Dies war der erste Wahlkampf, in dem die neuen Medien wichtiger waren als die traditionellen Medien", sagt Ken Mehlman, der 2004 die "Campaign" von Präsident George W. Bush organisiert hat. Das Internet habe die Dominanz der großen Fernsehsender gebrochen und dazu geführt, dass einzelne Bevölkerungsgruppen sehr viel gezielter angesprochen werden könnten als bisher.
Wahlkampf im Internet - das bedeutet nicht nur den Kampf um Stimmen. Vor der Entscheidung im Wahllokal steht in den USA das "Fund Raising" im Mittelpunkt, das Sammeln von Spenden. Und ebenso wichtig ist es für die Kandidaten und Parteien, einen Kreis von besonders engagierten Sympathisanten und Helfern zu gewinnen.
Allerdings garantiert auch der beste Internet-Wahlkampf kein Erfolgserlebnis. Diese Erfahrung machte Howard Dean bei den Vorwahlen um die Präsidentschaftskandidatur der Demokratischen Partei. Der Gouverneur von Vermont setzte als einer der ersten Politiker im Wahlkampf Blogs ein, also persönlich gehaltene Web-Portale mit Besucher-Kommentaren. Außerdem nutzte er bestehende Internet-Angebote wie meetup.com, um Treffen seiner Anhänger in 231 Städten der USA zu organisieren. Während der Vorwahlen ließen sich 640.000 Personen auf Deans Website als Anhänger registrieren. Der liberale Politiker scharte nicht nur einen großen Kreis zumeist junger Aktivisten um sich, sondern sammelte im Internet auch 50 Millionen Dollar für seinen Wahlkampf. Schließlich scheiterte Dean aber an einer ungeschickten Selbstdarstellung in den "MSM" - den "Mainstream-Medien" der Presse und des Fernsehens und musste John Kerry den Vortritt lassen.
Die Niederlage Deans bedeutet nicht, dass seine Strategie falsch war, sagt sich Larry Grant, der am 7. November bei der Wahl zum Repräsentantenhaus für die Demokraten antritt. Sein Blog "Grassroots for Grant" ist ein Beispiel für eine Art von Wahlkampf, der die einfachen Parolen der Wahlplakate nicht einfach ins Internet überträgt, sondern sich die besonderen Möglichkeiten des Computernetzes beim "Community Building" zu eigen macht. Auch die Senatorin Hillary Clinton wirbt mit einem interaktiven Web-Auftritt um aktive Helfer für ihre Wiederwahl.
Die Wahlkampffinanzierung stand 2004 auch bei den Websites der beiden Präsidentschaftskandidaten im Mittelpunkt. Im Rennen um die meisten "visits" schnitt der Web-Auftritt des Herausforderer Kerry zunächst monatelang besser ab als die Website des Amtsinhabers. Aber im September 2004 schnellte die Zahl der Besucher bei georgewbush.com um 44 Prozent auf 2,5 Millionen hoch. In den letzten drei Oktoberwochen lag dann johnkerry.com wieder vorn. Dass die Web-Auftritte der Kandidaten bis unmittelbar vor der Stimmabgabe von hoher Bedeutung sind, zeigen die Zahlen von comscore Media Metrix vom 1. November 2004, einen Tag vor der Wahl: Die Anzahl der Besuche verdoppelten sich noch einmal im Vergleich zum Durchschnitt der Vorwochen auf 317.000 bei Bush und 306.000 bei Kerry.
Angesichts der wachsenden Bedeutung von Information und Kommunikation im Netz spielt die Banner-Werbung im Internet-Wahlkampf bislang eine erstaunlich geringe Bedeutung. Für diese oft hektisch blinkenden Web-Anzeigen gaben die beiden Lager um Bush und Kerry von Januar bis August 2004 nur 2,6 Millionen Dollar aus, weniger als ein Prozent der 330 Millionen Dollar, die für Fernsehwerbung drauf gingen. "Die Wahlkampagnen haben das Internet als Werbemedium weitgehend ignoriert", sagt Michael Cornfield vom amerikanischen Sozialforschungsinstitut Pew.
Die größte Aufmerksamkeit im Wahlkampf fanden zeitweise aber weniger die Websites der Kandidaten als vielmehr satirische Verfremdungen. Deren bevorzugtes Mittel sind Trickfilme in der Flash-Technik, die mitunter in Windeseile rund um den Globus verbreitet werden. Eine Wahlkampf-Parodie, bei der Bush und Kerry zur Melodie des Woody-Guthry-Songs "This Land is Your Land" aufeinander losgehen, wurde mehr als 65 Millionen Mal aufgerufen. Die Website dieses Trickfilms, jibjab.com, hatte im Juli 2004 drei Mal so viele Besucher wie die Internet-Auftritte von Bush und Kerry zusammen. Erstellt hat den Flash-Film der 33-jährige Gregg Spiridellis zusammen mit seinem Bruder. Sein Beweggrund: "Wir wollten zeigen, wie dumm und kindisch dieses Hin und Her im Wahlkampf sein kann."
Die Angst vor allzu deutlichen Meinungsäußerungen ist es auch, die die überwiegende Mehrzahl der Parteien und Politiker in Deutschland vor Blogs noch zurückschrecken lässt. Jerry Brown, dreifacher amerikanischer Präsidentschaftskandidat und jetzt Bürgermeister der kalifornischen Stadt Oakland, ist da offenbar schon weiter: "In jedem Blog gibt es eine Bandbreite an Kommentaren von den Extremen bis zu den Nachdenklichen. Das ist einfach ein lebendiger Forschungsprozess." Vielleicht haben es die Internet-Nutzer in den USA auch gelernt, Dauernörgler und Provokateure, die so genannten "Trolle", von berechtigter Kritik zu unterscheiden.
Aus den USA kommt auch der Web-Master der SPD Rheinland-Pfalz. Dieser habe daher "entsprechende Erfahrung aus seinem Heimatland", sagt der Medienreferent des Mainzer Landesverbands, Michael Maurer. An den Trendsetter in Sachen Internet-Wahlkampf jedoch kam das Angebot bei weitem nicht heran: Anders als in den USA wurden auch im Web vor allem Inhalte des traditionellen Wahlkampfs geboten: Das Regierungsprogramm zum Download und Bilder des alten und neuen Ministerpräsidenten Kurt Beck bei Wahlkampfauftritten.
Der Autor ist Journalist und Politologe in Frankfurt/Main.
www.hillaryclinton.com
www.larrygrant. typepad.com/blog