Umweltmanagement
Die großen Reiseveranstalter werben mit ökologisch vertretbaren Angeboten. Ihren Kunden wollen sie dafür aber ungern an den Geldbeutel.
Die Zeiten, als deutsche Urlauber alljährlich mit der Bahn ins bayerische Garmisch-Patenkirchen fuhren und dort zwei Wochen Wanderurlaub machten, sind längst vorbei. Heute jetten die, die es sich leisten können, um die Welt: Am Wochenende nach Mailand, Sommer Bali, Mongolei oder Samoa. Jedes Ziel scheint leicht erreichbar - und durch viele Billig-Airlines und All-inclusive-Angebote für viele auch erschwinglich.
Die globale Reisefreudigkeit schafft jedoch neue Probleme: Nach Angaben von atmosfair, einer gemeinnützigen Initiative, die als Ausgleich für die durch die Flüge entstandenen Klimagase gegen eine Gebühr Projekte in Entwicklungsländern finanziert, ist die Flugemission vermutlich zu rund zehn Prozent für die globale Erwärmung verantwortlich. Die Folgen davon sind unter anderem bei ozeanischen Inselstaaten wie Tuvalu und Kiribati zu sehen, die durch den ansteigenden Meeresspiegel jedes Jahr ein Stück mehr ihrer Landfläche verlieren.
In Zeiten alarmierender Klimaprognosen müssen sich die Reiseveranstalter ihrer Verantwortung stellen. Neben kleinen Anbietern umweltverträglicher Individualreisen widmen sich auch große Reiseveranstalter wie zum Beispiel der Tui-Konzern zunehmend dem Thema nachhaltiger Tourismus. Der Konzern hat sich verpflichtet, nur mit Firmen zusammenzuarbeiten, die die selbst erklärten Umweltkriterien einhalten - das gilt für einzelne Reisebüros, für Veranstalter vor Ort oder rund 300 Hotels. "Im österreichischen Robinson Club Amadé gewinnen wir die Heiz-Energie zum Beispiel aus einem extra dafür gebauten Kohlendioxid-neutralen Biomasseheizwerk, von dem der gesamte Ort profitiert", sagt Wolf Michael Iwand. Er leitet seit 17 Jahren die Tui-Abteilung "Umweltmanagement". Der Konzern sieht sich als Vorreiter im Bereich ökologischer und sozialverträglicher Tourismus - auch in Entwicklungsländern wie Kenia.
"So sehr manche über die großen Reiseveranstalter schimpfen mögen, sie schaffen in den Entwicklungsländern mehr Arbeitsplätze als die Anbieter von Individualreisen", sagt Klaus Lengefeld von der Deutschen Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ). "Sie tragen dadurch eher zur Armutsminderung bei - und leisten einen wichtigen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung des Landes." Lengefeld untersuchte in einer GTZ-Studie acht All-inclusive-Ferienanlagen in Jamaika, Nicaragua und der Dominikanische Republik.
Fachstellen wie TourismWatch kritisieren den einseitigen Blickwinkel dieser Studie, auch innerhalb der GTZ soll sie stark diskutiert worden sein. Die wenigsten kleinen und als nachhaltig angesehenen Projekte des Ökotourismus seien wirklich profitabel, hat Lengefeld festgestellt. "Es gibt da einen Widerspruch: Um ökologische und kulturelle Beeinträchtigungen zu minimieren, sollen nicht zu viele Touristen an einen Ort kommen, ökonomisch betrachtet muss es aber ein gewisses Mindestmaß geben, damit es sich auch lohnt."
Online-Reiseanbieter wie Expedia haben keinen nachhaltig ausgelegten Kriterienkatalog wie der Tui-Konzern. Auf der diesjährigen Internationalen Tourismusbörse (ITB) verkündeten sie allerdings, dass sie sich fortan - gemeinsam mit den anderen Mitgliedern des Verbands Internetreisevertrieb, zu dem auch die Firmen travel24 und Opodo zählen - am atmosfair-Projekt beteiligen. Jeder, der heute einen Flug über Expedia bucht, wird am Ende der Bestellung gefragt, ob er den errechneten Beitrag für den Klimaausgleich zahlen will. Bei einem Hin- und Rückflug von Berlin ins südafrikanische Johannesburg etwa kommen pro Person 131 Euro zusammen. "Zuviel für die meisten unserer Kunden", sagt Iwand von der Tui, "insbesondere, weil bei uns viele Familien buchen." Deshalb beteiligt sich der Konzern nicht aktiv am atmosfair-Projekt, obwohl er es durchaus interessant findet. Außerdem herrsche in Deutschland immer noch die Schnäppchenkultur. "Und sollten Kunden durch eine Abgabe wie atmosfair von der Reise nach Thailand absehen, verursacht das für die Menschen vor Ort einen größeren sozialen Schaden", sagt Iwand.
Selbst wenn sich alle Deutschen an nachhaltigen Reise-Projekten beteiligen würden, bleibt ein weiteres großes Problem bestehen: die kommenden Boomstaaten. "Wenn der Wohlstand in Ländern wie Indien und China weiter zunimmt, werden auch deren Einwohner verstärkt um die Welt reisen", sagt Edgar Göll vom Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung (IZT). Der Soziologe beschäftigt sich mit nachhaltiger Entwicklung und weist auf massive Wirkungen hin: Schließlich leben in Indien und China rund 2,3 Milliarden Menschen - mehr als ein Drittel der Weltbevölkerung. "Nachhaltigkeit bedeutet auch immer, sich den indirekten und zukünftigen Folgen des Reisebooms zu stellen", sagt der IZT-Forscher. Je mehr über das Thema gesprochen werde, desto größer werde das Bewusstsein für die Probleme.