REISEPLANUNG
Obwohl immer mehr Menschen den Urlaub im Internet buchen, fürchten Reisebüros nicht um ihre Kunden. Sie spezialisieren sich.
Die Deutschen sind ein reiselustiges Volk. Ob im Sommer oder im Winter - Ferienzeit ist Reisezeit. Doch so eine Reise will geplant, will organisiert sein. Bis weit in die 1990er-Jahre hinein fand diese Planung in einem Reisebüro statt. Erst Katalog wälzen, dann unter tatkräftiger Hilfe der Mitarbeiter dieses mit jenem vergleichen und schlussendlich buchen. So war es, bis das Internet Einzug hielt in deutsche Haushalte. Jetzt kann auch am heimischen Schreibtisch gesucht, verglichen und gebucht werden. Ist damit das Ende des klassischen Reisebüros eingeleitet?
Mit einem deutlichen "Nein!" beantwortet der Deutsche Reiseverband (DRV), Deutschlands größter Interessenvertreter von Reisebüros und Reiseveranstaltern, diese Frage. Trotz der Konkurrenz des Internets und dem Einstieg von Supermärkten in den Reisemarkt hätten Reisebüros im Jahr 2006 ihren Umsatz weiter gesteigert. Das, so heißt es beim DRV, zeige die ungebrochen starke Nachfrage nach kompetenter Beratung bei der Reiseplanung. "Viele Leute", so Torsten Schäfer vom DRV, "sind entnervt von der aufwendigen und nicht immer ergiebigen Internetsuche." Das gelte für alle Generationen. Mehr denn je sei daher Beratung gefragt. Beratung, die es nach Ansicht Schäfers nur im Reisebüro gibt. Auch DRV-Präsident Klaus Laepple glaubt nicht an das immer wieder mal prognostizierte Reisebüro-Sterben. Deutschland habe schließlich mit über 12.000 Filialen die größte Reisebürodichte der Welt. Auch in zehn Jahren, so meint er, wird es das klassische Reisebüro geben. "Es wird dann sicher mehr moderne Technik haben, um den Kunden maßgeschneiderte Produkte bieten zu können. Die Menschen wollen weiterhin persönliche Beratung. Es wird ja immer behauptet, die Kunden wüssten genau, was sie wollten, aber das stimmt normalerweise nicht", sagt Laepple. Ganz ohne Internet gehe es auch jetzt schon nicht - es gebe kaum ein Reisebüro, dass neben dem stationären Betrieb nicht auch noch eine Internetrepräsentanz hat, so der DRV-Präsident.
Bei einem ganz großen der Reisebranche, der Tui, glaubt man ebenfalls an eine Renaissance der Reisebüros. Der undurchsichtige Angebotsdschungel im Internet, sagt Michael Röll, schrecke viele Reiselustige ab und führe sie doch wieder in Reisebüros mit fachkundigen Mitarbeitern. Die Tui setze auf ein Wachstum im Filialbereich, suche verstärkt Franchise-Partner und werde in den kommenden Jahren in den Filialausbau investieren. Auf ein gutes Internetangebot lege man aber trotzdem wert - eher als Ergänzung allerdings. Den Löwenanteil seiner Reisen, nämlich 85 Prozent, setzt die Tui über stationäre Büros ab. Das zeige, so Röll: "Die Deutschen sind nach wie vor treue Kunden des Reisebüros."
Sportlich nimmt man den Wettbewerb mit den Reisebüros bei Expedia.de, dem weltweit größten Online-Reiseanbieter. "Konkurrenz belebt das Geschäft", sagt Alexa Paeschke. Man sei gut aufgestellt, entwickle sich immer weiter und gewinne immer mehr zufriedene Kunden. Die Arbeit stationärer Reisebüros sehe man daher "ganz entspannt". Die Vorteile der Online-Buchung liegen für Paeschke klar auf der Hand: Völlige Preis- und Angebots-Transparenz, Vergleichbarkeit, multimediale Darstellung, Interaktivität, effizientere Preisgestaltung, ständige Erreichbarkeit und nicht zuletzt die Bequemlichkeit, die eigene Traumreise jederzeit vom heimischen Sofa aus buchen zu können.
Doch auch sie glaubt an eine Zukunft der klassischen Reisebüros. "Reisebüros, die mit ausgezeichnet ausgebildeten Mitarbeitern ihre Kunden beraten oder als Spezialanbieter fungieren, brauchen den Wettbewerb des Internets nicht zu fürchten", prognostiziert sie. Bei Reise-Standardleistungen hingegen können ihrer Ansicht nach stationäre Reisebüros dem Kunden kaum noch einen Mehrwert bieten.
Eine andere Taktik im Kampf gegen das Internet verfolgt das Reisebüro "Lernidee-Erlebnisreisen" in Berlin-Schöneberg: Als Spezialanbieter für Bahnreisen der besonderen Art hat sich das Büro eine eigene Nische geschaffen. Angefangen hat die Erfolgsgeschichte mit einem Russischkurs in der Transsibirischen Eisenbahn. Die Idee, die russische Sprache dort zu lernen, wo man sie spricht, und dabei das Riesenland per Bahn kennen zu lernen, kam gut an.
Seither sind solche Reisen das Aushängeschild des Büros: von Moskau nach Peking im Linienzug oder im luxuriösen Sonderzug Zarengold. Zu Russland und der Transsibirischen Eisenbahn kamen schnell weitere interessante Ziele hinzu - vor allem im südlichen Afrika, in Lateinamerika und, derzeit besonders im Trend, Bahnreisen entlang der legendären Seidenstraße. Auch auf Schienen durch die Weiten Australiens oder mit dem Wüstenexpress durch Marokko - alles ist möglich. Mit diesen Angeboten sei man auf dem Markt gut positioniert und könne durchaus optimistisch in die Zukunft blicken, so Felix Willeke von "Lernidee-Erlebnisreisen".
Doch ob nun Spezialanbieter, Online-Reiseportal oder klassisches Reisebüro - einen Wunsch hegen alle gemeinsam: der Deutsche möge sich seine Reiselust erhalten. Wenn der Gesamtumsatz steigt, profitiert schließlich jeder davon.