Für manche ist er der Inbegriff für die Arroganz der Manager. Josef Ackermann ist wohl einer der umstrittensten Unternehmenslenker Deutschlands. International gilt er zwar als geachteter Banker, in Deutschland aber hat der gebürtige Schweizer, der seit Mai 2002 an der Spitze der traditionsreichen Deutschen Bank steht, in den vergangenen Jahren viel Sympathie eingebüßt. Dazu beigetragen hat vieles - auch, dass Ackermann zu den Topverdienern hierzulande zählt.
Gerade erst bezifferte er sein Gehalt als Chef der Deutschen Bank auf knapp zwölf Millionen Euro jährlich, zusammen mit weiteren Einnahmen wie Vergütungen für Aufsichtsratsmandate komme er auf 15 bis 20 Millionen Euro, sagte Ackermann Ende Oktober vor dem Landgericht Düsseldorf. Für viele Deutsche eine unvorstellbare Summe. Auch wenn von der Höhe seines Gehaltes nicht sein persönliches Glück abhängt, wie er schon mal in kleiner Runde betont: Für Ackermann ist es der gerechte Lohn für einen Topjob. Im internationalen Vergleich fühlt er sich nicht einmal überbezahlt. Und das ist es, was für ihn zählt: der globale Maßstab. Auch privat pendelt er zwischen Frankfurt, Zürich, London und New York.
Die Deutsche Bank, die "Deutsch" sogar im Namen führt, steht seit Jahrzehnten für Deutschland. Doch zusammen mit ihrem Chef hat sie sich in den vergangenen Jahren weit von ihrer Heimat entfernt. Ackermann hat die Bank - heute immerhin das einzige Geldinstitut von internationaler Bedeutung mit Sitz in Deutschland - konsequent auf Internationalität getrimmt. Ende der 90er-Jahre erwirtschaftete die Deutsche Bank etwa 20 Prozent ihrer Erträge im Ausland, heute sind es gut 70 Prozent. Diese Tendenz hält an. Die hohen Gewinne sind nicht mehr in Deutschland zu erwirtschaften - hier herrscht zu starker Wettbewerb unter den Banken.
In Indien etwa ist die Deutsche Bank eines der größten ausländischen Geldhäuser. Auch in China ist sie aktiv, Ackermann zählt zu den Beratern des Bürgermeisters von Shanghai. In Russland ist die Bank aus Frankfurt am Main in den Kreis der wichtigsten Kreditinstitute aufgestiegen und im internationalen Investment-Banking misst sich die Deutsche Bank ohnehin mit den Größten. In Deutschland aber ist das Institut nur eines von vielen. Der Marktanteil im Privatkundengeschäft liegt bei nur wenigen Prozent.
Die neben dem Vorstand wichtigsten Manager des Geldhauses sitzen nicht mehr in den Türmen in Frankfurt, sondern in London und New York. Es sind die Investmentbanker und diejenigen, die das Wertpapiergeschäft steuern, die zunehmend Einfluss gewonnen haben und hohe Gewinne für den Konzern erwirtschaften. Manche sagen, das wahre Machtzentrum des Unternehmens ist inzwischen an der Themse. Es sind Leute wie der 43-jährige gebürtige Inder Anshu Jain, die den Takt vorgeben. Der Topmanager, der kein Deutsch spricht, wird schon als möglicher Nachfolger von Ackermann gehandelt.
Und Deutschland? Der Heimatmarkt spielt mehr und mehr eine untergeordnete Rolle. Ackermanns Vorgänger Rolf Breuer war noch eine der bestimmenden Persönlichkeiten hierzulande, war ein Sinnbild für den rheinischen Kapitalismus, dessen Herzstück die Deutsche Bank immer war. Breuer fungierte auch als Präsident des Bundesverbandes der deutschen Banken - ein prestigeträchtiges Amt. Seine Nachfolge an der Spitze des Branchenverbands trat Klaus-Peter Müller von der Commerzbank an - und nicht Ackermann. Breuer musste schließlich im Frühjahr seinen Posten als Chef des Aufsichtsrats räumen.
Ackermann setzt andere Prioritäten als seine Vorgänger Breuer und Hilmar Kopper. Wichtig ist ihm die internationale Expansion und die Steigerung der Gewinne, das Erreichen einer Rendite vor Abzug der Steuern von 25 Prozent. Dem wird alles untergeordnet, auch mögliches Prestigedenken in Deutschland. "Wir wollen global mitspielen und müssen uns an diese Spielregeln halten", sagt der Bankchef. Wichtige Investorenkonferenzen finden in London statt, nicht in Frankfurt. Ackermann selbst ist einen Großteil seiner Arbeitszeit im Ausland unterwegs und nur selten in seinem Büro im 32. Stock der Deutschen Bank in Frankfurt. Schrittweise trennte sich die Bank in den letzten Jahren von den vielfältigen Beteiligungen in Deutschland, etwa an der Allianz, an der Münchener Rück, an DaimlerChrysler. So trug Ackermann dazu bei, dass sich die Deutschland AG - die starke Verflechtung deutscher Banken und Konzerne durch Aktienbesitz und Sitze in Aufsichtsräten - schneller auflöste als vielen lieb war.
Der Erfolg scheint dem neuen Chef Recht zu geben. Zweimal hintereinander wurde die Deutsche Bank von einer international renommierten Fachzeitschrift zur Bank des Jahres gekürt. Bis 2008 plant die Bank einen Gewinn von mehr als acht Milliarden Euro, vor fünf Jahren steckte sie noch in einer Krise. In Deutschland aber hadern die Menschen mit der Bank und ihrem Chef. Dazu hat vor allem der Prozess beigetragen, der seit Ende Oktober erneut vor dem Landgericht Düsseldorf verhandelt wird.
Auf der Anklagebank sitzt zusammen mit fünf weiteren Managern Josef Ackermann. Sie alle sind wegen hoher Bonuszahlungen an den Mannesmann-Vorstand im Zusammenhang mit der Übernahme durch den Vodafone-Konzern der Untreue angeklagt. Der Deutsche-Bank-Chef ist sich keiner Schuld bewusst, will aber zurücktreten, sollte er rechtskräftig verurteilt werden. Das würde den Konzern nach Einschätzung von Wirtschaftsprofessor Wolfgang Gerke hart treffen - es würde zu noch härteren "Auseinandersetzungen der Kulturen" kommen.
"Deutschland ist das einzige Land, in dem diejenigen, die Wert schafften, auch noch bestraft werden", polterte Ackermann beim ersten Prozess. Damals posierte er auch noch mit zum Victory-Zeichen erhobenen Fingern im Gerichtssaal. Empörung war die Folge, das Verhältnis der Deutschen zu ihrer Deutschen Bank wurde immer schlechter. Schon zuvor hatte Ackermann in einem Atemzug Milliardengewinne und einen deutlichen Arbeitsplatzabbau verkündet. In einer Image-Rangliste der Unternehmensführer rangiert Ackermann folgerichtig ganz am Schluss. Auch die Affäre um die Schließung eines milliardenschweren Immobilienfonds belastete das Klima. Das Image litt und litt.
Da hilft auch wenig, dass Ackermann und die Deutsche Bank in den vergangenen Monaten vorsichtig umgeschwenkt sind. Offenbar litt schon das Geschäft in Deutschland. "Das Image ist noch immer im roten Bereich", meint ein Banker der Konkurrenz aus Frankfurt. Trotzdem investiert der Marktführer in Deutschland 1,2 Milliarden Euro und übernahm erst die Berliner Bank und dann die Norisbank. Zudem beteiligte sich Ackermann an der Deutschen Börse, um sie im weltweiten Übernahmepoker zu stützen. Auch zeigt sich der Schweizer, der angeblich einen guten Kontakt zu Kanzlerin Angela Merkel hat, immer öfter in der Öffentlichkeit.
Das jüngste Signal: In der Auseinandersetzung um den Flugzeug- und Rüstungskonzern EADS, zu dem auch Airbus gehört, ist inzwischen sogar denkbar, dass sich die Deutsche Bank beteiligt. Sie könnte nach einem möglichen Ausstieg von DaimlerChrysler im Konzern ein Gegengewicht gegen die Franzosen bilden. Das würde zwar dem strikten Renditedenken Ackermanns widersprechen. Aber die Deutsche Bank würde ein starkes Bekenntnis zum Standort Deutschland abgeben - stark wie lange nicht mehr.
Der Autor ist Redakteur im Wirtschaftsressort der "Süddeutschen Zeitung".