Besagter Reim verdichtet ein Vorurteil: Vater werden ist nicht schwer, es passiert mehr oder weniger plötzlich und wie von allein. Dass dem keineswegs so ist, soll in dem nachfolgenden Artikel skizziert werden. Die Ausführungen hierzu beziehen sich auf die Untersuchung "Männer im Übergang zur Vaterschaft. Das Entstehen der Beziehung zum Kind".
Wer sich mit Fragen, was eigentlich ein Vater ist, was einen Mann zum Vater macht, und was ihn schließlich als Vater auszeichnet, auseinandersetzt, der wird feststellen, einfache oder gar eindeutige Antworten sind hier nicht zu haben. Historische und Kultur vergleichende Untersuchungen zeigen, dass biologische und soziale Vaterschaft in keinem unmittelbaren, zwingenden Verhältnis zueinander stehen. Sie offenbaren ferner die erstaunliche kulturelle Plastizität der Vaterrolle. Weder die Zeugung noch die Geburt und damit die definitive Anwesenheit eines Kindes machen einen Mann auf der psychischen Ebene unweigerlich zum Vater. Das wird man nicht über Nacht, vielmehr handelt es sich beim Vaterwerden um einen komplexen, konfliktträchtigen und störungsanfälligen Aneignungs- und Identitätsbildungsprozess.
Der Übergang zur Vaterschaft ist eine psychosoziale Umbruchphase, in der tief greifende Veränderungen eingeleitet werden, die sich auf den sozialen, interpersonellen und intrapsychischen Raum beziehen. "Das ganze Leben musst du umkrempeln", so bringt es ein werdender Vater für sich auf den Punkt. Zu erwarten sind gravierende Veränderungen, die den gewohnten Tagesablauf und die bestehende Lebenspraxis betreffen. Hinzu kommen Veränderungen im sozialen Umfeld, im familialen Bezugssystem, innerhalb der Partnerschaft sowie Veränderungen, die sich auf die eigene Person beziehen. So gilt es, ein Selbstverständnis als Vater zu entwickeln, das in das bestehende Selbstkonzept integriert werden kann (Neudefinition der persönlichen und sozialen Identität). Erschwerend ist der Umstand, dass sich nicht auf eine klare Definition der Vaterrolle bezogen werden und allzu oft eben auch nicht auf ein positiv internalisiertes Vaterbild zurückgegriffen werden kann.
Der Prozess der psychischen und sozialen Umorganisation wird bereits in der Schwangerschaft eingeleitet und korrespondiert auch bei Männern, die sich ein/das Kind wünschen, mit höchst ambivalenten Gefühlen. Besagte Ambivalenz kann sich mitnichten selbstverständlich ein- und zugestanden werden. Zu registrieren, dass nicht nur Vorfreude, sondern auch Ängste, Zweifel oder gar Gefühle der Ablehnung in ihnen Raum einnehmen, scheint werdende Väter ebenso zu verunsichern und Rechtfertigungen nötig zu machen oder auch Schuldgefühle zu evozieren wie der Umstand, dass nicht so intensive Gefühle erlebt werden, wie man erwartet hatte. Vaterpflichten beginnen heute - sei es in Form von Erwartungen anderer oder auch in Form von Erwartungen an sich selbst - schon lange vor der Geburt des Kindes. Zu diesen gehört die Beschäftigung mit der Schwangerschaft und der nahenden Geburt; gefordert werden aber anscheinend auch intensive und vor allen Dingen "richtige", also positive Gefühle gegenüber dem Kind und der Vaterschaft.
Der Umstand, dass es werdenden Vätern häufig schwer fällt, sich ambivalente oder sogar "negative" Gefühle zuzugestehen, verweist auch auf die bestehende Geschlechterrollenordnung. Schwankende Gefühle - oder weiter formuliert: eine regressive Position - werden der werdenden Mutter zugestanden. Dem werdenden Vater hingegen wird die Aufgabe zugewiesen, die Partnerin zu entlasten, zu stabilisieren und mit ihrer möglichen emotionalen Instabilität umgehen zu können. In einer Zeit, in der in besonderer Weise Stärke (von sich) gefordert und als notwendig erachtet wird, können "schwankende" oder gar "negative" Gefühle als besonders bedrohlich erlebt werden.
Interviews mit werdenden Vätern zeigen, dass gerade die Zeit der Schwangerschaft als emotional verunsichernd erlebt wird. Sie konfrontiert mit auf die Vaterschaft und auf das Kind bezogenen Phantasien und Ängsten, denen keine äußere Realität entgegengesetzt werden kann. Die Zeit der Schwangerschaft ist eine Periode, in der weitgehende, aber eben (noch) nicht fassbare Veränderungen antizipiert werden. "Hilflos erwartend" charakterisiert ein werdender Vater seine emotionale Befindlichkeit und definiert damit das Fühlen, ohnmächtig und ausgeliefert zu sein.
Äußerungen werdender Vätern verweisen darauf, dass der Begriff "Vater" eng mit dem Begriff "Verantwortung" verknüpft wird. Besagte Verknüpfung ist einerseits positiv konnotiert (die Verantwortung eines Vaters wird als Herausforderung und Aufwertung erlebt), andererseits jedoch auch belastend, da somit die Frage im Raum steht: Schaffe ich das, werde ich der Verantwortung auch gewachsen sein? In diesen Zusammenhang gehört auch die Befürchtung, eine Vaterschaft zwinge in einem normativen Sinne dazu, erwachsen zu werden.
Belastend können auch mit einer Vaterschaft assoziierte Veränderungen sein, die dem Bewusstsein nicht unmittelbar zugänglich sind, so zum Beispiel die Phantasie, auf die Herkunftsfamilie zurückverwiesen zu werden und in eine erneute Abhängigkeit zu geraten. Zur Disposition steht hier eine möglicherweise mühsam errungene und aufrecht erhaltene Autonomie. Träume und Phantasien werdender Väter weisen darauf hin, dass eine Vaterschaft nicht nur das Ende der Adoleszenz anmahnt, sondern darüber hinaus auf die Endlichkeit des eigenen Lebens verweist (wer Vater wird, rutscht eine Stufe in der Generationenfolge weiter). Eine besondere Herausforderung ist für werdende Väter die sich in der Schwangerschaft konkretisierende Triangulierung der Paarbeziehung. Erfährt ein Paar, dass ein Kind "unterwegs" ist, so verändert dies in spezifischer Weise die dyadische Situation der Liebesbeziehung. Das Hinzukommen eines Dritten eröffnet eine triadische Struktur, die von bewussten und unbewussten Beziehungsphantasien begleitet wird. Virulent werden hier gerade auch Ängste und Befürchtungen, die der/die "Dritte im Bunde" auslöst.
Äußerungen werdender Väter zeigen, dass dem Faktum des heranwachsenden Kindes im Leib der Mutter weitreichende Konsequenzen zugeschrieben werden. Vermutet wird, dass die Mutter-Kind-Beziehung in dieser Zeit aufgrund der körperlichen Verbindung quasi naturwüchsig eine nachhaltige Stärkung erfährt und auf diese Weise gegenüber der Vater-Kind-Beziehung einen Vorsprung gewinnt (Mutter und Kind wachsen im übertragenen Sinne zusammen). Werdende Väter thematisieren das Gefühl, es schwerer als ihre Partnerin zu haben, die Schwangerschaft zu realisieren und als "wirklich" zu erleben, sie glauben der vermeintlich "realen" Verbindung zwischen Mutter und Kind nur eine imaginäre oder mentale Beziehung entgegensetzen zu können, die als nicht gleichwertig angesehen wird. In diesem Zusammenhang werden zahlreiche Metaphern verwendet, die anschaulich machen, in welcher Rolle sich werdende Väter im entfaltenden Beziehungsdreieck erleben. Die Rede ist zum Beispiel vom "Mitläufer", vom "Zuschauer in der ersten Reihe" oder von dem, "der hinten dran hängt".
Die Überzeugung wiederum, Mutter und Kind ge-wönnen in der Schwangerschaft einen Beziehungsvor-sprung, hat Auswirkungen darauf, wie die Zeit nach der Geburt imaginiert wird. Zentral ist hier die Phantasie eines asymmetrischen Beziehungsdreiecks. Antizipiert werden schmerzhafte und Angst besetzte Verlust- und Ausschlusserfahrungen, die darauf basieren, dass das Kind als potentieller Rivale, Partnerin und Kind als das ideale Paar und die eigene Person als an den Rand gedrängten oder ausgeschlossenen Dritten imaginiert werden. Sprechen werdende Väter vom "Aufholen" und "Einholen des Vorsprungs" beziehungsweise vom "Ausgleichen der Zeit der Schwangerschaft", so klingt hier die bange Frage an, ob es wohl gelingen wird, für das Kind als Vater einmal ähnlich bedeutsam zu sein wie die Mutter. Das Kind wird jedoch nicht nur als potentieller Rivale, sondern auch als etwas Verbindendes imaginiert. Abstrakter formuliert verknüpft sich in dieser Perspektive mit dem Kind der Wunsch, dass es das Dritte sein möge, in dem sich das Paar spiegeln und verstetigen kann. Die (Angst-)Phantasie, dass das Kind den Vater verdrängen wird, beziehungsweise die Befürchtung, die Partnerin als Liebesobjekt an das Kind zu verlieren, löst Eifersuchts- und Neidgefühle aus, mit denen es umzugehen gilt.
Die Lebensphase des Übergangs zur Vaterschaft hat Merkmale einer Krise; sie gibt zugleich aber auch An-stöße für Reifung und Wachstum. Der Übergang zur Vaterschaft stößt eine (erneute) Auseinandersetzung mit der eigenen Kindheit und damit auch mit den Protagonisten sowie der Beziehungsstruktur der Herkunftsfamilie an. Im Kontakt und in der Auseinander-setzung mit ihren Kindern begegnen Väter ihren eigenen ungelösten (Entwicklungs-)Konflikten. Diese können bereits in der Schwangerschaft, also auf dem Weg in die Vaterschaft aufgestört werden. Neben den schmerzhaften und bedrohlichen Momenten ist damit auch die Chance verbunden, sich diesen Konflikten noch einmal zu stellen und für sie eine bessere "Lösung" zu finden.
Prof. Dr. Ariane Schorn lehrt am Fachbereich Soziale Arbeit und Gesundheit der Fachhochschule Kiel.