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Europa:
Europa ist überall ? Europäische Gesetze regeln den
Alltag, Euro-Münzen klimpern im Portemonnai. Aber was bedeutet
es eigentlich, zu Europa zu gehören? Hat Europa eigentlich
Grenzen und wie sieht die Zukunft der Europäischen Union aus?
GLASKLAR hat sich in Europa umgesehen. In der aktuellen Ausgabe
lest ihr unter anderem, was EU-Richtlinien mit Glück in der
Liebe zu tun haben, wie junge Leute heute grenzenlos arbeiten,
lernen oder ihrem eigenen Film drehen und was Menschen von anderen
Kontinenten so alles über Europa denken.
www.glasklar-bundestag.de
Politik aktiv gestalten:
Mitmischen.de ist das Jugendforum des Deutschen Bundestages im
Internet. Die Plattform bietet Chats mit Abgeordneten des
Bundestages, Diskussionsforen, Abstimmungen, Nachrichten und
Hintergrundberichte zu aktuellen politischen Themen.
www.mitmischen.de
Wer an Politik denkt, hat bestimmte Bilder
vor Augen. Machen wir doch mal ein kleines Experiment:
Schließen wir die Augen und probieren es selbst aus. Was
sehen wir, wenn wir an Politik denken? Die Kanzlerin? Den
Parteichef? Einen Ministerpräsidenten? Eine Demonstration?
Wetten, dass bei den meisten nach ein paar Sekunden auch der
Bundestag vor dem inneren Auge auftaucht? Mit Abgeordneten, die
reden, zuhören, abstimmen? Das ist gut so. Denn die
Abgeordneten bilden tatsächlich das Zentrum der Politik. Wie
das funktioniert, was Abgeordnete zu tun haben, was sie dafür
bekommen und wie man überhaupt Abgeordneter wird — das
wollen wir hier näher beleuchten.
Eigentlich ist das ein ziemlich unattraktives Wort für einen
Menschen, der Entscheidungen treffen und beeinflussen, die
Mächtigen kontrollieren oder selbst mitregieren möchte.
„Abgeordneter”. Das klingt nach Abordnung, nach
Entsendung. Man denkt vielleicht unwillkürlich an
Historienfilme, wo ein Fürst eine Abordnung schickt, die in
seinem Auftrag Verhandlungen führen soll. Jedenfalls ist der
entscheidende Wille woanders. Ein solcherart Ab-Geordneter ist
damit beauftragt, bestimmte Fragen zu klären oder Aufgaben zu
erfüllen. Vielleicht kann er auch verbindliche Verpflichtungen
für seinen Fürsten eingehen, soweit der ihm
Handlungsvollmachten, also ein entsprechendes Mandat, erteilt
hat.
Und damit sehen wir: Volltreffer! Ein Abgeordneter hat
tatsächlich nur Stellvertreterfunktionen. Die Bürger
haben ihm einen Auftrag gegeben, ein Mandat. Er ist, wie das
Grundgesetz festlegt, „Vertreter des ganzen Volkes”
(Artikel 38 GG). Denn in der Demokratie ist — um in unserem
Bild zu bleiben — das Volk der Fürst. Oder wie die
Verfassung sagt: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus”
(Artikel 20 GG). Das ist das Wesen der Demokratie, was ja
wörtlich „Volksherrschaft” heißt: Dass die
Entscheidungen grundsätzlich von den Bürgern getroffen
werden.
Nur — praktisch könnte das nicht funktionieren. Wir
wären wohl ziemlich schnell genervt, wenn wir nicht einmal im
Monat, nicht einmal in der Woche, sondern jeden Tag zur Abstimmung
gehen müssten. Wenn wir zudem, um uns kundig zu machen, etwa
über eine Gesundheitsreform, mal eben über Nacht 500 eng
bedruckte Seiten lesen müssten, dazu noch tausende Seiten mit
Stellungnahmen, mit Entwürfen und Gegenentwürfen. Und wir
wären wohl frustriert, weil wir mit „Ja„ oder
”Nein” abstimmen müssten und nicht darüber
verhandeln könnten, ob es nicht besser auf Seite 184 im
dritten Absatz „muss” statt „kann”
heißen sollte.
In der Familie können alle gemeinsam über alles
entscheiden, vielleicht noch in der Nachbarschaft. Aber
spätestens in der Gemeinde bedarf es bereits
Repräsentanten, die den Willen der Bürgerschaft umsetzen.
Und ein moderner Staat mit Millionen von Menschen braucht
politische Profis, die den Willen der Bürger aufgreifen und
die vielen Details klären, die in einem großen
Gemeinwesen geregelt werden müssen.
Aber ihre Bezeichnung erinnert sie jederzeit daran, wem sie
verantwortlich sind: Sie sind „Abgeordnete”, abgeordnet
vom Volk, das sie vertreten. Die Repräsentation auf Zeit
— begründet durch die Wahl — ist immer ein
dynamischer Prozess. Nur durch den ständigen Austausch
zwischen Abgeordneten und Bürgern kann sie funktionieren. Die
ständige Kommunikation ist Basis der Abgeordnetenarbeit
— wie die Kapitel dieses Sonderthemas zeigen sollen: Bei der
Wahl (S. 24), in den Sitzungswochen (S. 26), bei den Finanzen (S.
32) und natürlich vor Ort im Wahlkreis (S. 34).
Wie sollen sich die Bürger ein Bild davon machen, von wem sie
sich vertreten lassen wollen? Keine Zeitung wird von jedem
Kandidaten dessen Meinung zu allen anstehenden Entscheidungen
abdrucken. Wäre es nicht ein ungeheurer Vorteil, wenn man die
wichtigsten Grundeinstellungen der Kandidaten anhand von
Kürzeln erkennen könnte? Man kann. Die Kürzel
heißen CDU, CSU, SPD, FDP, Die Linke., Bündnis 90/Die
Grünen und so weiter — die Parteien. Es ist nicht
vorgeschrieben, dass ein Kandidat für eine Partei auftreten
muss. Aber es erleichtert die Einordnung.
Die Einordnung nach Parteien macht
erkennbarer, was denn eigentlich „Wille” des Volkes
ist. Denn natürlich können zwei Menschen zwei
verschiedene Auffassungen davon haben, wie eine Sache geregelt
werden sollte. Und wir reden in Deutschland von rund 60 Millionen
Wählern! Wirklichkeitsfremd wäre es zudem, dass jeder
einzelne auch sofort eine konkrete Vorstellung davon hätte,
wie ein neues Problem gelöst werden müsste. Um seinen
Willen zu entwickeln, ist es für ihn sicherlich hilfreich,
wenn er Vorschläge für Handlungsmöglichkeiten
angeboten bekommt, die er zur Orientierung nutzen kann. Auch hier
gibt das Grundgesetz Auskunft: „Die Parteien wirken bei der
politischen Willensbildung des Volkes mit” (Artikel 21
GG).
Dass die Parteien an der Willensbildung „mitwirken”,
heißt aber nicht, dass sie diese Willensbildung auch
stellvertretend für das Volk „übernehmen”.
Der einzelne Abgeordnete ist von Parteien ausgewählt und in
seinem Wahlkampf unterstützt worden. Aber er wird nicht von
den Parteien ins Parlament entsandt. Darüber entscheiden die
Wähler. Repräsentative Demokratie bedeutet nicht, dass
das Volk seinen Willen gewissermaßen bei den Parteien abgibt.
Damit das jederzeit klar ist, legt das Grundgesetz fest, dass die
Abgeordneten „an Aufträge und Weisungen nicht gebunden
und nur ihrem Gewissen unterworfen” sind (Artikel 38
GG).
Rechte der Abgeordneten
In dem Augenblick, in dem durch allgemeine,
unmittelbare, freie, gleiche und geheime Wahlen ein Bürger zum
Abgeordneten wird, gewinnt er eine ganze Reihe von Rechten, die er
benötigt, um wirklich frei den Willen seiner Wähler
umzusetzen. Weil es zu früheren Zeiten nicht selten Versuche
gab, unliebsame Abgeordnete mittels konstruierter Vorwürfe
einzusperren, genießt jeder Abgeordnete nach dem Grundgesetz
(Artikel 46 GG) sogenannte Immunität und Indemnität. Die
eine schützt ihn vor strafrechtlicher Verfolgung, die andere
davor, wegen seiner Äußerungen im Parlament gerichtlich
oder dienstlich belangt zu werden.
Natürlich steht ein Abgeordneter deswegen nicht über dem
Gesetz. Wenn er eine Straftat begangen hat, muss er dafür
bestraft werden, wie jeder andere auch. Aber das Parlament
prüft vorher in jedem Einzelfall, ob wirklich ein
Anfangsverdacht vorliegt, der ein Ermittlungsverfahren
rechtfertigt, oder ob da jemand etwas konstruiert hat, um einem
Abgeordneten politisch zu schaden. Ist der Anfangsverdacht
begründet, steht einer Strafverfolgung nichts im Wege.
Weitere wichtige Rechte, die jedem Abgeordneten zustehen, damit er
seinen Auftrag erfüllen kann, haben direkt mit der Arbeit des
Bundestages zu tun. Natürlich muss jeder Abgeordnete an allen
Abstimmungen teilnehmen können und damit er an der
Willensbildung des Parlaments mitwirken kann, muss er sowohl ein
Rederecht im Plenum bei den einleitenden und abschließenden
Beratungen haben wie auch ein Mitwirkungsrecht in den
Ausschüssen, in denen die Fachpolitiker die Details beraten.
Er hat ein Recht auf Büroräume in Berlin und auf
Unterstützung durch Mitarbeiter in Berlin wie in seinem
Wahlkreis, um sich auf seine Arbeit vorbereiten und den Kontakt mit
den Bürgern halten zu können. Darüber hinaus muss er
die Regierung zu allen möglichen Angelegenheiten befragen und
Antworten erwarten können. Und nicht zuletzt muss er
angemessen bezahlt werden, um unabhängig seinem Fulltimejob
nachgehen zu können.
Wie aber soll nun der einzelne Abgeordnete die Übersicht
behalten über die vielen, vielen Themen, Aspekte und Bereiche?
Wie soll er die anderen Abgeordneten davon überzeugen, was er
auf einem Gebiet für den besten Weg hält? Und wie sollen
die Wähler verfolgen können, ob die Abgeordneten einer
bestimmten Partei auch tatsächlich so verfahren, wie sie es
angekündigt haben? Die Antwort heißt: Fraktionen. Bevor
sich das Parteienspektrum in Deutschland herausbildete, haben sich
schon die Abgeordneten im Frankfurter Paulskirchenparlament 1848 zu
Gruppen innerhalb des Parlaments zusammengefunden, um ihre Arbeit
besser zu organisieren und ihre Interessen zu bündeln.
Fraktionen sind keine verlängerten Arme der jeweiligen
Parteien, auch wenn sie meist genauso heißen wie diese. Und
sie können den Abgeordneten, die sich ihnen angeschlossen
haben, nicht vorschreiben, wie sie abzustimmen haben. Aber sie sind
unerlässlich, damit das parlamentarische Getriebe
funktioniert. Einer von rund 600 Abgeordneten ist relativ
einflussarm. Aber wenn er seine Fraktion mit 50, 60 oder gar
mehreren hundert Abgeordneten von seiner Auffassung überzeugen
kann, dann sieht die Sache schon anders aus.
Arbeit in den Fraktionen
Anders als mit Arbeitsteilung in den
Fraktionen ist die parlamentarische Arbeit kaum zu organisieren
— schließlich tagen sämtliche der derzeit 22
Fachausschüsse am selben Tag, viele zur selben Zeit. Da kann
nicht jeder überall sein, sondern muss als Experte
stellvertretend für seine Fraktion sein Fachgebiet im Blick
behalten. Genauso ist es sinnvoll, wenn nicht zu einem Thema alle
rund 600 Abgeordneten sprechen, sondern die Fraktionen jeweils ihre
Fachleute dafür auswählen. Anders wäre das Parlament
schnell bei einer Selbstblockade angekommen.
Selbstverständlich sind nicht immer alle Mitglieder einer
Fraktion einer Meinung. Deshalb gibt es innerhalb der Fraktionen
faire Strukturen und Prozesse der Meinungsbildung. Der einzelne
Abgeordnete wirkt innerhalb seiner Fraktion in verschiedenen
Gremien mit, um sich mit Kollegen mit ähnlichen Interessen
abzustimmen. Da gibt es Facharbeitsgruppen, regionale
Landesgruppen, Strömungsgruppen, soziologische Gruppen. Und
wenn die dann alle miteinander um die beste Haltung der Fraktion
als Ganzes gerungen haben und die Fraktion intern darüber
abgestimmt hat, dann erwarten alle, dass sich alle auch daran
halten, wenn es im Bundestag zur Entscheidung kommt. Zumindest darf
die Fraktionsführung verlangen, dass ein Abgeordneter, der von
dem Beschluss abweichen will, das rechtzeitig signalisiert —
damit die Kollegen in der Fraktion nicht überrascht sind,
sondern sich darauf einstellen können. Bei näherem
Hinsehen sieht der berühmte „Fraktionszwang” also
ein wenig anders aus als oft beschrieben.
Der Abgeordnete steht somit ständig vor wichtigen Fragen: Wie
setzt er den grundsätzlichen Willen seiner Wähler in
praktische Politik um? Wie behält er den besten Kontakt zu
seinen Wählern und erfährt, wie er am besten deren
Einschätzung zu aktuellen Themen in Berlin repräsentieren
kann? Wie findet er immer wieder auch eigene, neue Lösungen
von Problemen in einer sich ständig verändernden Welt?
Und wie behält er die innerliche Unabhängigkeit
gegenüber dem, was von außerhalb und innerhalb des
Parlaments an Einflussversuchen auf ihn einwirkt? Nur vier von
vielen Spannungsfeldern, die die Arbeit der Abgeordneten
buchstäblich spannend machen.
Text: Gregor Mayntz
Erschienen am 18. Juni 2007
Mandat
Im Grunde heißt „Mandat” so viel wie
„Auftrag”. Die Abgeordneten sind Mandatsträger,
denn sie handeln im Auftrag der Wähler. Sie sind Beauftragte
des Volkes. Das freie Mandat in den modernen demokratischen
Verfassungen bedeutet, dass die Abgeordneten nur ihrem Gewissen
unterworfen sind und keinen speziellen Weisungen zu folgen haben.
Die Abgeordneten erhalten für ihre Arbeit im Bundestag ein
Mandat auf Zeit. Es erlischt, wenn sich nach der nächsten Wahl
ein neuer Bundestag konstituiert — es sei denn, das Mandat
wurde durch Wiederwahl erneuert.
Immunität
Ein Abgeordneter darf nur mit Genehmigung des Bundestages wegen
einer mit Strafe bedrohten Handlung zur Verantwortung gezogen und
verhaftet werden, es sei denn, dass er bei der Tat oder im Laufe
des folgenden Tages festgenommen wird. Auch jede andere
Beschränkung der persönlichen Freiheit eines Abgeordneten
oder die Einleitung eines Verfahrens gegen ihn bedarf der
Genehmigung des Bundestages. Strafverfahren sind auf Verlangen des
Bundestages auszusetzen. Abgeordnete können nur mit
Genehmigung des Bundestages strafrechtlich verfolgt werden. Die
Strafverfolgungsbehörde muss über ein
Ermittlungsverfahren gegen einen Abgeordneten den
Bundestagspräsidenten informieren. Dieser leitet die
Mitteilung an den Ausschuss für Wahlprüfung,
Immunität und Geschäftsordnung weiter, der dem Plenum vor
Anklagerhebungen oder Durchsuchungen einen Beschlussvorschlag
unterbreitet.
Indemnität
Ein Abgeordneter darf zu keiner Zeit wegen seines
Abstimmungsverhaltens oder wegen einer Äußerung, die er
im Bundestag oder in einem seiner Ausschüsse gemacht hat,
gerichtlich oder dienstlich verfolgt oder in anderer Weise
außerhalb des Bundestages zur Verantwortung gezogen werden.
Dieser Schutz gilt auch für Äußerungen in den
Fraktionen oder in der Gruppe. Er gilt nicht für
verleumderische Beleidigungen sowie für Äußerungen
außerhalb des parlamentarischen Bereichs.
Fraktion
Mindestens fünf Prozent der Mitglieder des Bundestages, die
derselben Partei oder solchen Parteien angehören, die aufgrund
gleichgerichteter politischer Ziele in keinem Bundesland
miteinander im Wettbewerb stehen, können eine Fraktion bilden.
Schließen sich Mitglieder des Bundestages abweichend von
dieser Regelung zusammen, so werden sie nur als Fraktion anerkannt,
wenn der Bundestag zugestimmt hat.
Fraktionslos
Einzelne Abgeordnete, die keiner Fraktion oder Gruppe
angehören, sind fraktionslos. Ihre Rechte sind gegenüber
denen der Fraktionen begrenzt, auch das Rederecht im Plenum ist
eingeschränkt. Sie können aber
Geschäftsordnungsanträge stellen und Fragen zur
schriftlichen oder mündlichen Beantwortung an die
Bundesregierung richten. In den Ausschüssen können
fraktionslose Abgeordnete als beratende Mitglieder mit Rede und
Antragsrecht tätig werden, sich aber nicht an Abstimmungen
beteiligen.
Geschäftsordnung
Die Geschäftsordnung des Bundestages regelt Funktionen, Rechte
und Pflichten der Abgeordneten, der Ausschüsse, der
Fraktionen, aber auch des Bundestagspräsidenten und des
Ältestenrates. Es gibt Bestimmungen über die
Einberufungen und Abläufe von Sitzungen sowie den Gang der
Beratungen, insbesondere von Gesetzentwürfen im Plenum und in
den Ausschüssen. Die Geschäftsordnung dient auch dem
Ausgleich der Interessen zwischen den Fraktionen. Jeder neu
gewählte Bundestag gibt sich eine Geschäftsordnung, so
legt es Artikel 40 des Grundgesetzes fest. In der Regel
übernimmt ein neuer Bundestag die Geschäftsordnung seines
Vorgängers und verändert sie, wenn nötig, im Laufe
der Wahlperiode.