Der im Vermittlungsverfahren zwischen einer Delegation des Europäischen Parlaments und dem EU-Ministerrat am 16. März erreichte Kompromiss zur EU-weiten Liberalisierung des Bahnverkehrs ist am 22. März vom Plenum der Straßburger Versammlung auf breite Zustimmung gestoßen. Dabei handelt es sich um vier Berichte, die sich mit der Öffnung des Schienennetzes für den Güter- und den Personenverkehr, mit der gegenseitigen technischen Nutzbarkeit sowohl im Bereich des transeuropäischen Hochgeschwindigkeits- als auch des konventionellen Eisenbahnnetzes, mit der Einrichtung einer Europäischen Schienenverkehrs-Agentur zur Regelung technischer Fragen sowie mit der Sicherheit der Eisenbahnanlagen befassen.
Besonders umstritten waren in diesem Bahnpaket der Zeitpunkt der Öffnung der Schienennetze für Wettbewerber generell und speziell die Einbeziehung des Personenverkehrs. Der Kompromiss sieht nun, wie vom Parlament gefordert vor, dass die Liberalisierung des Schienengütertransports von 2008 auf 2007 vorgezogen wird. Während bei grenzüberschreitenden Transporten und für kombinierte Frachtdienste der Zugang schon ab 2006 gewährleistet werden muss, kann jeder lizenzierte Anbieter von überall aus der EU ab 2007 auch in alle anderen innerstaatlichen Netze Schienenfrachtdienste durchführen.
Gegenüber der früheren Forderung des Parlaments, auch den Zugang zum Personenverkehr bereits ab 2008 umfassend zu öffnen, konnten sich die Verkehrsminister damit durchsetzen, dass erst ab 2010 allen befähigten Anbietern der grenzüberschreitende Zugang ermöglicht werden soll. Die Öffnung der innerstaatlichen Netze wird erst später in einem dritten Eisenbahnpaket geregelt. Ursprünglich wollten die Mitgliedstaaten den Personenverkehr auf Drängen Frankreichs, Belgiens und Luxemburgs ganz aus der gegenwärtigen Regelung ausklammern. Immerhin ist mit dem internationalen Zugang beim Personenverkehr ein Einstieg gelungen, und die zuständige Kommissarin de Palacio lobte den Kompromiss als entscheidenden Schritt hin zu einem wettbewerbsfreundlichen Bahn-Binnenmarkt. Nur so könne die Schiene wieder besser mit anderen Verkehrsträgern konkurrieren und vielleicht auch Marktanteile von der Straße zurückgewinnen. Dazu seien aber auch noch erhebliche Qualitätsverbesserungen nötig, die hoffentlich durch den verstärkten Wettbewerb erreicht würden. Längerfristig will die Kommission bei internationalen Verbindungen auch Entschädigungsleistungen bei Unfällen und bei Verspätungen durchsetzen.
In die neue Regelung zur Sicherheit im Schienenverkehr haben die Verkehrsminister die Forderungen des Parlaments übernommen, wonach die Mitgliedstaaten dafür sorgen müssen, dass die Zugführer, das Zugpersonal und das Sicherheitspersonal die für die Betriebskommunikation nötigen Codes, Ausdrücke und Sprachkenntnisse beherrschen. Auch soll durch die neue Richtlinie erreicht werden, dass die nationalen Sicherheitsvorschriften nach und nach in ganz Europa aneinander angeglichen werden. Unter anderem ist vorgesehen, dass in Zukunft die Züge mit einem Fahrtenschreiber ausgestattet werden, wie sie in Flugzeugen und Schiffen Vorschrift ist.
Um den Kompromiss zu ermöglichen, hat die Parlamentsdelegation bei der Besetzung des Verwaltungsrats der europäischen Eisenbahnagentur nachgegeben. H. H.