Offene TÜren
Wie muslimische Gemeinden den Dialog mit ihren Nachbarn suchen
"Sie können mir beim Waschen zusehen", sagt Imam Hassan Dabbagh und eilt die wenigen Stufen in den Keller hinunter. Zurück bleibt eine verdutzt dreinblickende Schulklasse, die zögerlich in die Waschräume folgt. Es ist Freitagmittag, die wichtigste Stunde für einen Muslim, um gen Mekka zu beten. Auf die anfangs erstaunte Zurückhaltung folgt nach und nach interessiertes Gedränge - keiner der Jugendlichen hat je zuvor beobachtet, wie ein Muslim die rituelle Waschung vor dem Gebet vollzieht. Teils belustigt beantwortet der Imam mit dem langen rotbraunen Bart später ruhig die Fragen der Schüler zur Haltung des Islams zu Sexualität, Disco-Besuchen und den Grundlagen der Religion. Ein bis zwei Schulklassen pro Woche führt er durch die Räume der Leipziger Al-Rahman Moschee.
Im ganzen Bundesgebiet öffnen Moscheen regelmäßig ihre Pforten. Und das nicht erst seit der Zentralrat der Muslime in Deutschland vor elf Jahren zum ersten bundesweiten "Tag der offenen Moschee" aufgerufen hatte. Bei der Abwehr extremistischen Gedankenguts sind die rund 2.750 muslimischen Gebetsstätten und Moscheen mit Konzepten gefragt. "Gott untersagt das Abscheuliche und das Verwerfliche und die Gewalttätigkeit" heißt es im Koran - und von Hamburg über Leipzig bis München bemühen sich die Gemeinden, diesen friedliebenden Islam zu kommunizieren.
Leipzigs Imam Hassan Dabbagh ist dabei kein Unbekannter. Wegen angeblich islamistischer Äußerungen wurde er von mehreren Zeitungen in der Vergangenheit scharf kritisiert. Auch tauchten immer wieder Spekulationen über eine Überwachung durch den sächsischen Verfassungsschutz auf. In seiner Gemeinde, mit knapp 300 Moscheegängern die größte Ostdeutschlands, gibt sich der gebürtige Syrer offen: "Wir fühlen uns hier als Einheimische und wollen keine Parallelgesellschaft." Konkret bedeutet das für Dabbagh, den Dialog zu suchen. Der Mann mit den kleinen, wachen Augen sitzt am "Runden Tisch der Religionen in Leipzig" und diskutiert auf dem ostdeutschen Islamforum mit Juden, Christen und Atheisten über den Glauben.
Dialog und Diskussion ist auch Djavad Mohagheghi wichtig, vor allem nach innen. Er ist zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit im Islamischen Zentrum Hamburg. Es sei die religiöse Verpflichtung eines jeden Muslims, sich für Frieden und Gerechtigkeit einzusetzen. Dieser Anspruch wird bei den wöchentlichen Versammlungen in die Gemeinde hineingetragen. Der Imam des Zentrums und Vorsitzender der Islamischen Akademie Deutschland, Ayatollah Seyyed Abbas Ghaemmaghami, fördert die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Islam. So veröffentlichte er beispielsweise nach den Londoner Anschlägen ein islamisches Rechtsgutachten, Fatwa genannt, und begründete darin, warum Terror nicht mit dem Koran zu vereinbaren sei.
Auch im Islamischen Zentrum München wird die Zusammenarbeit mit den Behörden gesucht. Um extremistisches Gedankengut abzuwehren, setzt das Zentrum jedoch zusätzlich auf Integration. "Wenn wir es schaffen, die Menschen zu integrieren, rücken die Muslime der Mitte zusammen. Die Extremisten werden isoliert", erklärt Ahmed El-Khalifa, der das Zentrum leitet. Vor knapp zehn Jahren begann ein Integrationsprogramm in der Moschee mit Deutsch-Sprachkursen und Vorträgen zu deutscher Geschichte und Kultur. Ab Januar will man regelmäßig deutsche Schriftsteller einladen, die ihre Bücher vorstellen. "Zum gegenseitigen Kennenlernen der Kulturen", wie der Leiter sagt, organisiert das Zentrum zudem seit 1995 Ausflüge in die Umgebung und ist Mitglied im Interessenverein der Siedlung. Auch in der internen Jugendarbeit wird das Thema Extremismus nicht ausgespart, sondern in Projekten diskutiert. Die Aktion "Junge Muslime gegen Gewalt" erhielt einen Preis des Oberbürgermeisters. Das Zentrum beteiligt sich außerdem an der "Jugend für Frieden". "Durch die langjährige Arbeit existieren heute Freundschaften, wo früher Fronten verliefen", beschreibt Ahmed El-Khalifa den Erfolg.