Am 18. Oktober 2005 ist der 16. Deutsche Bundestag zu seiner konstituierenden Sitzung zusammengetreten, nachdem es zuvor wegen einer von Bundeskanzler Gerhard Schröder herbeigeführten Vertrauensfrage zur Auflösung des Parlaments und zu vorzeitigen Neuwahlen gekommen war. Nach Artikel 39 des Grundgesetzes ist mit dem Zusammentritt des neuen Bundestages die Wahlperiode des 15. Deutschen Bundestages zu Ende gegangen.
Seit seinem ersten Zusammentreten am 7. September 1949 hat der Deutsche Bundestag bis zum Ende seiner 15. Wahlperiode am 18. Oktober 2005 insgesamt 3.375 Sitzungen seines Plenums und mehr als 37.000 Sitzungen von Ausschüssen und Unterausschüssen abgehalten. Im Bundesrat, der keine Wahlperioden kennt, haben im gleichen Zeitraum 817 Plenarsitzungen und mehr als 12.000 Sitzungen von Ausschüssen und Unterausschüssen stattgefunden. Diese Zahlen machen sehr deutlich, dass die parlamentarische Arbeit ganz überwiegend außerhalb des Plenums in den Ausschüssen und Unterausschüssen geleistet wird.
Beide Häuser haben besonders viele Sitzungen während der ersten Wahlperiode abgehalten. Inzwischen liegt pro Wahlperiode die Zahl der Sitzungen des Bundestages bei etwa 250 und die Zahl der Bundesratssitzungen bei 50; in den drei wegen Auflösung des Bundestages verkürzten Legislaturperioden 1969 bis 1972, 1980 bis 1983 und 2002 bis 2005 sind diese Zahlen entsprechend niedriger. Bei der Anzahl der Ausschuss- und Unterausschusssitzungen zeigt sich in beiden Häusern seit der 12. Wahlperiode ein signifikanter Anstieg - wohl im Zusammenhang mit der Vereinigung Deutschlands. Der Bundesrat hat 1990 die Zahl seiner Ausschüsse auf 16 erhöht, um auch den beigetretenen Ländern die Möglichkeit zu eröffnen, in einem Ausschuss den Vorsitz zu führen; dies mag eine weitere Ursache für zusätzliche Sitzungen sein. Die Zahl der Sitzungen beider gesetzgebender Körperschaften ergibt sich aus Tabelle 1.
Nach Artikel 76 des Grundgesetzes werden die Gesetzesvorlagen beim Bundestag entweder von der Bundesregierung oder aus der Mitte des Bundestages oder vom Bundesrat eingebracht. Die Vorlagen der Bundesregierung sind zunächst dem Bundesrat zuzuleiten, der dazu Stellung nehmen kann. Umgekehrt muss der Bundesrat seine Gesetzentwürfe dem Bundestag über die Bundesregierung zustellen. Zur Beschleunigung des Verfahrens leitet die Bundesregierung zwar ihre Entwürfe gelegentlich den jeweiligen Regierungsfraktionen des Bundestages "als Formulierungshilfe" zur Einbringung zu; dieser Weg ist jedoch aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht ganz unbedenklich.
Tabelle 2 zeigt die Zahl der Gesetzesinitiativen in den einzelnen Wahlperioden. Aus diesen Zahlenreihen wird deutlich, dass seit der Vereinigung im Jahre 1990 (12. Wahlperiode) alle drei Verfassungsorgane beträchtlich mehr Gesetzentwürfe eingebracht haben. Den oft zu hörenden Appellen, die Gesetzesflut einzudämmen, ist in der Praxis offenbar bis jetzt noch kein Erfolg beschieden gewesen.
Besonders signifikant ist der Anstieg der Zahlen beim Bundesrat. Dies dürfte auch damit zusammenhängen, dass in diesem Zeitraum der Bundesregierung und der sie tragenden Bundestagsmehrheit jeweils keine parteipolitisch klar gleichgerichtete Bundesratsmehrheit gegenüberstand. Parteipolitische Zuordnungen sind im Bundesrat zwar nur mit Einschränkungen möglich: In den Ländern bestehen oft auch Koalitionen zwischen Parteien, die im Bund sowohl der Regierung als auch der Opposition angehören. Die Stimmen der Länder müssen im Bundesrat aber immer einheitlich abgegeben werden (Artikel 51 Abs. 3 des Grundgesetzes), sodass in diesen Fällen eine eindeutige parteipolitische Eingruppierung kaum möglich ist. In der Regel sehen die Koalitionsverträge daher Stimmenthaltung des Landes vor, falls man sich in einer Bundesratsangelegenheit nicht einigen kann. Nicht selten überlagern auch Landesinteressen die parteipolitischen Fronten und bestimmen die Haltung eines Landes im Bundesrat. Dennoch ist festzustellen, dass der Bundesrat auch das Instrument der Gesetzesinitiative verstärkt dazu nutzt, um die Bundesregierung und die Mehrheit des Bundestages mit abweichenden politischen Vorstellungen zu konfrontieren. Nach Artikel 76 Abs. 3 des Grundgesetzes ist der Bundestag zwar gehalten, über diese Vorlagen in angemessener Frist zu beraten und zu beschließen; erzwingen kann der Bundesrat dies allerdings nicht.
Aus Tabelle 3 ist zu ersehen, wie viele Gesetzentwürfe der drei Initiatoren der Deutsche Bundestag in den einzelnen Wahlperioden tatsächlich beschlossen hat. Bei einem Vergleich der Tabellen 2 und 3 wird deutlich, dass die Vorlagen der Bundesregierung in den meisten Fällen den Bundestag erfolgreich passiert haben. Von den Entwürfen aus der Mitte des Bundestages ist im Durchschnitt allerdings nur etwas weniger als ein Drittel beschlossen worden. Hier dürften vor allem die von der jeweiligen Opposition eingebrachten Vorlagen auf Ablehnung gestoßen sein. Noch geringer ist die "Erfolgsquote" der Gesetzentwürfe des Bundesrates; dies gilt vor allem für die Zeit seit der 12. Wahlperiode, in der der Bundesrat sein Initiativrecht sehr viel häufiger und auch parteipolitisch orientiert ausgeübt hat.
Ist der Bundesrat mit einem vom Bundestag verabschiedeten Gesetz nicht einverstanden, kann er den so genannten Vermittlungsausschuss anrufen; das ist ein gemeinsamer Ausschuss beider Häuser, der einen Kompromiss finden soll (Artikel 77 Abs. 2 des Grundgesetzes). Bei zustimmungsbedürftigen Gesetzen haben auch der Bundestag und die Bundesregierung dieses Recht.
Tabelle 4 zeigt, dass bei unterschiedlichen parteipolitischen Mehrheiten in den beiden Häusern des Parlaments die Ländermehrheit im Bundesrat das Instrument des Vermittlungsausschusses relativ häufig einsetzt, um Gesetzesbeschlüsse des Bundestages noch in ihrem Sinne zu verändern. Das war in der 7. und der 8. Wahlperiode der Fall, als der sozial-liberalen Koalition im Bund eine Mehrheit der unionsgeführten Länder im Bundesrat gegenüberstand. Unter anderen Vorzeichen sah sich die Koalition von Union und FDP in der 12. und der 13. Wahlperiode zeitweise einer von Ministerpräsident Oskar Lafontaine straff koordinierten Mehrheit von SPD-geführten Ländern gegenüber, was ebenfalls zu zahlreichen Anrufungen des Vermittlungsausschusses führte. Zuletzt setzte die nach Landtagswahlen wieder gewonnene Mehrheit der Union im Bundesrat dieses Instrument intensiv für ihre politischen Ziele ein: In der 15. Wahlperiode schickte sie etwa jedes vierte vom Bundestag beschlossene Gesetz in den Vermittlungsausschuss. Berücksichtigt man, dass diese Wahlperiode um ein Jahr verkürzt war, so stellt die Zahl von 102 Anrufungen nunmehr einen Rekord dar.
In den meisten Fällen gelingt es dem Vermittlungsausschuss, einen Kompromiss zwischen den unterschiedlichen Auffassungen zu finden, sodass das Gesetz seinen Weg in das Bundesgesetzblatt nehmen kann. Das Gremium musste sich bisher mit mehr als 800 Gesetzen beschäftigen, von denen nur 83 am "Veto" des Bundesrates endgültig gescheitert sind.
Insgesamt 71 dieser Gesetze konnten wegen der fehlenden Zustimmung des Bundesrates nicht verkündet werden. Einzelheiten ergeben sich aus Tabelle 5. Zustimmungsbedürftig sind Verfassungsänderungen, Steuergesetze und vor allem solche Gesetze, die Rechte und Interessen der Länder berühren. Bei fehlender Zustimmung können zwar auch Bundesregierung und Bundestag den Vermittlungsausschuss anrufen. Am Ende kann der Bundesrat aber nicht überstimmt werden, sodass hier seine Position besonders stark ist.
Bei den nicht zustimmungsbedürftigen Gesetzen kann der Bundesrat nach Abschluss des Vermittlungsverfahrens nach Artikel 77 Abs. 3 des Grundgesetzes noch Einspruch einlegen. Diesen Einspruch kann der Bundestag mit der absoluten Mehrheit seiner Mitglieder - der so genannten "Kanzlermehrheit" - zurückweisen. Tabelle 6 zeigt, dass der Bundesrat dieses Instrument in der Regel nur sparsam einsetzt; die 13. und die 15. Wahlperiode mit unterschiedlichen politischen Mehrheiten in beiden Häusern sind insofern Ausnahmen. Dem Bundestag ist es jedoch fast immer gelungen, die Einsprüche des Bundesrates zurückzuweisen, sodass nur wenige Gesetze wegen eines Einspruchs gescheitert sind.
Zusammengefasst kann man sagen, dass der deutsche Gesetzgeber sehr produktiv gewesen ist. Die Statistik belegt, dass auch in Zeiten unterschiedlicher parteipolitischer Mehrheiten in beiden Häusern sehr viele Gesetze einvernehmlich zustande gekommen sind, das heißt, dass es keine Fundamentalopposition im Parlament gegeben hat. Dennoch ist auch in der abgelaufenen 15. Wahlperiode wieder deutlich geworden, dass es für eine Bundesregierung und die sie tragende Mehrheit sehr schwierig sein kann, die für sie wichtigen Gesetze über die Hürden im Bundesrat zu bringen. Aus der Statistik ist nicht zu entnehmen, wie viele Vorhaben einer Regierungskoalition gar nicht in Gesetzesvorlagen mündeten, weil man ihnen keine Chancen eingeräumt hat oder in wie vielen Fällen man als bedauerlich empfundene Kompromisse eingehen musste. Die Zahlen geben auch keinen Aufschluss, wie viele der gescheiterten Vorhaben für die jeweilige Regierung besonders wichtig gewesen sind.
Es bleibt abzuwarten, ob die bevorstehende Föderalismusreform zu einer Verringerung des Anteils an zustimmungsbedürftigen Gesetzen und damit zu einer gewissen Verschiebung der Gewichte im Gesetzgebungsverfahren führen wird.