Peter Ramsauer
Der Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag hält die Große Koalition für alternativlos - zurzeit jedenfalls.
Herr Dr. Ramsauer, Ende des Monats wird auf einem Parteitag der neue CSU-Chef gewählt. Welche Qualitäten muss der neue Vorsitzende haben?
Er muss in der Kontinuität von Strauß, Waigel und Stoiber bleiben. Das heißt, die CSU als die große Volkspartei aus Bayern mit bundes- und europapolitischem Anspruch zu bewahren mit einer Anziehungskraft für alle Unions-Wähler; denn außerhalb Bayerns wählen viele die CDU, weil sie wissen, in Bayern gibt es eine CSU, ohne die auf Bundesebene nichts geht.
Wer kann diese Anforderung besser erfüllen: Bundesverbraucherschutzminister Horst Seehofer oder der bayerische Wirtschaftsminister Erwin Huber?
Beide Kandidaten erfüllen in der Summe das Anforderungsprofil in gleicher Weise hervorragend. Der eine hat ausgeprägtere Stärken hier, der andere dort.
Was heißt das konkret?
Das ist in wenigen Worten schwer zu differenzieren. Deshalb sage ich bewusst: in der Summe. Ich bin überzeugt, dass beide den Anspruch der Kontinuität erfüllen können.
Wem gilt Ihre Unterstützung als Landesgruppenchef der CSU im Bundestag?
Niemand kann von mir erwarten, meine persönliche Wahlentscheidung zu veröffentlichen. Aber ich habe immer klar gemacht, dass die CSU-Landesgruppe alles daran setzen muss, dass ein Parteivorsitzender gewählt wird, der die bundespolitische Strahlkraft der CSU optimal repräsentiert.
Kann Huber, den die Umfragen vorn sehen, als Parteichef ohne ein weiteres Amt den bundespolitischen Einfluss der CSU halten?
Ich unterschreibe die These nicht, das Rennen um den Parteivorsitz sei bereits gelaufen. Im Übrigen hat Erwin Huber angekündigt, dass für den Fall, dass er gewinnt, er nach der nächsten Bundestagswahl nach Berlin wechselt.
Die nächste Bundestagswahl ist aber wahrscheinlich erst 2009.
Erwin Huber hat ja auch nie einen Hehl daraus gemacht, dass es für ihn als Parteivorsitzenden vorrangig ist, im kommenden Jahr die beiden für die CSU extrem wichtigen Wahlen in Bayern zu gestalten, nämlich die Kommunalwahlen im nächsten Frühjahr und die Landtagswahl im Herbst 2008. Beide Wahlen haben auch Auswirkungen auf die Stärke der CSU auf Bundesebene. Denn wir sind zahlenmäßig und programmatisch im Bund und auch in Europa nur so stark, wie wir in unserer Heimat verwurzelt sind.
Herr Ramsauer, warum haben Sie sich eigentlich nicht selbst auf einen der beiden Posten beworben, die aufgrund des Rückzugs von Stoiber frei werden?
Warum sollte ich? Selbstbewerbungen sind zwar nicht verboten, aber sie gehören auch nicht zum Normalfall.
In den vergangenen Tagen ist viel über die Besetzung des Postens des CSU-Generalsekretärs spekuliert worden. Wird der nächste Generalsekretär eine Frau?
Ich werde nicht der Versuchung erliegen, dem künftigen Parteichef schon vorab ins Handwerk zu pfuschen. Es ist ein originäres Recht des Parteivorsitzenden, den Generalsekretär vorzuschlagen, wenngleich es gewissermaßen zur Kleiderordnung der CSU gehört, solche wichtigen Personalien beispielsweise mit dem CSU-Fraktionschef im bayerischen Landtag und dem CSU-Landesgruppenchef vorher zu besprechen. Die Vielfalt der diskutierten Namen zeigt, dass wir hervoragendes, junges Führungspersonal haben. Für mich ist es selbstverständlich, dass die Stellenanzeige für den Generalsekretär geschlechtsneutral formuliert ist.
Ist der designierte bayerische Ministerpräsident Günther Beckstein, wie er dies selbst einmal formuliert hat, ein Mann des Übergangs?
Ehrlich gesagt war ich etwas überrascht, dass er das so formuliert hat. Wenn Günther Beckstein die kommende fünfjährige Legislaturperiode bestreitet, kann er in dann insgesamt sechs Jahren als Ministerpräsident bereits eine Ära gestalten und die politische Landschaft prägen.
Alt-Bundespräsident Roman Herzog hat kürzlich gesagt, Stoiber werde "alles tun, um nicht vergessen zu werden". Kommt Ihnen das vor wie eine Drohung?
Garantiert nicht. Ich kann alle, die sich Sorgen machen, beruhigen: Edmund Stoiber braucht, um dieses Ziel zu erreichen, überhaupt nichts zu tun. Dafür, dass er nicht vergessen wird, werden alle anderen sorgen, nicht nur seine Freunde, sondern auch seine politischen Gegner.
Sie befürchten also nicht, dass er sich ständig ins Tagesgeschäft einmischt?
Dazu ist er viel zu klug.
Die CSU tritt für ein Betreuungsgeld für daheim erziehende Eltern ein. Im Bundestag hat Bundeskanzlerin Merkel nun den Vorrang für den Krippenausbau klar gemacht. Fühlen Sie sich ausgebremst?
Ganz im Gegenteil. Ich bin der Kanzlerin für dieses Machtwort an alle Gegner eines Betreuungsgeldes innerhalb der Koalition dankbar, denn sie hat gesagt, dass diejenigen, die ihre Kinder zu Hause erziehen, ein Betreuungsgeld bekommen werden. Das ist an Klarheit nicht zu überbieten.
Sie hat aber gleichzeitig gesagt, der Ausbau der Krippenplätze habe Priorität.
Das ist kein Widerspruch. Wir haben die klare Verabredung, dass im Jahr 2013, wenn der Ausbau der außerhäuslichen Betreuung vollzogen ist, der Rechtsanspruch kommt und synchron dazu das Betreuungsgeld.
Kritiker des Betreuungsgeldes sagen, dass besonders Eltern von Kindern aus bildungsferneren Schichten den Zusatzbetrag einstreichen und damit diese Kinder erst recht benachteiligt würden. Was halten Sie dem entgegen?
Zunächst einmal, dass den ideologisch fixierten Gegnern eines Betreuungsgeldes kein Argument zu dumm und zu schäbig ist. Ich halte es für eine unerhörte Diskriminierung, jungen Eltern die Erziehungsfähigkeit für ihre Kinder abzusprechen, nur weil sie einer bestimmten sozialen Schicht angehören. Aus meiner Lebenserfahrung weiß ich, dass vielleicht in materiell schlechter gestellten Schichten Kinder mehr Zuwendung und Nestwärme erfahren als in außerordentlich wohlhabenden Schichten, die oft sogar das Problem der so genannten Wohlstandsverwahrlosung haben. Das Betreuungsgeld bedeutet die Anerkennung häuslicher Erziehungsarbeit. Nach meiner Auffassung besteht moderne Familienpolitik in der Wahlfreiheit zwischen außerhäuslicher und familiärer Betreuung.
Herr Ramsauer, mit welchen Adjektiven würden Sie das derzeitige Klima in der Großen Koalition beschreiben?
Rau, aber stabil. Es ist aber immer noch nicht so rau, wie wir uns das am Anfang der Legislaturperiode vorgestellt haben. Wir haben einige schwierige Materien vor uns - Stichwort Bahnreform, Online-Durchsuchung, Erbschaftsteuerreform. Da gehen die Ansichten zwischen Union und SPD auseinander. Aber den Fraktionsführungen, also Peter Struck für die SPD, Volker Kauder für die CDU und mir, ist es völlig klar, dass auf uns eine große Verantwortung ruht. Die parlamentarische Koalitionstriangel ist ungeheuer fest, weil sie getragen ist von einem stabilen Grundvertrauen. Im Übrigen ist der größte Kitt für die Große Koalition ihre Alternativlosigkeit zum jetzigen Zeitpunkt.
2009 nach der Bundestagswahl könnte das ganz anders aussehen. Zurzeit gibt es schon einige Treffen von Politikern unterschiedlicher Couleur. Können Sie sich vorstellen, nicht nur mit der FDP, sondern auch mit den Grünen zu koalieren?
Nein, mit den Grünen, wie sie sich heute darstellen, kann ich mir das nicht vorstellen - nicht jetzt und nicht auf absehbare Zeit. Unser Ziel ist eine bürgerliche Mehrheit, wenn die Union dies nicht allein schafft, dann mit der FDP. Deswegen ist es auch was ganz Normales, dass man durch Gespräche solche Kontakte pflegt.
Das Interview führte Monika Pilath.