E-Democracy umfasst alle über das Internet vermittelten Austauschbeziehungen zwischen Bürgerschaft und Politik", schreibt der Verein pol-di.net auf www.politik-digital.de, einer "Plattform für Politik und Internet", die mit einer beeindruckenden Zahl von Aufsätzen und Experteninterviews zum Thema bestückt ist. So werde "eine aktive Teilhabe möglich - zum Beispiel bei der elektronischen Stimmabgabe, in Planungs- und Gesetzgebungsverfahren oder im Rahmen von Online-Kampagnen". E-Government dagegen bezeichne "die Modernisierung der Verwaltung mittels elektronischer Medien". Christian Hochhuth, der Gründer der Berliner Initiative "iDemokratie", die neue Kommunikationswege zwischen Bürgern und Politik aufzeigen will, möchte die beiden Begriffe getrennt voneinander wissen. "Während beim E-Government der Service wichtigster Bestandteil ist, zum Beispiel bei einer elektronischen Kfz-Zulassung, bietet E-Democracy den Bürgern die Möglichkeit, sich direkt und aktiv über das Internet am politischen Prozess zu beteiligen." Die Grundsätze direkter Demokratie, so Hochhuth, lassen sich durch das Internet so verwirklichen, dass eine Partizipation des Einzelnen und seiner individuellen Interessen ermöglicht wird, etwa durch Online-Petitionen oder Diskussionsforen.
Tatsächlich scheint jetzt, in der Blütezeit von Blogs, der klassische Gegensatz von Sender und Empfänger in der medialen Welt endgültig aufgehoben zu sein. Waren Rundfunk und Fernsehen oft dem Verdacht der Manipulation ausgesetzt, gilt das Internet weitestgehend als Instrument der "herrschaftsfreien" Kommunikation. Es bietet das Potenzial, das Dilemma der asymmetrischen Kommunikation und Information zu überwinden. Asymmetrische Informationsverteilung gilt in der politischen Wissenschaft als ein entscheidendes Kriterium für Demokratiedefizit: Wer nicht informiert ist, kann nicht mitentscheiden. Wer keinen Weg findet, sich zu artikulieren, wird auch nicht gehört.
Längst haben NGOs oder Bürgerrechtler gelernt, über das Internet weltweit Interessierte zu mobilisieren oder sich einfach bemerkbar zu machen. Doch der digitale Graben ist trotz 100-Dollar-Laptop in Brasilien oder Internet via Satellit noch immer vorhanden und scheint sich international wie national zwar zu verengen, aber dafür auch zu vertiefen. Auch in Europa und Deutschland selbst sind große Unterschiede zu erkennen. Beispielsweise, so zeigt der Branchenverband Bitkom in einer Studie auf, stehen in Deutschland im Mittel für 100 Schüler acht PCs zur Verfügung, in den USA sind es dagegen 30, in Japan 19. "In deutschen Klassenzimmern stehen weniger Computer als in Mexiko, Ungarn oder Tschechien", kritisiert Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder. Das sei "ein bildungspolitisches Armutszeugnis". Auch beim Vergleich der Breitbandanschlüsse steht Deutschland vergleichsweise schlecht da: Während in Südkorea im vergangenen Jahr von 100 Haushalten rund 70 über einen breitbandigen Zugang zum Internet verfügten, waren es hierzulande nur 27.
Doch es gibt auch gute Nachrichten: Im alljährlichen (N)ONLINER-Atlas 2005, der deutschlandweit größten Studie zur Internet-Nutzung, zeigt sich, dass sich die Generation der mehr als 50-Jährigen, also der so genannten "Silver Surfer", im Vorjahresvergleich stärker Richtung Internet bewegt. 53 Prozent in der Altersgruppe der 50- bis 59-Jährigen sind online, drei Prozent mehr als 2004. Bei den 60- bis 69-Jährigen sind es 29 Prozent. Im Durchschnitt liegt der Anteil der Internet-Nutzer inzwischen bei 55 Prozent. Allerdings: Die Bevölkerungsgruppe mit einem Volksschulabschluss ohne Lehre liegt mit 24,7 Prozent in der Nutzung weit hinter den formal höher Gebildeten.
Doch der Zugang zum Internet allein reicht nicht, um am demokratischen Prozess und der öffentlichen Meinungsbildung mitzuwirken. Hier braucht es eben auch den Willen und die Motivation zur Einmischung, betont etwa Alexander Siedschlag, Lehrstuhlinhaber an der Universität Innsbruck, in seinem Aufsatz "Das Internet als Kanal für Demokratiekultur". Er betont, dass das Internet nicht schon von Natur aus demokratisch sei - vielmehr müssten die demokratischen Spielregeln hier immer von neuem durchgesetzt werden.
Denn ebenso breit gefächert wie die faszinierende Vielfalt im Web sind die Möglichkeiten, Inhalte zu zensieren, Informationen zu verfälschen oder einseitige Wahrheiten zu verbreiten. Beispiel China: Wenn Internetseiten und Internet-Cafés gesperrt werden, wenn Bürger überwacht werden, wenn Dienste wie blogger.com erst gar nicht eingerichtet werden dürfen, dann zeigt sich schnell, dass der Zugang zum Internet per se noch kein Garant für ein Mehr an Demokratie ist. Auch eine Website und eine E-Mail-Adresse allein machen noch keine politische Aktion. Es müsse immer eine Verbindung zur Offline-Welt geben, mahnt Claus Leggewie, Professor für Politikwissenschaften und Experte für neue Medien an der Justus-Liebig-Universität Gießen. Auch müssen die oft mühsam eingerichteten Seiten in der unendlichen Weite des Netzes erst einmal von Gleichgesinnten gefunden werden.
Vor diesem Hintergrund ist auch der derzeitige Hype um die "Blogosphere" genau unter die Lupe zu nehmen. Zwar bieten die Blogs enorme Chancen. Zum Beispiel werden, so Christian Hochhuth, "politische Themen in einem Weblog sehr viel emotionaler und persönlicher angesprochen als in einem Zeitungsbericht". Dieser persönliche Bezug schaffe Vertrauen und rege zum Mitmachen und Mitgestalten an. So erntete "iDemokratie" viel Aufmerksamkeit mit dem "wahlblog2005", in dem zur Bundestagswahl Politiker aller Parteien, Wahlkampfexperten, Künstler und Wissenschaftler ein gemeinsames Internet-Tagebuch führten und so mit Bürgern Kontakt aufnahmen.
Vor allem die junge Generation, aus deren medialer Umgebung das Internet nicht mehr wegzudenken ist, soll durch solche Angebote angezogen werden. Doch ein Blog allein reicht auch hier nicht, sagt Kommunikationsdesigner Hochhuth: "Die meisten politischen Internet-Angebote sind aus Sicht der Jugendlichen sowohl inhaltlich als auch grafisch langweilig gestaltet."
Es gebe sehr viel "Müll" und "Noise" in der Blogosphere, konstatierten denn auch Experten wie Dan Gillmore ("We the media") bei der Politics Online Conference 2006 Anfang März in Washington D.C. Der Trend könnte deshalb hingehen zu Gruppenblogs, die eher aufgemacht seien wie Magazine, meinte Moderator Chris Nolan. In jedem Fall, so stellte Dan Gillmore in Washington noch einmal fest, geschehe eine Demokratisierung bei den Medieninstrumenten und der Medienverbreitung. Neue Technologien, bei denen die Hemmschwelle zur Nutzung also nicht ganz so hoch ist wie vielleicht beim PC , könnten folglich helfen, mehr Menschen zum Mitmachen und Einmischen zu bewegen. Beispiele wären hier das Internet via TV-Gerät oder das Handy.
Doch Demokratie, und das gilt eben auch und gerade für die Online-Welt, muss man sich stets neu erkämpfen. Und dabei könnten wir uns sicherlich leichter tun, wenn wir nicht zunächst durch ein Meer von trivialen Inhalten schwimmen müssten.
www.idemokratie. de
www.pol-di.net
Die Autorin ist Journalistin in München.