Für Aufregung sorgten kürzlich Veröffentlichungen, nach denen im Rahmen der geplanten Föderalismusreform der Verbleib von sechs Ministerien in Bonn festgeschrieben werden sollte. Dass von Seiten der Berliner Landespolitik einhelliger Protest formuliert wurde, versteht sich von selbst. So sprach der Berliner SPD-Landesvorsitzende Michael Müller von einer absurden Idee und meinte, zu einer modernen und effizient arbeitenden Regierung gehöre, dass sich alle Ministerien an einem Ort, also in der Hauptstadt Berlin, befinden müssten. Alles andere sei "rückwärts gerichtet".
Wie auch immer man zu einer Änderung des Berlin-Bonn-Gesetzes stehen mag, an den Fakten, die der FDP-Bundestagsabgeordnete Carl-Ludwig Thiele, zugleich stellvertretender Vorsitzender des Finanzausschusses, anführt, ist nicht zu deuteln: "Die doppelten Dienstsitze in Bonn und Berlin verschlingen jährlich Unsummen", sagt er. "So pendeln monatlich 5.500 Beamte und Mitarbeiter zwischen den beiden Städten. Die Kosten für den Steuerzahler hierfür liegen bei 12 Millionen Euro im Jahr, dabei sind die öffentlichen Kassen leer. Deshalb müssen die Kosten für den zweigeteilten Regierungssitz auf das Minimale reduziert werden. Als ersten Schritt sollte die Regierung alle Dienstsitze von Bonn nach Berlin verlegen." Deutschland stehe vor einschneidenden Veränderungen, müsse wettbewerbsfähiger werden und könne sich keine teuren Reibungsverluste leisten, erklärt der Finanzexperte und ergänzt: "Es ist in unser aller Interesse, auseinander gerissene Ministerien und Abteilungen sowie mangelhafte Arbeitsläufe zu vermeiden. Damit die Regierung und das Parlament effektiv arbeiten, müssen die Kopfstellen der Ministerien in Berlin sitzen." Berlin habe sich in den vergangenen Jahren zum politischen Gravitationszentrum der Republik entwickelt. Gleichzeitig habe der Regierungsumzug der Bundesstadt Bonn keineswegs geschadet. Der Großraum Bonn habe einen positiven Strukturwandel erlebt, der in Deutschland seinesgleichen suche. Die inzwischen privatisierten ehemaligen Staatsunternehmen Deutsche Post und Deutsche Telekom hätten ihre Dienstsitze in neuen Gebäude in Bonn bezogen und zahlten als Privatisunternehmen erheblich Gewerbesteuer. Zudem seien aus öffentlichen Haushalten Millionen Euro geflossen, um negative Auswirkungen des Regierungsumzugs auszugleichen.
"Operation gelungen, Patient wohlauf" ist das Fazit, das Petra Pau zieht. Die Bundesstadt Bonn hat nach Überzeugung der Abgeordneten der Bundestagsfraktion Die Linke ihre Chance gut genutzt. Der Umzugsbeschluss sei ein Kompromiss gewesen, der sich aus zahlreichen Sichten und Interessen gespeist habe, aus regionalen und historischen, aus politischen und emotionalen. Umso drängender werde die Frage, ob die vereinbarten Doppelsitze von Bundesministerien in Bonn und Berlin wirklich der Weisheit letzter Schluss seien. Petra Pau: "Das wäre neu zu prüfen, aus Kostengründen und im Interesse hoher Effizienz." Sie fordere das seit längerem, und gerade in Zeiten klammer Kassen sollte dies auch nahe liegen.
Unter dem Diktat leerer Kassen müsse die Kostenprüfung der Regierungstätigkeiten und die Bewertung hinsichtlich Umfang und Effektivität besonders streng, aber keineswegs undifferenziert vorgenommen werden. Diese Forderung erhebt der CDU/CSU-Bundestagsabgeordnete Hans-Joachim Fuchtel, der sich als Mitglied des Rechnungsprüfungsausschusses schon häufig mit dem Bonn-Berlin-Gesetz hat beschäftigen müssen. Für grundsätzliche Änderungen des Gesetzes wäre eine breite parlamentarische Zustimmung angesagt. Deutschland brauche eine höhere Effektivität bei Legislative und Exekutive. Wo mit Hilfe moderner Kommunikationsmethoden auf der Basis ähnlicher Kosten und gleicher Ergebnisse per Netzwerk gearbeitet werden könne, stehe eine Änderung der Strukturen nicht zur Diskussion. Aber, so Hans-Joachim Fuchtel: "Nach zehn Jahren Erfahrung ist der Zeitpunkt gründlicher Überprüfung gekommen. Haushaltsauschuss und Rechnungsprüfungsausschuss nutzen das Instrument der begleitenden Berichterstattung durch den Bundesrechnungshof. So weiß man, dass die Kosten für Reisen zwischen Bonn und Berlin im Jahresdurchschnitt im zweistelligen Millionenbereich und damit bei circa 0,5 bis einem Prozent möglicher Investitionskosten liegen, welche bei weiterer Aufgabenverlagerung nach Berlin entstehen würden." Fiskalisch zeige sich damit kein akuter Bedarf nach Zusammenlegung. Die nach der Befassung des Rechnungsprüfungsausschusses im Frühjahr 2005 mit diesem Thema angekündigte Prüfung des Bundesrechnungshofes werde die Grundlage für das weitere Vorgehen sein und daher besonders spannend.