BAHNREFORM
Pläne der Koalition zur Teilprivatisierung werden überarbeitet
Die Deutsche Bahn AG (DB AG) soll sich neuen Herausforderungen stellen können. Dafür muss sie noch besser werden. Dafür ist nach Meinung der Regierung Geld für eine Teilprivatisierung unbedingt notwendig. Dies machte Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) am 21. September bei der ersten Lesung des von den Koalitionsfraktionen vorgelegten Gesetzentwurfes ( 16/6383 ) zur Bahnreform deutlich.
Darin ist vorgesehen, dass private Investoren bis zu 49,9 Prozent der Anteile an der Deutschen Bahn AG (DB AG) erwerben können. Im Gegenzug sollen "sämtliche Anteile der DB AG an der DB Netz AG, der DB Station&Service AG und der DB Energie GmbH auf die Bundesrepublik" übertragen werden. Mit dieser Übertragung der so genannten Eisenbahninfrastrukturunternehmen (EIU), DB Netz AG, DB Station&Service AG und DB Energie GmbH, erhalte der Bund das juristische Eigentum an ihnen.
"Private Investoren werden an den EIU und damit an der Eisenbahninfrastruktur nicht beteiligt. Die DB AG soll für zunächst 15 Jahre die Möglichkeit erhalten, "Schienenverkehr und Infrastruktur in einer wirtschaftlichen Einheit zu betreiben und zu bilanzieren". Das "integrierte" Unternehmen könne so seine Wettbewerbsfähigkeit stärken und zusätzliche Schulden und Risiken für den Bundeshaushalt könnten ausgeschlossen werden. Zur Instandhaltung des Schienennetzes soll die DB AG jährlich bis zu 2,5 Milliarden Euro vom Bund erhalten, außerdem "finanziert der Bund Maßnahmen zum Ausbau der Schienenwege der Eisenbahninfrastrukturunternehmen des Bundes im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel". Die Bahn bekommt damit vom Bund in 15 Jahren bis zu 37,5 Milliarden Euro.
Tiefensee betonte, dass bei dieser Konstruktion der Bund Eigentümer des Netzes bleibe. "Jeder Kilometer Schiene bleibt im Eigentum des Volkes. Es wird kein Volksvermögen verschleudert", so der Minister weiter. Der Bund garantiere die Qualität des Netzes, auf das er weiter mit einem "starken Zügeln" Einfluss habe. Auch in Zukunft würden die Regionalverkehre unangetastet bleiben. Der Minister betonte, die Teilprivatisierung diene dazu, die Bahn in den EU-Nachbarstaaten gut aufzustellen. Dies sichere auch die 230.000 Arbeitsplätze der DB AG. "Nur so können wir die Zukunft meistern."
Der verkehrspolitische Sprecher der Union, Dirk Fischer, unterstützte zwar die von der Regierung geplante Bahnprivatisierung, es bleibe aber noch viel zu tun. Damit die Unionsfraktion bei der abschließenden dritten Lesung dem Gesetz zustimmen könne, müsste noch einiges am Gesetzentwurf geändert werden. So müsse die Infrastrukturverantwortung des Staates gestärkt werden und es müsse dem Deutschen Bundestag eine unterschriftsreife Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung vorliegen. Die vorgesehene Laufzeit des Bewirtschaftungszeitraums und der Sicherungsübertragung von bisher 18 Jahren müsse verkürzt werden. Schließlich dürften dem Gesetzgeber keinerlei Vorgaben gemacht werden, wie er nach Ablauf des Bewirtschaftungszeitraums mit seinem Eigentum verfahren solle. Außerdem müste für mehr Wettbewerb auf der Schiene die Rechte der Regulierungsbehörde gerstärkt werden. Die Bundesnetzagentur müsse in der Lage sein zu verhindern, dass einseitig die Wettbewerber der DB AG belastet werden.
Grundsätzlich ablehnend steht die Opposition den Plänen entgegen. FDP-Verkehrsexperte Horst Friedrich hält den Gesetzentwurf für einen schlechten Versuch, "Markt und Marx zu kombinieren". Im besten Falle werde dabei "Murks" produziert. Aus dem letzten Schritt zur Vollendung der Bahnreform werde ein nicht zu übersehendes Risiko für den Bund. Der Bund erhalte durch die Teilprivatisierung rund 4 Milliarden Euro, im Gegenzug müsse er aber jährlich ebenfalls 4 Milliarden Euro in die Infrastruktur investieren. Zudem müsse er weitere 8 Milliarden Euro ausgeben, wenn er das Schienennetz zurückbekommen wolle.
Für den Vorsitzenden der Linksfraktion, Oskar Lafontaine, wird mit der Teilprivatisierung "Volksvermögen verschleudert". Mehr als fünf Generationen hätten die Bahn aufgebaut, jetzt werde sie weggeworfen. Für ihn ist die Bahnreform bisher keine Erfolgsgeschichte. In den letzten Jahren seien mehr als 5.000 Schienenkilometer stillgelegt, mehr als 400 Bahnhöfe geschlossen und mehr als 100.000 Arbeitsplätze abgebaut worden. Auch in Zukunft würden Strecken vor allem im Osten Deutschlands stillgelegt werden. Es handele sich hierbei um ein "Abbauprogramm Ost".
Für Winfried Hermann (Bündnis 90/Die Grünen) widerspricht der Gesetzentwurf dem Grundgesetz. Er bezog sich dabei unter anderem auf eine öffentliche Anhörung und auf ein kürzlich veröffentlichtes Gutachten des Bundesrates. Der Gemeinwohlauftrag könne mit der Belastung des Schienennetzes an die DB AG nicht erfüllt werden. Das Gesetz vermeide Wettbewerb auf der Schiene. "Wir wollen Wettbewerb auf der Schiene", aber wir wollen, dass die Infrastruktur beim Bund bleibt". Das Gesetz habe kapitale Mängel und verstoße gegen die Verfassung. Klaas Hübner (SPD) widersprach den Aussagen, bei der Privatisierung drohten Streckenstilllegungen. Die Länder könnten bei einer Stilllegung von Strecken durch die DB AG diese Strecke erneut ausschreiben. Wer sie dann befahren wolle, könne den Zuschlag erhalten.
Während der Gesetzentwurf der Koalition zur Bahnprivatisierung an die Ausschüsse überwiesen wurde, lehnte der Bundestag auf Empfehlung des Verkehrsausschusses (16/4110 ) einen Antrag der Linksfraktion ( 16/3801 ) ab, in dem die Bundesregierung aufgefordert worden war, alle Schritte zu unterlassen, die zur Privatisierung der DB AG führen. Stattdessen sollte die Regierung prüfen, wie sämtliche Teile des DB-Konzerns, die zur Infrastruktur der Bundesschienenwege zählen, kurzfristig aus der DB AG ausgegliedert und als eigenständiges Infrastrukturunternehmen zusammengefasst werden könnten.