Wer kennt es nicht? Das erhebende Gefühl, wenn man sich nach einem Großkampftag in Fußgängerzonen und Einkaufszentren mit einem besonders lukrativen Schnäppchen unter dem Arm auf den Heimweg begibt? Bis vor fünf Jahren erfasste den typischen Bundesbürger ein solches Hochgefühl durchschnittlich dreimal im Jahr: im Verlauf der Schnäppchen-Jagdsaison von Winter- und Sommerschlussverkauf und gegebenenfalls nach einem erfolgreich getätigten Handel beim Besuch eines orientalischen Basars. Denn bis dahin war Deutschland das letzte EU-Land, in dem Preisnachlässe gesetzlich geregelt waren. Erst am 25. Juli 2001 wurden Rabattgesetz und Zugabeverordnung aufgehoben und das Wettbewerbsrecht damit dem Standard vieler europäischer Nachbarn angeglichen. Fortan konnte auch hierzulande um Heller und Pfennig gefeilscht werden.
Die Vorgaben stammten aus den 30er-Jahren, als der Kunde lediglich begrenzte Möglichkeiten besaß, um Preise miteinander zu vergleichen. Durch das Verbot von Zugaben und Rabatten sollte einer Irreführung über Preis und Qualität der Produkte und einer "Verwilderung der Wettbewerbssituation" vorgebeugt werden. Zu diesem Zweck wurde Händlern untersagt, Kunden durch das Angebot besonderer Vergünstigungen zum Kauf zu bewegen. Das Rabattgesetz gestattete den Anbietern einen Preisnachlass von maximal drei Prozent. Mit der so genannten Zugabeverordnung sollte darüber hinaus vermieden werden, dass Verbraucher durch Zusatzleistungen geködert werden. Kostenlose Extras und Beigaben waren nur bei geringfügigem Wert erlaubt.
Bereits 1994 war ein Anlauf unternommen worden, das Rabattgesetz zu ändern. Das Vorhaben scheiterte allerdings am Widerstand des Einzelhandels. Vor fünf Jahren wurden Rabattgesetz und Zugabeverordnung schließlich auf Initiative des Wirtschafts- und Justizministeriums außer Kraft gesetzt. Dadurch wurde mehr Freiheit bei der Preisgestaltung und mehr Wettbewerb geschaffen.
Konkreter Anlass für die Reform war die zuvor verabschiedete EU-Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr. Ausländische, über das Internet in Deutschland agierende Anbieter von Waren und Dienstleistungen unterlagen danach den rechtlichen Anforderungen, die für sie nach dem Recht ihres Herkunftslandes maßgeblich waren. Infolge dieses so genannten Herkunftslandprinzips konnten ausländische Internet-Anbieter Rabatte in Deutschland in größerem Umfang realisieren und als Vertriebs- und Marketinginstrument einsetzen, als dies für deutsche Unternehmen möglich war. Sie waren an die restriktiven Regelungen des deutschen Rabattgesetzes gebunden und somit benachteiligt. Außerdem hatten die Verbraucher mittlerweile, insbesondere durch das Internet, weitreichende Möglichkeiten, sich über das Preis-Leistungsverhältnis von Produkten ausreichend zu informieren und Preise zu vergleichen. Die Befürchtungen, dass Händler ihre Kunden in die Irre führen könnten, waren infolgedessen obsolet geworden. Der Präsident des Deutschen Groß- und Außenhandels, Michael Fuchs, sprach bei der Neuregelung daher auch von einem "Befreiungsschlag für den überregulierten Wettbewerb in Deutschland".
In der Tat eröffnete der Wegfall der Regelungen dem Handel eine Vielzahl an Möglichkeiten: Beispielsweise konnte für ein Produkt nun mehr als nur ein Preis verlangt werden. Nicht nur infolge von Preisnachlässen durch Mengen-, Treue- oder sonstige Aktionsrabatte, sondern auch durch eine Preisdifferenzierung bei verschiedenen Kundengruppen, zum Beispiel bei Stammkunden, Kundenkarteninhabern oder Arbeitslosen, galten nunmehr unterschiedliche Preise. Möglich wurde auch die Ausgabe von Kundenkarten oder Gutscheinen aller Art und Aktionen getreu dem Motto: "Nimm drei, zahl zwei".
Bestehen geblieben sind die allgemein geltenden Grenzen des "Gesetzes gegen den Unlauteren Wettbewerb". Dazu gehören Pseudorabatte und so genannte "Mondpreise". Sie bezeichnen die Ankündigung auf einen Preisnachlass von einem Preis, der nie ernstlich oder dauerhaft verlangt worden ist. Nach wie vor untersagt sind außerdem Kampfpreise, mit denen unliebsame Konkurrenten vom Markt gedrängt werden sollen sowie der Verkauf von Waren unter dem Einkaufspreis.
Zustände wie auf einem orientalischen Basar wird es also auch hierzulande nicht geben. Denn, wie das Meinungsforschungsinstitut Emnid einmal feststellte: Die Deutschen lieben zwar Rabatte - darum feilschen mögen sie aber nicht gern.