HAUSHALTSDEBATTE
Koalition will sich nicht auf Lorbeeren ausruhen. Opposition fordert Entlastungen.
Die erste Hälfte der Legislaturperiode ist vollbracht - eine gute Gelegenheit, Bilanz zu ziehen. Diese fällt naturgemäß unterschiedlich aus. Während die Sprecher der Großen Koalition die Erfolge in eher prachtvollen Farben malen, sieht die Opposition mehr Schatten als Licht. Dies wurde am 12. September bei der Generaldebatte zum Haushalt 2008, der so genannten Elefantenrunde, deutlich.
"Deutschland hat wieder allen Grund zur Zuversicht", so Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Die Entwicklung der Wirtschaft, die niedrigste Arbeitslosenquote seit zwölf Jahren, höhere Steuereinnahmen und der Rückgang der Neuverschuldung zeigten, dass die Strategie der Bundesregierung "Sanieren, Investieren, Reformieren" Erfolge zeige. "Aber wir ruhen uns nicht auf unseren Lorbeeren aus", so die Bundeskanzlerin weiter. Besonders auf dem Arbeitsmarkt bleibe noch viel zu tun. "3,7 Millionen Arbeitslose sind 3,7 Millionen zuviel."
Um den Aufschwung weiter zu stärken, setze die Regierung Impulse in fünf Zukunftsbereichen. Es gehe darum, alle Bürgerinnen und Bürger an der besseren Wirtschaftsentwicklung teilhaben zu lassen und mit Investitionen die Weichen für die Zukunft zu stellen. Die Kanzlerin bekannte sich zu einer konsequenten Haushaltssanierung und lehnte Steuersenkungen ab. "900 Milliarden Euro Schulden beim Bund und 40 Milliarden Zinszahlungen jedes Jahr dafür können wir nicht hinnehmen", sagte sie. Mit der Reform der Unternehmen-steuer und einer geplanten Erbschaftsteuerreform arbeite die Regierung daran, die Wettbewerbsbedingungen weiter zu verbessern. Schlüssel zum Wohlstand seien heute mehr denn je Bildung und Ausbildung. Deshalb setze die Bundesregierung auf eine nationale Bildungsoffensive, um den Fachkräftemangel zu beseitigen. Merkel kündigte weiter an, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer stärker als bisher wirtschaftlich an den Unternehmen beteiligen zu wollen. Dazu seien neue Wege der Beteiligung am Investivkapital notwendig.
Die Vorsitzenden der Koalitionsfraktionen Volker Kauder (CDU/CSU) und Peter Struck (SPD) sagten der Regierung ihre Unterstützung bei den Etatberatungen zu. Sie kündigten allerdings an, dass während der Beratungen entgegen den Vorstellungen der Regierung das BAföG um bis zu zehn Prozent erhöht werden soll. Zudem sollen die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr einen um zwei Euro pro Tag höheren Wehrsold erhalten.
Während die Koalitionsfraktionen zufrieden auf die vergangenen zwei Jahre zurückblickten, zogen die Sprecher der drei Oppositionsfraktionen eine eher negative Bilanz. Der Fraktionsvorsitzende der FDP, Guido Westerwelle, billigte der Regierung zwar außenpolitisch eine "überwiegend" erfolgreiche Arbeit zu, die Bilanz der Wirtschafts- und Innenpolitik weist aus seiner Sicht jedoch viele Defizite auf. Ein Kardinalfehler der Regierung sei zum Beispiel, dass Merkel sich von dem Leitsatz ihrer ersten Regierungserklärung "Mehr Freiheit wagen" weitgehend verabschiedet habe. Auch mit dem Aufschwung habe die Regierung fast nichts zu tun. "Ein vierjähriges Wachstum der Weltwirtschaft kommt nun mit Verspätung bei uns an", so Westerwelle. Er forderte eine Entlastung derjenigen, die "dieses Land tragen" - dazu zählte er die Facharbeiter und die mittelständische Wirtschaft. Statt zu entlasten habe die Regierung die Steuern erhöht, und die Beiträge seien gestiegen. Damit werde eine vierköpfige Familie mit 1.400 Euro im Jahr belastet. "Das nennen Sie Reform", sagte er in Richtung der Bundeskanzlerin. Deshalb sei in Deutschland das Wort Reform ein Angstbegriff. Schließlich forderte der FDP-Chef, so schnell wie möglich einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen und nicht bis 2011 zu warten. "Was du heute kannst besorgen, verschiebe nicht auf morgen."
Der Vorsitzende der Linksfraktion, Oskar Lafontaine, warf der Regierung vor, sie würde über die Köpfe der Menschen hinweg handeln. Es gebe keinen Grund zur Zuversicht, widersprach er Merkel. Viele Menschen würden in prekären Arbeitsverhältnissen leben und könnten keine Zuversicht haben. Deshalb müsse jetzt mit Reformen begonnen werden; dazu zählt er die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes und die Abschaffung von Hartz IV. Auch die Rentenpolitik der Regierung sei "total gescheitert" - demnächst würde es viele Armutsrentner geben.
Fritz Kuhn, der Vorsitzende der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, räumte zwar ein, dass die Konjunktur gut laufe, schlecht sei allerdings, dass dies hauptsächlich vom Export getragen werde. Außerdem komme der Aufschwung bei vielen Menschen nicht an. Er verwies vor allem auf die 1,3 Millionen Dauerarbeitslosen. Auch der Fachkräftemangel müsse angegangen werden. Wenn 100.000 Facharbeiter fehlten, dann müsse das Zuwanderungsrecht geändert werden.
Zu Beginn der Haushaltswoche gedachte der Bundestag der Anschläge vom 11. September 2001 in New York. Bundestagspräsident Norbert Lammert sagte: "Unser Gedenken an die Opfer verbindet sich mit der Entschlossenheit, jeder Form von Terrorismus, mit welcher Begründung auch immer, entgegenzutreten und allen möglichen Bedrohungen der Freiheit und des Lebens der Menschen in diesem Lande entgegenzuwirken."