Den einen bringt sie mehr Freiheit, den anderen Studiengebühren: Der bayerische Landtag hat nach mehrstündiger kontroverser Debatte am 18. Mai die "Hochschulreform 2006" beschlossen - das größte Gesetzesvorhaben der Legislaturperiode. SPD und die Grünen stimmten gegen die Reform. Das Mammutprojekt soll den elf Universitäten und 17 Fachhochschulen des Freistaats mit bald 300.000 Studierenden wesentlich mehr Gestaltungsspielraum geben. Für die Studenten bringt es ab dem Sommersemester 2007 die von SPD und Grünen scharf abgelehnte Erhebung von Studiengebühren. Sie betragen bis zu 500 Euro pro Semester und sollen den Hochschulen (abzüglich eines Verwaltungsbeitrags) als Zusatzeinnahmen zur Verbesserung der Studienbedingungen zur Verfügung gestellt werden.
Wissenschaftsminister Thomas Goppel bezeichnete die insgesamt vier Einzelgesetze, die im Parlament mehr als fünf Monate lang beraten wurden, als "Grundlage für flexible, moderne, leistungs- und handlungsfähige Hochschulen". Die Opposition kritisierte die zu geringe staatliche Mittelzuweisung an die Hochschulen und deren weiterhin begrenzte Freiheit.
Kernpunkt der größten Hochschulreform seit über 30 Jahren ist der Rückzug des Staates aus der so genannten Detailsteuerung. Das Wissenschaftsministerium begnügt sich mit einer Zielvereinbarung, in der zwischen Staat und Hochschule die individuellen Ziele mit jeder Hochschule festgelegt werden. Die ersten dieser Vereinbarungen sollen bereits im Juli beschlossen werden. Goppel betonte: "Wir hieven das Verhältnis von Staat und Hochschulen auf eine gänzlich neue Ebene - die von Partnern", die Hochschulen würden in eine "sehr weitgehende Freiheit entlassen".
Goppel machte aber deutlich, dass der Staat auf einige essenzielle Steuerungsmöglichkeiten nicht verzichten wolle und auch nicht dürfe. Denn nur der Staat könne den Gesamtprozess lenken und dafür sorgen, dass übergeordnete Überlegungen nicht hinter kurzfristiges Erfolgs- und Rationalisierungsdenken zurückfielen: "Deshalb kümmern wir uns weiter um die übergreifende Hochschulentwicklungsplanung, die Einrichtung, Aufhebung und Änderung von Studiengängen und die Ruf-Erteilung an die Professoren". Für ihre interne Organisation zeichnen die Hochschulen künftig selbst verantwortlich, allerdings bedarf die Grundordnung der staatlichen Genehmigung. Goppel betonte, dass für die Managementstrukturen "weite und vielfältige Gestaltungsspielräume" im Gesetz eingebaut seien. So gebe es eine generelle Öffnungsklausel, die es jeder Hochschule ermögliche, ein für sie maßgeschneidertes Organisationsmodell zu erarbeiten. Auch beim Personal setze der Staat in Zukunft auf mehr Eigenverantwortung wie zum Beispiel bei der Ernennung von Professoren.
Das Gesetz sieht eine Stärkung der Hochschulleitung vor. Als "Blaupause" für die neue Organisationsstruktur, so der Minister, habe ein an der Technischen Universität München erprobtes Modell gedient. Dabei werde der neu gestaltete Hochschulrat - zusammengesetzt aus acht gewählten Mitgliedern des Senats und acht externen Persönlichkeiten aus Kultur, Wirtschaft und beruflicher Praxis - zu einem zentralen Element der Hochschule. Er erfülle Funktionen eines Aufsichtsrats: "Er wählt die Mitglieder der Hochschulleitung inklusive des Präsidenten, kontrolliert die Hochschulleitung und beschließt die Grundordnung sowie die Hochschulentwicklungsplanung."
Die Studiengebühren sollen, so die CSU, unter anderem mit einem zinsgünstigen und nach dem Studium rückzahlbaren Darlehen finanziert werden. Außerdem könnten sich bedürftige Studenten davon befreien lassen.
Die SPD-Abgeordnete Adelheid Rupp sieht in der Erhebung von Studiengebühren eine völlig neue Richtung, die gerade sozial benachteiligten Studenten schade. Die Beiträge seien auch ein Versuch der Staatsregierung, sich immer stärker aus der staatlichen Hochschulfinanzierung zu verabschieden. Die Gesetzesnovelle bringe den Hochschulen außerdem - mit wenigen Ausnahmen - statt Autonomie weiterhin Gängelung.
Auch nach dem Urteil der Grünen-Abgeordneten Ulrike Gote "hat die Hochschulnovelle ihr Ziel verfehlt". Die Leine der Ministerialbürokratie "mag etwas länger geworden sein, losgelassen haben sie nicht", rief sie der CSU zu. Kontrolle und Hineinregieren in die Hochschulen seien nicht reduziert, sondern nur verlagert worden. Insbesondere bemängelte Gote, dass die Hochschulen stärker von Drittmitteln abhängen und damit weitaus mehr den Zwängen des Marktes ausgesetzt würden. Auch Darlehen zur Finanzierung der Studiengebühren kritisierte sie: "Sie schicken die jungen Menschen mit Schulden ins Leben, denen Sie gleichzeitig sagen, dass sie sich selbst um ihre Altersversorgung kümmern müssen".