamte, die sich für bedrohte
Bevölkerungsgruppen oder rechtsstaatliche Verhältnisse
einsetzen, werden an ihrer Arbeit gehindert, bedroht und verhaftet,
gefoltert oder umgebracht.
Dichtes Informationsnetz
Der Menschenrechtsausschuss macht mit seiner
Initiative „Parlamentarier schützen
Parlamentarier” deutlich, dass der Schutz von
Menschenrechtsverteidigern nicht allein die Aufgabe der
Ausschussmitglieder bleiben darf. Die 16 Abgeordneten haben bereits
alle Hände voll zu tun, fahren in Krisengebiete und sprechen
mit Menschenrechtsverteidigern, Politikern und Betroffenen. Die
Initiative holt nun auch alle anderen Kollegen mit ins Boot. Die
Idee ist einfach: Nicht nur die Ausschussmitglieder, jeder
Abgeordnete kann helfen. Schließlich hat jeder Fachpolitiker
viele internationale Kontakte, die er nutzen kann, um seine
ausländischen Kollegen zu unterstützen.
Als Parlamentarier ohne Grenzen haben die Abgeordneten noch einen
Vorteil. „Jeder weiß, dass Abgeordnete im informellen
Rahmen oft freier sprechen können als
Regierungsvertreter”, sagt Herta Däubler-Gmelin, die
Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses. „Das verpflichtet,
diese Möglichkeiten auch zu nutzen. Abgeordnete können
mit der Zivilgesellschaft und mit den Medien freier
zusammenarbeiten. Darin liegt eine Chance.”
Im Zuge der Initiative informiert der Menschenrechtsausschuss
dieAbgeordneten, ob in einem Land, das sie besuchen wollen,
Politikerinnen oder Politiker verfolgt oder bedroht werden. So kann
jeder Abgeordnete öffentlich für Kollegen eintreten, die
die Menschenrechte unter großen Gefahren verteidigen.
„Es wäre großartig”, sagt
Däubler-Gmelin, „wenn möglichst viele immer dann,
wenn ein Grund dafür gegeben ist — und dafür gibt
es viele Anlässe, durch Gespräche in Deutschland oder auf
Reisen, durch Briefe an Botschafter, Minister und Regierungschefs
helfen könnten, gefährdete Parlamentarier und andere
Menschenrechtsverteidiger zu schützen und zu
unterstützen.” Auf die Erfahrungen der Abgeordneten ist
der Ausschuss wiederum angewiesen, um weiterhin erfolgreich zu
arbeiten. So entsteht ein dichtes Informationsnetz.
Der Bundestag ist eine treibende Kraft der Menschenrechtspolitik in
Deutschland. 1991 erteilte das Parlament der Regierung den Auftrag,
regelmäßig über die Menschenrechtspolitik zu
berichten. Derzeit liegt der 7. Menschenrechtsbericht der
Bundesregierung über die Aktivitäten von 2002 bis 2005
vor. Auch das Deutsche Institut für Menschenrechte geht unter
anderem auf einen Beschluss des Bundestages im Dezember 2000
zurück. Seit 2001 trägt es durch Forschungsprojekte,
öffentliche Seminare, Bildungsprogramme und Angebote der
Politikberatung zur Aufklärung über Menschenrechte
bei.
Die deutsche Menschenrechtspolitik fußt zusätzlich auf
internationalen Übereinkommen. Sie verpflichten die
Bundesregierung einerseits, die Menschenrechte in Deutschland zu
wahren, legitimiert sie aber auch, in anderen Staaten die
Einhaltung und den Schutz der Menschenrechte anzumahnen die
Menschenrechtslage zu verbessern.
International setzen sich neben Nichtregierungsorganisationen, den
Vereinten Nationen oder der Europäischen Union vor allem auch
internationale parlamentarische Organisationen für den Schutz
der Menschenrechte ein. Eine wichtige Rolle spielt dabei die
Interparlamentarische Union (IPU), ein Zusammenschluss von
Parlamenten aus 147 Staaten — die älteste und einzige
weltweite Vereinigung von Parlamentariern.
Stimme der Unterstützung
Die IPU hat einen Ausschuss eingerichtet,
der sich mit den Menschenrechten von Parlamentariern befasst. Der
Ausschuss sammelt Beschwerden über Arbeitsbehinderungen,
willkürliche Verhaftungen oder unfaire Gerichtsverfahren und
leitet den Parlamenten zweimal im Jahr Namenslisten mit betroffenen
Parlamentariern zu. Diese verpflichten die Parlamente, die
bedrohten Kollegen zu schützen oder ihren Tod aufzuklären
und dafür zu sorgen, dass die Täter gefasst und bestraft
werden. Die Bundestagsinitiative „Parlamentarier
schützen Parlamentarier” setzt diese Verpflichtung um.
Es ist jetzt beispielsweise auch möglich,
Menschenrechtsverteidiger vorübergehend in Deutschland
aufzunehmen — eine Hilfe für politisch Verfolgte
unterhalb der Schwelle des politischen Asyls.
Auch andere Parlamente, etwa in Frankreich, Spanien oder Belgien,
engagieren sich für ihre Kollegen. Ein wichtiger
parlamentarischer Akteur ist außerdem die Parlamentarische
Versammlung des Europarats, die ebenfalls einen Ausschuss für
Rechts- und Menschenrechtsfragen eingerichtet hat. „Durch die
Vernetzung von Informationen und Aktionen kann besser geholfen
werden”, sagt Däubler-Gmelin. Wenn der Bundestag mit
anderen Institutionen vorgeht, „dann wird der Schutz
effizienter, die Stimme der Unterstützung für die
Menschenrechtsverteidiger lauter”.
Kurz: Parlamentarier helfen Parlamentariern über die Grenzen
hinweg — und das mit Erfolg. Dass Leyla Zana im Juni 2004
nach zehnjähriger Haft freikam, verdankt sie zwar auch dem
Druck der Europäischen Union im Zuge der
Beitrittsverhandlungen mit der Türkei. Erfolgreich für
sie gekämpft haben aber auch Menschenrechtsgruppen wie Amnesty
International und nicht zuletzt die Abgeordneten aller Fraktionen
mit ihrer Aktion „Parlamentarier schützen
Parlamentarier”.
Text: Georgia Rauer
Erschienen am 18. Juni 2007
Menschenrechtspolitik im Internet