Es war eine heftige Kontroverse: Insgesamt zehn Jahre lang wurde in der indischen Politik und den Medien gestritten, ob der Pressemarkt für ausländische Direktinvestitionen geöffnet werden sollte. Die Ursache für diese intensive Auseinandersetzung liegt in der zentralen Bedeutung der Presse für die politische Identität der indischen Gesellschaft. Sie resultiert aus ihrer Rolle im antikolonialen Befreiungskampf und ihrem daraus entstandenem Status als "nationales" Medium.
Im Februar 2002 stand ein Gesetzesvorstoß der damaligen Regierung unter Führung der Indischen Volkspartei BJP zur Abstimmung. Damit sollten ausländische Direktinvestitionen im indischen Pressesektor grundsätzlich möglich gemacht werden. Monatelang lief deswegen eine aufreibende Dis-kussion mit intensiver politischer Lobbyarbeit von Befürwortern wie Gegnern des Foreign Direct Investment (FDI). Zu den Widersachern zählten auf wirtschaftlicher Ebene die mächtigsten Presseunternehmen des Landes, insbesondere die Times-of-India-Gruppe aus Bombay, die Hindu-Gruppe aus dem Bundesstaat Tamil Nadu und die Eenadu-Gruppe aus dem Bundesstaat Andhra Pradesh. Auch wenn ihre Befürchtungen in erster Linie möglichen Gewinneinbußen und einer Schwächung ihrer Marktposition galten, stellten sie vor allem in den Leitartikeln ihrer Zeitungen die Frage ausländischer Direktinvestitionen als ein für Indien höchst bedrohliches Informations- und Kulturkriegsszenario dar. Nicht nur von einem "kulturellen Imperialismus" der ehemaligen Kolonialmächte war darin zu lesen, sondern auch von einer Bedrohung "der Souveränität Indiens" und einem "neuen Kolonialismus".
Unter den Opponenten befanden sich auch zahlreiche Persönlichkeiten des indischen Geisteslebens. Ihren Widerstand gegen die "feindliche Übernahme" der indischen Presse begründeten sie zum einen mit einer grundsätzlichen Kritik an der Globalisierung und zum anderen mit der historisch gewachsenen Bedeutung der Presse für die indische Nation. Bereits Mitte der 90er-Jahre hatte etwa V.R. Krishna Iyer, dessen Artikel regelmäßig in Zeitungen und renommierten Zeitschriften veröffentlicht werden, dagegen gewettert, dass "ausländische Printmedien mit Hilfe ihrer High-Tech-Macht und ihrer propagandistischen Stärke" in Indien einfielen, um die "kulturelle Eroberung Indiens durch den Westen" zu vollenden. Dadurch würden indische Politiker letztlich die "ökonomische Rekolonisierung" des Landes in Kauf nehmen.
Ähnliche Töne waren auch auf der politischen Ebene zu vernehmen, wo das Oppositionsbündnis neben Schwergewichten wie der Kongresspartei auch die bedeutendste indische Interessenvertretung der Zeitungsindustrie, die Indian Newspaper Society, den indischen Presserat und gesamtindische Gewerkschaftsverbände umfasst. Der Kongress, bis zum Regierungswechsel 2004 größte Oppositionspartei, warnte von einem Ausverkauf "nationaler Interessen". Sein Sprecher Anand Sharma verwies darauf, dass man in der Frage ausländischer Direktinvestitionen unverändert zur Position der 50er-Jahre stehe. Bereits wenige Jahre nach der Unabhängigkeit Indiens hatte die erste Pressekommission Indiens 1954 nachdrück-lich vor einem Eintritt ausländischer Akteure in den indischen Printmediensektor gewarnt, was sich 1955 in einem gesetzlichen Verbot des FDI niederschlug. Die Gegner der Direktinvestitionen hatten Erfolg - vorerst: Der Gesetzesvorstoß der Regierung unter Führung der BJP scheiterte bei der Abstimmung in einem Parlamentsausschuss im Februar 2002.
Das mutet überraschend an, schließlich war die Kongresspartei von 2002 längst nicht mehr die Partei der antikolonialen Befreiungskämpfer, die wie Jawaharlal Nehru für eine weitgehende Eigenständigkeit ihres Landes eintraten und damit auch die wirtschaftliche Abschottung Indiens gegenüber den ehemaligen Kolonialmächten begründeten. Spätestens seit den Reformen Anfang der 90er-Jahre stand die Partei eher für die ökonomische Liberalisierung des Landes. Und gerade im Medienbereich war sie es, die bereits in den 80er-Jahren das staatliche indische Fernsehen für ausländische Werbung und Sponsoren geöffnet hatte. Wie erklärt sich vor diesem Hintergrund die heftige Reaktion auf die Bestrebungen, die indische Presse für ausländische Direktinvestitionen zu öffnen? Die Antwort liegt in ihrer historischen Bedeutung und ihrer Verankerung als "nationales" Medium im kollektiven Gedächtnis. National also nicht nur hinsichtlich ihrer geografischen Reichweite, sondern vor allem im Sinne ihrer Schlüsselfunktion für die Entwicklung einer antikolonial begründeten Öffentlichkeit.
Die indische Presse ist zunächst ein Produkt der Reformbewegungen des 19. Jahrhunderts, wesentlich stärker aber noch des Kampfes um nationale Selbstbestimmung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Den führenden Köpfen dieser unterschiedlichen Bewegungen ist gemeinsam, dass sie auch als Pioniere des indischen Journalismus gelten. Namen wie Ram Mohan Roy, Jawaharlal Nehru und insbesondere Mahatma Gandhi sind nicht nur mit der politischen Geschichte des Landes, sondern auch der des indischen Journalismus verwoben.
Die Haltung der britischen Kolonialmacht gegenüber der indischen Presse war von Anfang an durch tiefes Misstrauen und das ständige Bemühen geprägt, sie zu kontrollieren. In den Jahren nach der großen Revolte von 1857 verstärkte sich diese Tendenz deutlich, und das 1878 verkündete Pressegesetz, der "Vernacular Press Act", leitete insbesondere gegenüber den regionalsprachigen Publikationen einen rigiden Kurs ein. Trotzdem nahm die Zahl neuer Publikationen, die ein Forum für den entstehenden indischen Nationalismus boten, stetig zu.
Mit besonderer Härte ging die britische Regierung gegen den Anfang des 20. Jahrhunderts aufkommenden "revolutionären" Journalismus vor, der aus der Bewegung gegen die erste Teilung Bengalens im Jahr 1905 hervorgegangen war. In den Folgejahren war es deswegen vor allem die gemäßigt nationalistische, englischsprachige Presse, die ihre Position behaupten konnte. Sie verfügte wiederum über enge Verbindungen zur 1885 in Bombay gegründeten Kongresspartei: Viele der führenden Persönlichkeiten dieser Bewegung waren zugleich als Herausgeber von Zeitungen oder als Journalisten tätig. Wegen ihrer hohen Qualität konnte sich diese gemäßigt nationalistische, englischsprachige Presse zunehmend als Alternative zu den anglo-indischen Publikationen in britischem Besitz etablieren und ihren Wirkungsradius beträchtlich ausweiten.
Dennoch war es im Vorfeld des Unabhängigkeitskampfes vor allem Mahatma Gandhi, der mit seinem "erzieherischen Journalismus" ganz neue Maßstäbe setzte und zu einer beispiellosen Popularisierung des Mediums Presse in Indien beitrug. In seinen mehrsprachigen Zeitschriften deckte Gandhi ein weites Themenspektrum ab: Fragen der Ernährung waren dabei genauso wichtig wie etwa die Einheit von Hindus und Muslimen oder die Forderung nach einem Mindestalter für die Verheiratung von Jugendlichen. Er wurde so zum Vorbild für eine neue Generation indischer Journalisten, die eine radikalere Alternative zur gemäßigt nationalistischen Presse suchten.
Die Ausweitung des indischen Pressesektors in dieser Zeit ist neben der gestiegenen Politisierung der Gesellschaft auch auf die Existenz einer einheimischen Unternehmerschicht zurückzuführen, die durch ihre Zusammenarbeit mit der Kolonialregierung und ausländischen Unternehmen zum Teil beträchtliche Gewinne erwirtschaftet hatte. Großindustrielle und Wirtschaftsmagnaten wie G.D. Birla oder Ramnath Goenka, die zuvor in so unterschiedliche Industriezweige wie die Juteproduktion, den Flugzeugbau oder die Agrarindustrie investiert hatten, begannen sich nun aus Prestigegründen und ökonomischen Erwägungen für die "nationale" Presse zu interessieren.
Vor diesem historischen Hintergrund herrscht zum einen bis heute die Idealvorstellung einer unkorrumpierbaren und politikfokussierten indischen Presse vor, an der der nachkoloniale Journalismus immer wieder gemessen wird. Gerade das Erstarken eines primär absatzorientierten Journalismus hat bei vielen indischen Medienkritikern zu einer nostalgischen Überhöhung der Vergangenheit und der pessimistischen Einschätzung geführt, dass der indische Journalismus inzwischen "seine Seele verloren" habe. Zum anderen erklärt sich daraus die neuere Forderung nach einer verstärkten Regulierung der indischen Presse durch den Staat. Denn wenn man einem Medium wie der Presse eine so zentrale Rolle für die Vermittlung der nationalen Identität zuschreibt, würde der Verlust staatlicher Kontrollmacht zugunsten privatwirtschaftlicher Unternehmen aus dem Ausland tatsächlich einer "Entmachtung" des Staates durch die Medienglobalisierung gleichkommen, wie die Medienwissenschaftlerin Ien Ang feststellt.
Letztendlich wurden Direktinvestitionen in die indische Presse doch erlaubt - allerdings mit Einschränkungen. Im Neuentwurf des Gesetzes zur Regelung des FDI, den die BJP-geführte Regierung Ende Juni 2002 durchsetzen konnte, wurde festgelegt, dass lediglich bis zu 26 Prozent an Publikationen aus dem Bereich "Nachrichten und aktuelle Angelegenheiten", wozu auch Wirtschaftsnachrichten zählen, von ausländischen Unternehmen übernommen werden können. Im Bereich der "non-news and non-current affairs", wozu etwa technische oder medizinische Zeitschriften gezählt werden, sind dagegen bis zu 74 für ausländische Direktinvestitionen freigegeben. Alle Schlüsselfunktionen der Unternehmen müssen ferner von ortsansässigen Indern ausgeübt werden. In einer Ergänzung wurde im Juni 2005 schließlich auch der erlaubte Anteil eingekaufter Nachrichteninhalte von 7,5 auf 20 Prozent erhöht.
Die analoge Neuregelung für den Bereich Fernsehen fiel noch restriktiver aus. So musste Rupert Murdoch für den zu seinem globalen Medienimperium gehörenden und in Indien sehr erfolgreichen Satellitennachrichtensender Star News binnen kürzester Zeit ein indisches Partnerunternehmen für die Übernahme der Mehrheitsanteile finden. Die geeignetsten Bewerber fand er ausgerechnet unter den größten indischen Pressehäusern. Im Oktober 2003 entschied sich Murdoch, 74 Prozent der Anteile an Aveek Sarkar, den Inhaber der westbengalischen Pressegruppe Anand Bazar Patrika, zu verkaufen. Eine gewisse Ironie liegt in der Tatsache, dass sich die einstigen Gegner ausländischer Direktbeteiligungen mittlerweile selbst nach Partnerunternehmen in Großbritannien, Australien oder den USA umsehen.
Auf der anderen Seite ist in den vier Jahren seit der Öffnung festzustellen, dass zwar viel über "tie-ups" und Kooperationen spekuliert wird, die tatsächlichen "Murdochs" der indischen Presselandschaft aber keinesfalls eine nur von außen drohende Gefahr zu sein scheinen. Die indische Presse hat vielmehr längst ihre eigenen Medienbarone hervorgebracht, wie etwa Samir Jain von der Times of India-Gruppe oder Ramoji Rao von der Eenadu-Gruppe. Deren Position ist bislang unangefochten.
Nadja-Christina Schneider ist Südasienhistorikerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum Moderner Orient in Berlin.