Es ist ein Verdienst der Nachkriegsgenerationen, die Aufarbeitung des deutschen Faschismus in den Mittelpunkt der gesellschaftlichen Auseinandersetzung gestellt zu haben. Für patriotische Gefühle war hier nicht viel Raum. Die deutsche Teilung und die neuerliche Aufgabe der Bewältigung des SED-Unrechts haben es nicht leichter gemacht, eine nationale Identität zu entwickeln. Die Begriffe Patriotismus, Vaterlandsliebe und Heimat wurden in der Vergangenheit so vielfältig missbraucht, dass ich meine Zweifel habe, ob wir wirklich eine neue Patriotismus-Debatte in Deutschland brauchen. Welches der drängenden deutschen Probleme soll dadurch gelöst werden?
Mir sind Begriffe wie gemeinsame Werte und Zusammenhalt näher, sie passen besser in ein modernes Deutschland. Für den Zusammenhalt in unserer konfliktträchtigen Einwanderungsgesellschaft brauchen wir neben dem selbstverständlichen Bekenntnis zum Grundgesetz auch gemeinsame Symbole und Feste. Dazu gehören die Deutschlandfahne, die Nationalhymne und der Tag der Deutschen Einheit. Gemeinsame Werte entwickeln sich immer neu, zwischen den Regionen, zwischen den Generationen und zwischen den Eingewanderten und Herkunftsdeutschen.
Es ist viel darüber geschrieben worden, ob mit den Deutschlandfahnen zur Fußball-Weltmeisterschaft 2006 ein neuer Patriotismus ausgebrochen ist. Mir hat dieser unbefangene Umgang mit der Deutschlandfahne Spaß gemacht. Wir haben Deutschland gefeiert, gemeinsam mit anderen, nicht ausgrenzend, nicht überheblich. Deutschland spielt im Mittelfeld Europa. Wir sind nicht besser und nicht schlechter als andere. Ich bin manchmal gerne Deutsche und manchmal nicht und das finde ich ganz normal.
Die Autorin ist innenpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen.