Wie es einem Menschen gesundheitlich geht, erkennt man nicht immer auf den ersten Blick. Krebs, Herzkrankheiten oder psychische Erkrankungen beeinträchtigen häufig das Leistungsvermögen - und definieren Betroffene nach dem Sozialgesetzbuch in vielen Fällen als Schwerbehinderte. In der Bundestagsverwaltung werden deren Interessen und Rechte von Sabine Laudahn vertreten. Sie wurde im November 2006 für vier Jahre zur Vertrauensperson schwerbehinderter Menschen gewählt. Fünf nicht freigestellte Vertreter unterstützen sie in der Arbeit.
185 Schwerbehinderte arbeiten in der Verwaltung des Bundestages, das sind 7,5 Prozent der rund 2500 Mitarbeiter. Zwei Drittel von ihnen sind im mittleren und einfachen Dienst beschäftigt. "Damit liegen wir weit über der gesetzlichen Quote von 6 Prozent. Aber wir ja auch eine Vorbildfunktion, schließlich werden hier die Gesetze gemacht", betont Laudahn.
Neben einer Ausbildung im medizinischen und pharmazeutischen Bereich erfordert die Arbeit Einfühlungsvermögen im Umgang mit Betroffenen und deren Kollegen. Die Beauftragte berät Schwerbehinderte und gibt vielen Nichtbehinderten in der Verwaltung Hinweise, wie sie einfühlsam mit Betroffenen umgehen. Selbst schwerbehindert zu sein, helfe ihr sehr, sagt sie: "Mein Gegenüber nimmt mir ab, dass ich weiß, worüber er oder sie spricht." Ob und mit welchem Grad der Behinderung jemand eingestuft wird, entscheidet ein medizinisches Gremium des Versorgungsamtes. Voraussetzung ist, dass es sich um eine chronische, also nicht nur vorübergehende Beeinträchtigung handelt. Schwerbehindert zu sein bedeutet, mit Schmerzen oder permanenten Beeinträchtigungen zu leben. "Es heißt aber nicht, dass man in seinem Beruf nicht leistungsfähig ist", bekräftigt Sabine Laudahn. Um den Betroffenen auf dem hart umkämpften Stellenmarkt gleiche Chance wie Nichtbehinderten zu gewähren, werden sie bei gleicher Eignung und Qualifizierung anderen Bewerbern vorgezogen. Denn eine Behinderung darf den Betroffenen nicht zum Nachteil ausgelegt werden.
Andererseits ist niemand verpflichtet, bei einer Bewerbung seine Behinderung anzugeben. "Das ist ein weit verbreitetes Missverständnis", sagt die Schwerbehindertenbeauftragte, die Bewerberinnen und Bewerber immer wieder auf dieses Recht hinweist. Diese meisten bevorzugen jedoch den offenen Umgang mit ihrer Behinderung und ihren Vorgesetzten. Wer dennoch einen Nachweis erbringt, muss keinesfalls Details offen legen. "Krankheiten oder Diagnosen sind für den Arbeitgeber tabu", unterstreicht Sabine Laudahn - wer will, kann sie natürlich dennoch mitteilen.
Auch das Gespräch mit der Beauftragten unterliegt der absoluten Schweigepflicht. Was in ihrem Büro besprochen wird, bleibt innerhalb dieser Wände. Fast jeden Tag nimmt ein Betroffener am Besprechungstisch Platz. Viele sind erst jüngst durch eine Krankheit schwerbehindert geworden und informieren sich über die Auswirkungen auf ihre Berufstätigkeit. Andere suchen Laudahns Rat, weil sie sich auf eine externe Stellenausschreibung bewerben möchten. "Ein Großteil meiner Arbeit besteht in der Aufklärung", sagt Laudahn. "Die Unsicherheiten unter Nichtbehinderten sind sehr groß", sagt sie, "aber auch ihr Interesse für Hinweise". Deshalb veranstaltet sie regelmäßig Seminare mit Tipps für ein einfühlsames Miteinander.
Auf ein Phänomen stößt sie dabei immer wieder. "Viele Behinderte glauben, durch ihre Behinderung stigmatisiert zu sein." Aus diesem Grund verschweigen sie das am Arbeitsplatz und beantragen auch keinen Schwerbehindertenausweis - obwohl sie mit der amtlichen Feststellung einem besonderen Kündigungsschutz unterliegen und Anspruch auf fünf zusätzliche Urlaubstage hätten. Diese Zurückhaltung ist auch eine Reaktion auf das gesellschaftliche Klima. Die Vertrauensfrau ist besorgt über die zuweilen fehlende Akzeptanz von Behinderten und über den zunehmenden Leistungsdruck in der Arbeitswelt: "Menschen, die nicht dem Standard entsprechen, werden schnell isoliert", sagt Sabine Laudahn, "und das hat sich in den letzten Jahren leider nicht wesentlich geändert."