Parteipolitik macht Spaß und man kann etwas bewegen." Als Kerstin Griese (SPD) das sagte, guckten die Schüler und Schülerinnen im Publikum sie nur skeptisch an. Die Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hatte als einzige Politikerin bei der Tagung "Politik-, partei- oder gar nicht verdrossen? Jugendliche und politisches Engagement" der Friedrich-Ebert-Stiftung am 4. Dezember keinen leichten Stand.
"Sie gehen von einer völlig falschen Prämisse aus: Politik muss nicht immer Partei sein", konterte Gregor Scheppan, Geschäftsführer der Politikfabrik e.V., einer studentischen Agentur für politische Kommunikation, auf Grieses Aussage und erntete Applaus und Gelächter vom Publikum. Zusammen mit dem Vorsitzenden des Bundesjugendrings, Detlef Raabe, und Dr. Wolfgang Gaiser vom Deutschen Jugendinstitut München diskutierte er mit Griese über das politische Interesse und Engagement Jugendlicher. Vorher hatten Wissenschaftler den Teilnehmern die Ergebnisse dreier Studien zu Jugend und Politik vorgestellt. Alle kamen zu dem Ergebnis, dass Jugendliche Politik zwar für ein wichtiges Thema halten, sich jedoch sehr wenig engagieren und Parteien kritisch gegenüber stehen. "Die Jugend hat mehr Vertrauen in Unternehmerverbände als in Parteien", lautete das Fazit von Dr. Gudrun Quenzel von der Universität Duisburg-Essen, die die 15. Shell-Jugendstudie präsentierte. Im EU-Vergleich sei die deutsche Jugend politisch sehr interessiert, sagte Sabine Westphal, Projektkoordinatorin von EUYOUPART, einer europäischen Studie über politisches Engagement von Jugendlichen. "Die Mitarbeit in Nichtregierungsorganisationen wird aber als am effektivsten gesehen." Mehr kürzere, nicht an eine Mitgliedschaft gebundene Aktionen müssten Parteien anbieten, um für Jugendliche attraktiver zu werden, so David Dravenau von der Universität Münster.
"Im Wesentlichen fühle ich mich durch die Studien schon repräsentiert", sagte Jael Szajak (18), die mit ihrem Politik-Grundkurs des Gymnasiums der Königin-Luise-Stiftung aus Berlin-Dahlem gekommen war. Kurze graue Anzughose, schwarze Stiefel, die Beine übereinander geschlagen, ein kritischer Gesichtsausdruck - die Zwölftklässlerin fiel unter den Teilnehmern auf; nicht nur, weil sie sich mit wenigen anderen in die erste Reihe gesetzt hatte. Mit klarer Stimme vertrat sie ihre Meinung, die viele im Raum teilten. In einer Partei engagiere sie sich nicht. Sie glaube auch nicht, dass sich das bald ändern werde. Politisch aktiv sei sie trotzdem. "Ich habe mit der Zionistischen Jugend in Deutschland vor einiger Zeit an einer Demonstration gegen Al-Qaida teilgenommen. Wenn das nicht politisch aktiv ist, was dann?"
Ein Punkt, den sie bemängelte, war die fehlende Information. "Man redet zwar immer davon, dass Parteien Jugendorganisationen haben, aber in der Schule habe ich die noch nie gesehen", so Szajak. Auch konnten sich viele Teilnehmer nicht vorstellen, was sie in einer Partei bewirken könnten. "Was macht man denn da eigentlich?", war eine häufige Frage. In einer zweiten Diskussionsrunde mit jungen Vertretern von SPD, Gewerkschaftsbund und Schülerprojekten erhielten sie davon einen Eindruck, erfuhren auch, wo die Grenzen kleiner Projekte, aber auch großer Gruppen mit unterschiedlich denkenden Mitgliedern liegen.
Szajak zog für sich ein positives Fazit. Sie habe nicht nur von verschiedenen Initiativen erstmals gehört, sondern durch die Tagung den Eindruck gewonnen, "dass man als Jugendlicher auch gehört wird". Und noch etwas hat sich für sie ergeben: Kerstin Griese lud sie zusammen mit vier Mitschülerinnen ein, sie einen Tag im Bundestag zu begleiten und ihre Arbeit kennen zu lernen. "Das werde ich auf jeden Fall wahrnehmen."