Aus der Traum vom schnellen Geld in der leeren Stadtkasse: Der Landtag von Mecklenburg-Vorpommern hat den Verkauf der Stralsunder Sparkasse gestoppt. Das Landesparlament verabschiedete Anfang März kurzfristig ein neues Sparkassengesetz. Es schließt genau jene Gesetzeslücke, die die Stralsunder Stadtvertreter zum Verkauf ihres kommunalen Kreditinstitutes nutzen wollten: Gerät nunmehr eine Sparkasse im Nordosten in Schwierigkeiten, hat vor ihrer Auflösung immer eine Fusion mit einer anderen Sparkasse den Vorrang.
Landesfinanzministerin Sigrid Keler (SPD) sieht in dem Beschluss des Parlamentes ein "eindeutiges Signal" für die Unverkäuflichkeit der Sparkassen im Land. Der Gesetzgeber spreche sich klar für den Erhalt der Sparkassen aus, sagte sie. Jetzt werde man alle Kräfte bündeln, um die Sparkasse Stralsund wieder in ruhiges Fahrwasser zu bekommen. Unbedingt müssten nun das Vertrauen der Stralsunder Bürger und das Vertrauen der dortigen Sparkassenmitarbeiter zurückgewonnen werden. Und dazu werde sie "auch", so betonte Keler, mit dem Stralsunder Oberbürgermeister Harald Lastovka (CDU) zusammenarbeiten, der den Verkauf voranbringen wollte.
Die PDS-Fraktionsvorsitzende, Angelika Gramkow, zugleich finanzpolitische Sprecherin, sagte, man nehme "mit Genugtuung" zur Kenntnis, dass es auf Initiative der PDS den Stralsundern gelungen sei, das Ansinnen ihres Oberbürgermeisters zu verhindern. Die Linkssozialisten hatten in Stralsund ein Volksbegehren initiiert und mit Hilfe von Mitgliedern anderer Parteien binnen sechs Wochen 6.952 Unterschriften zusammengetragen. Für den Stralsunder Landtagsabgeordneten Karsten Neumann (PDS) eine wichtige Erfahrung: Man habe das richtige Thema aufgegriffen und die Politik gezwungen, über die ureigensten Wünsche der Bürger nachzudenken.
Selbst die CDU-Landtagsfraktion hatte sich letztlich mehrheitlich gegen die Initiative ihres Parteifreundes Lastovka gewandt. In der Abstimmung zum Sparkassengesetz enthielten sich nur sechs der 25 CDU-Landtagsabgeordnete der Stimme. Alle übrigen votierten gemeinsam mit SPD und PDS für den neuen Erlass. Offene Kritik gab es lediglich am Gesetzgebungsverfahren. Der CDU-Finanzexperte Wolfgang Riemann warf der Finanzministerin vor, zu spät auf die Privatisierungsbemühungen der Stralsunder reagiert zu haben.
Doch auch die Stralsunder Stadtvertreter haben ihr bundesweit beachtetes Vorhaben offenbar aufgegeben. Noch bevor der Landtag in Schwerin abstimmte, erklärten die Fraktionen von SPD und CDU der Stralsunder Bürgerschaft die Einstellung des laufenden Prüfverfahrens. Mit der Änderung des Sparkassengesetzes sei der Verkauf ohnehin nicht mehr möglich, zeigte sich SPD-Fraktionschef Thomas Haack einsichtig. Und sein CDU-Kollege, Torsten Henning, begründete, die Sache an sich sei zwar richtig gewesen, doch sei man damit zwei Jahre zu früh gekommen.
Erst im Dezember hatte die Bürgerschaft mit den Stimmen derselben Fraktionen das Prüfungsverfahren auf den Weg gebracht, mit dem die Möglichkeiten des Sparkassenverkaufs ausgelotet werden sollten. Ihr Interesse am Kauf des angeschlagenen Institutes sollen zuvor mehrere in- und ausländische Banken geäußert haben. Den Verkaufserlös - genannt wurden 30 bis 50 Millionen Euro - wollten die Stralsunder zur Sanierung von Schulen und Kindertagesstätten nutzen.
Der Ostdeutsche Sparkassen- und Giroverband hat der Stadt inzwischen Hilfe bei der Bewältigung ihrer Probleme angeboten. Der Bundesverband deutscher Banken hingegen äußerte sein Bedauern über das Scheitern des bundesweit ersten Sparkassenverkaufs. Pressesprecher Oliver Wolfrum sagte, Stralsund habe eine wichtige Diskussion über Verkrustungen im deutschen Bankensystem angestoßen.
Bürgermeister Lastovka äußerte sich bisher nicht zu den aktuellen Entwicklungen. Er war bis zuletzt von der Rechtmäßigkeit seines Vorgehens überzeugt und hatte - falls der Landtag den Sparkassenverkauf verhindern sollte - den Weg vor den Europäischen Gerichtshof angekündigt. Die Stralsunder Sparkasse verfügt mit ihren 38.000 Kunden in der Hansestadt über einen Marktanteil von 65 Prozent. Eigenen Angaben des Kreditinstitutes zufolge wurden zuletzt 32.000 Konten geführt. 1999 waren es noch rund 11.300.