HEINRICH FÜRST ZU FÜRSTENBERG
über den »Brot-und-Butter-Baum« und die Renaissance eines fast vergessenen Rohstoffs.
Fürst zu Fürstenberg, Ihr Waldbesitz gehört mit 19.000 Hektar zu den größten in Deutschland. Sie haben aber auch Wälder in Kanada und Österreich. Gibt es eigentlich einen typisch deutschen Wald?
Der typisch deutsche Wald besteht aus vielen alten Bäumen mit gesundem Nachwuchs. Es ist ein Plenterwald. Das heißt, es wird in diesen Wäldern nur soviel Masse entnommen wie dort auch nachwächst. In Kanada hingegen werden Kahlschläge gemacht und dann wird wieder neu aufgeforstet. Es wird in Deutschland Wert auf Nachhaltigkeit gelegt.
Hat sich der Wald Ihren Erfahrungen nach in den vergangenen Jahrzehnten verändert?
Nach den "Franzosenhieben", den Reparationszahlungen mit Holz nach dem Zweiten Weltkrieg, wurden in erster Linie Fichten gepflanzt - der "Brot-und-Butterbaum" der Deutschen. Sie wurzeln sehr flach, wachsen relativ schnell in die Höhe und besitzen damit eine große Hebelwirkung. Wir hatten bislang große Fichtenanpflanzungen, die aber sehr sturmanfällig waren. Heute pflanzt man anders und ergänzt Bäume wie Douglasien oder Laubbäume. Man kann technisch viel an einem Wald machen, damit er stabiler wird. Aber gegen die Extreme der Natur ist man nicht gewappnet.
Die Umweltverschmutzung hat aber auch vor Ihrem Wald nicht halt gemacht?
Wir hatten in den 1970er-Jahren große Angst vor dem Waldsterben, gerade auch bei uns im Schwarzwald. Dort sind die Tannen durch die Luftverschmutzung aus Frankreich als erste befallen worden. Wir haben uns aber nie wirklich darüber aufgeregt, denn wir wussten, dass der Wald stark genug ist, sich selbst zu erhalten.
Heißt das Entwarnung für den Wald?
Es gibt im Moment keine akute Gefahr, aber natürlich sehen wir eine langfristige Gefahr, da die Luftverschmutzung so groß ist, dass die Bäume insgesamt immer stärker zu kämpfen haben.
Umweltschützer kritisieren, dass sich der natürliche Charakter des Waldes verändert hat und es zum Beispiel zu wenig Totholz gibt - also abgestorbenes Holz, das als Lebensraum für Pilze, Käfer und Insekten dient. Wie hoch ist dieser Anteil denn in Ihren Wäldern?
Im reinen Wirtschaftswald hat man das weniger, aber ein Drittel unserer Fläche gehört zum europäischen Schutzprogramm Natura-2000. Außerdem betreiben wir seit 600 Jahren Forstwirtschaft. Und wenn wir noch immer so viele naturbelassene Gebiete haben, heißt das ja nur, dass wir die eigentlichen Grünen sind und den Naturschutz schon immer berücksichtigt haben.
Welche Rolle spielt in Ihren Wäldern Ihrer Meinung nach das Alter und die Höhe der Bäume?
Zur Zeit meines Großvaters betrug die so genannte Umtriebszeit noch 140 Jahre. Die moderne Sägeindustrie aber macht ganz andere Vorgaben: Die möchten einen bestimmten Durchmesser aus technischen Gründen. Ein Baum wächst nicht gleichmäßig - in den ersten 60 Jahren relativ schnell, dann legt er bis zum Alter von 80 Jahren nochmals zu, aber danach ist das Wachstum sehr beschränkt und es kommt ein Baum heraus, den niemand mehr haben will.
Lange Zeit waren die Preise für Holz im Keller. Jetzt werden Eiche, Buche und Fichte als Rohstoffe auf dem Markt immer begehrter. Warum?
Der Holzpreis ist endlich wieder angestiegen. Das hat verschiedene Gründe: Zum einen haben sich im waldreichen Süddeutschland, auch nach dem letzten großen Sturm, sehr viele neue Holzwerke angesiedelt. Zum anderen hat der hohe Ölpreis sein übriges für diese Entwicklung getan. Dazu kamen die Pellets, das sind kleine Holzkügelchen, mit denen man Holzöfen befeuert. Plötzlich hat Holz, das man früher einfach im Wald liegengelassen hat, einen anderen Wert bekommen. Den Leuten ist wieder klar geworden, dass Holz ein natürlicher und nachwachsender Rohstoff ist, den man wirklich bis zum letzten verwenden kann.
Und die Nachfrage wird immer größer. Wie beurteilen Sie dabei die Rolle Chinas?
Natürlich ist auch der Holzmarkt global geworden, aber darunter versteht man in erster Linie den Schnittholzmarkt. Der Rundholzmarkt spielt sich erstaunlicherweise noch regional ab. China ist zwar ein weiterer Markt, der sich auch auf unsere Holzpreise auswirkt, aber meines Erachtens nach nur sekundär. International ist Amerika weiter der große Markt.
Wie viel Holz dürfen Sie überhaupt in Ihrem Wald schlagen?
Wir haben einen so genannten Jahreseinschlag, wobei immer alle zehn Jahre nachgeprüft wird, ob der Holzeinschlag dem entspricht, was nachwächst. Die Menge beträgt bei uns momentan acht Festmeter auf den Hektar. Der Durchschnitt liegt bei zehn Festmetern, aber wir haben steile Lagen und schwierige Böden. Außerdem ist die Menge schwer vorherzusagen, denn es kann immer ein Sturm oder eine Käferplage kommen.
Sind das die größten Feinde des Waldes oder ist es doch eher der Mensch?
Aus forstwirtschaftlicher Sicht ist ein zu hoher Wildbestand die größte Gefahr für den nachwachsenden Wald, aber der schlimmste Feind ist der Käfer. Den Menschen würde ich in Deutschland nicht mehr als Feind sehen, denn es gibt eben keinen Wald mehr, in dem man alleine ist, sondern der Wald ist ein öffentliches Gut.
Sehen Sie sich selber eher als Unternehmer oder als Naturschützer?
Man ist als ein guter Forstmann immer auch ein Naturschützer, denn man muss im Wald das Gleichgewicht herstellen. Aber natürlich geht schon die Ökonomie vor, weil ich sonst gar keine Grundlage hätte, mich auch um die Ökologie zu kümmern. Diese Balance zu halten, sehe ich als meine wichtigste Aufgabe an.
Gelingt Ihnen das in der Praxis?
Es ist schwerer geworden, weil plötzlich so viele Leute mitreden wollen. Man muss sich auf die verschiedensten Gruppierungen einstellen und plötzlich wird amtlich festgelegt, was wir freiwillig schon seit Generationen tun. Natürlich gibt es überall schwarze Schafe, aber ich glaube, in der Forstwirtschaft gibt es die wenigsten, weil man sofort erwischt wird.
Verwenden Sie Holzschutzsiegel wie das FSC für nachhaltige Waldwirtschaft?
Wir machen nur nachhaltiges Holz. In Deutschland halte ich die Siegel zwar für überflüssig, aber es verkauft sich besser. Wir verwenden aber keine Gifte, denn wir wollen ja nicht unser eigenes Wasser oder unsere Tiere schädigen.
Ein ganz anderer Risikofaktor für den Wald ist der Klimawandel. Ist der in Ihrem Wald zu spüren?
Es hat sich natürlich schon eine gewisse Erwärmung gezeigt, aber das wirkt sich nicht so kurzfristig auf die Natur aus. Wenn es allerdings heißt, hier werden demnächst Palmen statt Fichten stehen, dann halte ich das für weit gefehlt.
Wie wird denn der Wald in 100 Jahren aussehen?
Bei uns sehe ich eine größere Vielfalt an Bäumen, weil wir alle aus unseren Fehlern gelernt haben. International sehe ich natürlich leider auch die Gefahr, dass weiter hunderttausende von Hektaren vor allem im Regenwald gerodet werden.
Was verbinden Sie persönlich mit dem Wald?
Der Wald ist etwas unbeschreiblich Schönes, weil er so viel Mehrwert gibt. Und außer, dass man davon leben und darin jagen kann, ist er einfach schön für alle Sinne.
Und welcher ist Ihr Lieblingsbaum?
Wenn ich ehrlich bin, die Eiche. Es gibt bei uns 200 bis 300 Jahre alte Eichen. Wenn sie ein wenig verfault sind oder der Blitz eingeschlagen hat, sehen sie aus wie aus einem Gruselfilm - aber sie sind irgendwie auch Persönlichkeiten und am liebsten würde man mit ihnen reden.
Das Interview führte Annette Sach