Lord Ralf Gustav Dahrendorf wird 75. Man möchte es kaum glauben, hält man sich den stets jugendlich wirkenden, agil sich bewegenden Wissenschaftler und Politiker vor Augen, der lange Colloquien scheinbar mühelos durchhält, aus dem Steigreif druckreife Interviews gibt und rastlos in Sachen europäische Integration unterwegs ist. Hinzu kommt die fast beängstigende Fülle von Büchern, die er allein seit der Jahrtausendwende herausgegeben hat.
Sein neuer Band enthält Reden und Aufsätze, die zu aktuellen politischen Fragen seit der großen politischen Wende in Europa geschrieben wurden. Mit Genugtuung registriert Dahrendorf die fast gewaltfreien Umwälzungen in Ost- und Mitteleuropa, und sofort gehen die Gedanken weiter, wie das junge Pflänzchen Demokratie gedeihen könnte. In unermüdlicher Arbeit hat sich Dahrendorf für den Aufbau sozialwissenschaftlicher Forschungszentren, die den Geist freier und ideologiefreier Forschung in mehrere osteuropäische Hauptstädte trugen, eingesetzt und ebenso unermüdlich die gemeinsamen Wurzeln europäischen Denkens in Kultur und Wissenschaft erläutert. Das sind Passagen, die auch Leser im westlichen Europa immer wieder anspornen können, an der Kärrnerarbeit gemeinsamen Aufbaus des Europäischen Hauses festzuhalten.
Das gilt umso mehr angesichts der Bedrohungen durch Fanatismus und Terrorismus, denen die internationale Staatengemeinschaft ausgesetzt ist. Festigkeit und Bereitschaft zu friedlicher Konfliktlösung sieht Darendorf nicht als Gegensätze, sondern als Voraussetzung für politisches Handeln. Zum Geburtstag werden - in London, in Oxford? - viele Glückwünsche eintreffen, auch unser Gruß ist darunter. ks
Ralf Dahrendorf
Der Wiederbeginn der Geschichte. Vom Fall der Mauer zum Krieg im Irak.
C.H.Beck Verlag, München 2004; 352 S., 42,- Euro