Die Idee kam vom Fraunhofer-Institut für Autonome Intelligente Systeme (AIS) in Sankt Augustin. "Wir wollen Formen finden, in denen sich Jugendliche politisch äußern, weil sie ihre Interessen in öffentlichen Expertenrunden nicht vertreten können", sagt Oliver Märker, stellvertretender Leiter der Abteilung Wissen und Kommunikation und Gründungsmitglied der Initiative-ePartizipation.de. 311 Schüler registrierten sich und debattierten sachlich und fair als Bürger, Unternehmer, Wissenschaftler oder Politiker. Die meisten waren gut informiert. Auch Robin recherchierte stundenlang im Internet, denn für jedes Argument gab es Punkte, und dem Sieger winkte ein iPod - derzeit der Renner unter den MP3-Playern. Weil Robin nicht alleine spielen wollte, schloss er sich dann einer Gruppe an, die sich allerdings als Bio-Restaurant eingeloggt hatte. Nun musste er den Gentechnikgegner spielen. Aber darauf kam es nicht an. Den Web-Talk fand er spannend, "weil man sich gründlicher vorbereiten konnte als im Unterricht und mal in Ruhe seine Meinung" loswerden durfte, "ohne dass einer dazwischen quatscht". Seine Argumentation verhalf am Ende dem Team vom Bio-Restaurant zum Sieg.
"Mithilfe solcher Planspiele können wir Jugendliche fit machen für den Online-Diskurs von morgen", meint Arthur Gottwald, Leiter für Medienerziehung in der Hamburger Bildungsbehörde. Er ist überzeugt, dass das Internet eine immer größere Bedeutung für politische Beteiligungsprozesse erlangen wird. "Deshalb müssen Schüler lernen, sich im Netz kompetent zu bewegen, Inhalte zu hinterfragen und seriöse von unseriösen Informationsangeboten zu unterscheiden."
Wer heute schon durchs Internet surft, merkt schnell, dass Politik nicht zu den Topthemen gehört, die Jugendliche beschäftigen. Zwölf- bis 20-jährige suchen nach Musik, Unterhaltung oder Freizeitangeboten. Dort finden sie ihre Community und tauschen sich eher am Rande über politische Fragen aus. Politikchats oder Foren findet man selten. Das ist, wie die 14. Shell-Jugendstudie belegt, kein Ausdruck von politischem Desinteresse. Jugendliche sind bereit, sich politisch zu engagieren, heißt es da, "jedoch eher kurzfristig und projekt- und problembezogen".
Deshalb gibt es für sie mitmischen.de, fluter.de, netzcheckers.de und ähnliche Portale. Diese werden mit viel Aufwand von der Regierung, politischen Bildungsträgern und Jugendverbänden betrieben. Da geht es um Schule, Ausbildung, Jobs und News aus der Szene. Und es wird über Toleranz, Drogen oder Jugend in anderen Ländern debattiert. Die Macher versuchen alles, um die Bedürfnisse und den Ton der Jugend zu treffen: Dazu gehört die originelle bunte Aufmachung, eine altersgerechte Sprache, und "cool" muss es daherkommen.
"Das Wichtigste ist Glaubwürdigkeit", sagt der Projektkoordinator von netzckeckers Jürgen Ertelt. "Es reicht nicht, ein Forum zum Meinungsaustausch anzubieten. Da kommt keiner." Mitmachen ist das Zauberwort. "Wir fordern die Jugendlichen zum Einmischen auf." Nicht zu unterschätzen sei dabei der Funfaktor. Die Jugendportale überbieten sich förmlich mit Gewinnspielen, Votings, Video- oder Fotoprojekten, und manchmal gibt es sogar Konzertkarten oder Geldpreise zu gewinnen. Jugendliche wollen etwas davon haben, wenn sie mitmachen, sagen alle Betreiber. Die hohe Zahl der Klicks und registrierten Nutzer bestätigen sie.
Helga Stieff von der Jugendinitiative Step 21 in Hamburg glaubt, dass man junge Leute noch besser über monothematische und befristete Internet-Projekte erreichen kann, denn "sie haben in der Regel große Hemmungen, sich langfristig zu verpflichten". Aber man muss auch ein Thema finden, das den Nerv der Jugendlichen trifft. Bei fairlink.de haben sich Jugendliche zwei Jahre lang mit Toleranz und Fairness im Internet beschäftigt. Sie haben Projekte gegen Fremdenfeindlichkeit entwickelt und erörtert, wie mit rechtsradikalen Webseiten umzugehen ist und in Foren über ausländerfeindliche Internet-Angebote diskutiert.
Auch Bilal El Banna hat schon bei solchen Netz-Projekten mitgemacht. Er ist ehemaliger Hauptschüler und besucht jetzt die zehnte Klasse in Cuxhaven. Bei projekt-p hat er an einem Konzept mitgearbeitet für eine höhere Beteiligung von Schülern an der Lokalpolitik. Das wurde der Bürgermeisterin und den Medien präsentiert. Bilal hat es ins Netz gestellt, die Webseite gestaltet und einen Chat betreut, in dem Schüler Kommentare abgeben konnten. Er findet, dass alle ihre Meinung sagen sollten, "aber manche brauchen einen Schubs, und da es ist nützlicher wenn wir Schüler sie ansprechen, auf Augenhöhe".
Bilal ist politisch aktiv, und er kennt sich aus im Netz. Doch das gilt nicht für jeden. Zwar haben fast alle Jugendlichen heute einen Internet-Zugang. In politisch relevanten Chats und Foren tauchen aber oft wieder nur die auf, die ohnehin zu den politisch engagierten gehören und sich sprachlich gut ausdrücken können. "Im Internet muss man die Hemmung verlieren, vor vielen zu schreiben und darf sich nicht von sprachgewandten Nutzern unterbuttern lassen", sagt Oliver Märker. In dieser Hinsicht verstärke das Internet das in der Shellstudie beschriebene Zweiklassensystem, wonach die Jugend in eine Hälfte der leistungsbezogenen, erfolgreichen und in eine Gruppe der Verlierer zerfalle, die mit schulischen und gesellschaftlichen Anforderungen nicht zurande komme. Letztere besuchen beim Surfen im Web keine politischen Foren. Sie sind umso interessanter für radikale Gruppen, die ihre Anhänger über Musik und Spiele gewinnen.
"Die meisten Jugendlichen fühlen sich im Netz gar nicht angesprochen" sagt Johannes Vix. Er ist 19 Jahre alt und macht im bayerischen Ansbach Jugendarbeit. Der Teenager leitet die örtliche "Youth Bank", ein Projekt der Servicestelle Jugendbeteiligung, mit dem lokale Jugendinitiativen gefördert werden. Johannes und seine fünf Mitstreiter entscheiden über einen kleinen Etat und unterstützen Ansbacher Jugendliche bei der Umsetzung ihrer Ideen, wie dem Aktionsbündnis gegen eine Waldrodung oder der Demonstration für eine gerechtere Finanzausstattung der örtlichen Gymnasien. "Ohne persönlichen Kontakt geht da aber nichts", sagt Johannes aus Erfahrung. Natürlich informiert er über die Arbeit im Netz "aber um Leute wirklich zu mobilisieren, muss man direkt mit ihnen reden und Vertrauen schaffen".
Gleichwohl ist das Netzwerk im Internet für sein eigenes politisches Engagement ein wichtiger Rückhalt. Oft tauscht er mit anderen Gruppen Erfahrungen aus, kann nachfragen und vom Wissen anderer profitieren. "Dass es deutschlandweit ist, finde ich am wichtigsten", sagt er stolz. "Ich lerne viele Leute kennen und trage Verantwortung für eine große Sache."
Die Servicestelle Jugendbeteiligung gibt es seit fünf Jahren. Sie gehört zu den größten Jugendnetzwerken, die im Internet präsent sind. Es gibt dort keine Mitglieder sondern nur "Aktive". Allein 1.200 sind in der Community von jugendbeteiligung.info erfasst. Diesen Erfolg erklärt Sprecher Benjamin Gesing damit, dass "die Jugendlichen bei uns vor Ort in reale Projekte eingebunden sind und sich eben nicht nur im virtuellen Raum bewegen".
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