Das Parlament: Herr Schaar, haben Sie schon einmal im Internet mit einem Politiker gechattet?
Peter Schaar: Ja, einige Male, allerdings vor meiner Zeit als Bundesdatenschutzbeauftragter. Zum Beispiel habe ich mich an Online-Diskussionen über die Reform des Datenschutzrechts beteiligt, die der Deutsche Bundestag Ende der 90er-Jahre veranstaltet hat. An einigen Online-Chats habe ich passiv teilgenommen, also selbst nichts oder nicht viel beigetragen. Seit ich im Amt bin, stand ich selbst per Online-Chat Rede und Antwort, zum Beispiel bei tagesschau.de.
Das Parlament: Der Wahlkampf verlagert sich immer stärker ins Internet. Gab es schon konkrete Fälle, in denen die Datenschützer eingreifen mussten?
Peter Schaar: Mir sind keine solchen Fälle bekannt. Allerdings haben mich Vertreter verschiedener Parteien gefragt, welche Datenschutzregeln für E-Mail- und SMS-Werbung zu beachten sind. Ich habe in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass derartige Werbesendungen dann sehr problematisch sind, wenn die Empfänger keine Parteimitglieder sind und auch nicht ihre Einwilligung gegeben haben. Hochproblematisch war eine Werbeaktion der Schillpartei im letzten Hamburger Wahlkampf. Wenige Tage vor dem Wahltermin hat die Partei hunderttausende von Hamburger Haushalten durch einen automatisch per Computer generierten Anruf des Ex-Senators beworben.
Das Parlament: Wie sollte man mit den politischen Netz-Aktivitäten etwa von radikalen Gruppen umgehen? Was unterliegt hier dem Datenschutz, was nicht?
Peter Schaar: Bei allen Netz-Aktivitäten muss man, unabhängig von der politischen Ausrichtung, die gesetzlichen Regeln beachten. Datenschutzbestimmungen gelten auch hier nur, soweit personenbezogene Daten berührt sind. So wäre es zum Beispiel ein Verstoß gegen den Datenschutz, wenn man Namen und Anschriften vermeintlicher oder tatsächlicher Anhänger einer Gegenpartei veröffentlichen würde. Soweit politische Gruppierungen eigene Websites anbieten, müssen sie dabei die Vorgaben des Teledienste-Datenschutzgesetzes einhalten. Dort ist insbesondere festgelegt, wie die Datenschutzrechte von Website-Besuchern sicherzustellen sind. So dürfen personenbezogene Daten grundsätzlich nicht verarbeitet werden, wenn eine Einwilligung des Betroffenen fehlt. Im übrigen gelten die einschlägigen Vorschriften des Strafgesetzbuches.
Das Parlament: Politiker greifen in Wahlkämpfen immer stärker auf Weblogs zurück. Ist das aus datenschutzrechtlichen Gründen bedenklich?
Peter Schaar: Bei den Weblogs handelt es sich um Online-Journale, die sich durch häufige Aktualisierung und viele Verlinkungen auszeichnen und damit eine neue und interessante Informations- und Kommunikationsform im Internet darstellen.Wenn man dabei auch Informationen über natürliche Personen weitergibt, ist hierfür grundsätzlich ein Einverständnis des Betroffenen erforderlich. Allerdings müssen Prominente, die ja in der Öffentlichkeit stehen, zum Beispiel Kandidaten für ein politisches Amt, als "Personen der Zeitgeschichte" in Kauf nehmen, dass ihr Wirken öffentlich wahrgenommen und, vielleicht auch kritisch, bewertet wird. Die Gefahr der Weblogs liegt aus meiner Sicht aber mindestens genauso stark darin, dass sich die Autoren selbst weitgehend outen. Sie sollten sich darüber im Klaren sein, dass ihnen ihre möglicherweise unbedachten Äußerungen auch noch Jahre und Jahrzehnte später vorgehalten werden könnten.
Das Parlament: Wie kann Vertraulichkeit im politischen Internetgeschäft sichergestellt werden, wenn zum Beispiel ganze Gesetzesvorgänge im Netz abgewickelt werden?
Peter Schaar: Bislang erfolgt die Gesetzgebung überwiegend in der "Offline-Welt" und in den dafür zuständigen demokratischen Gremien, also Regierung und Parlament. Wenn die Gesetzgebung mittels Internet transparenter wird und insbesondere wenn die Bürger die Möglichkeit erhalten und auch wahrnehmen, auf die Gesetzgebung durch eigene Kommentare und Vorschläge Einfluss zu nehmen, kann ich das, insbesondere in meiner Funktion als Informationsfreiheitsbeauftragter, nur begrüßen. Der Datenschutz ist davon jedenfalls im Regelfall nicht betroffen. Ein beispielhaftes Vorhaben war in dieser Hinsicht das oben erwähnte Internet-Forum zur Novellierung des Bundesdatenschutzgesetzes.
Das Parlament: Wagen Sie mal einen Blick in die Zukunft: Werden wir den Bundestag 2009 per Internet wählen?
Peter Schaar: Das halte ich nicht für wahrscheinlich. Eine Arbeitsgruppe im Bundesinnenministerium hat die Möglichkeit einer Online-Bundestagswahl zwar mal geprüft, die Arbeitsgruppe ist aber im Jahr 2004 ergebnislos aufgelöst worden. Ein solches Projekt lässt sich also offensichtlich nicht so ohne weiteres realisieren.
Das Parlament: Wo liegen hier die größten Gefahren aus Sicht der Datenschützer?
Peter Schaar: Eine Internet-Wahl wäre nur möglich, wenn die rechtlichen Voraussetzungen des Art. 38 Abs. 1 GG gewährleistet wären, insbesondere die freie, gleiche und geheime Wahl. Beispielsweise müsste sichergestellt sein, dass die Wahlentscheidung des Einzelnen nicht nachvollzogen werden kann und vor Manipulationen geschützt ist. Das sind schon ziemlich hohe Anforderungen, die offensichtlich nicht so leicht zu erfüllen sind.
Die Fragen stellte Thomas Sigmund.
www.bfdi.bund.de