Editorial
Weg, raus, Tapetenwechsel, die Seele baumeln und außerdem alle Fünfe einmal gerade sein lassen, einfach ausspannen und zumindest für einige Tage auch aussteigen aus dem Alltagstrott: Urlaub hat nicht nur sprachlich je nach Lebenssituation einen kleinen oder auch größeren Platz in unserem Leben. So sehr sich noch vor 200 Jahren kaum ein Normalbürger vorstellen konnte, lediglich zum Vergnügen oder zum Kraft tanken an einen anderen Ort, sprich in den Urlaub, zu fahren, so wenig ist ein Leben ohne Luftveränderung, ist die Welt ohne Reisen und Reisende heute vorstellbar.
Mit dem Reisen und vor allem mit dem, was mit dem Reisen einhergeht, was es bedingt, ermöglicht und bewirkt, befasst sich "Das Parlament" in dieser Ausgabe. Unsere Autoren berichten aus Italien, Island, Kambodscha; aus Nobelherbergen und von Discount-Reisen. Sie beschreiben Auswirkungen und Auswüchse des Tourismus, schildern Hintergründe, Probleme und Perspektiven und gehen den Fragen nach, wie sich der moderne Tourismus überhaupt entwickelt hat und künftig - in Zeiten steigender Rohölpreise und Meeresspiegel, in Zeiten zu reduzierender Kohlendioxidemissionen und steigendem Durchschnittsalter der Bevölkerung - weiter entwickeln wird.
Sylt oder Sonthofen, Bali, Bad Doberan oder Bangkok, New York, Nesselwang oder Neufundland: Der Mensch reist, ob nah oder fern, heute um und durch die Welt wie nie zuvor - im Jahr 2006 wurden weltweit 842 Millionen Touristenankünfte registriert; das sind 36 Millionen mehr als 2005. Allein die Deutschen, Weltmeister unter den Reisenden der Welt, machten im vergangenen Jahr fast 65 Millionen Reisen - 20 Millionen davon innerhalb Deutschlands; beliebteste Ziele: die Ostsee und die Alpen.
Um das Wegfahren hat sich mit den Jahrzehnten eine weltumspannende Industrie entwickelt. Mittlerweile ist der Tourismus weltweit einer der wichtigsten Wirtschaftsfaktoren - und die Experten bescheinigen der Branche weiteres Wachstum. In den kommenden Jahren werden immer mehr Chinesen und Inder die Welt bereisen. Ein gigantischer Markt, der sich mit immenser Geschwindigkeit entwickelt - im Reich der Mitte und dem Subkontinent leben insgesamt 2,4 Milliarden Menschen, mehr als ein Drittel der Weltbevölkerung. Die Welttourismusorganisation prognostiziert, dass im Jahr 2020 weltweit 2 Billionen US-Dollar (1,5 Billionen Euro) im internationalen Tourismus umgesetzt werden.
Tourismus hat aber nicht nur eine wirtschaftliche Seite. Francesco Frangialli, Chef der Madrider Welttourismusorganisation UNWTO, deren Hauptaufgabe es ist, die Touristenströme der Welt statistisch zu erfassen und Szenarien für die Zukunft zu entwickeln, stellt im Interview die demokratisierende Macht des Reisens heraus.
Machen wir uns also auf die Reise! Es gibt viel zu entdecken - in der Welt und in dieser Ausgabe.