Einige der EU-Länder, die im Jahre 2003 oder früher Haushaltsdefizite von über drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts aufgewiesen haben, finden auf den Pfad einer solideren Haushaltsführung zurück. Allerdings bedeutet dies nur, dass sie nicht mehr die im Stabilitäts- und Wachstumspakt der EU vorgesehene Grenze bei ihren jährlichen Haushaltsdefiziten überschreiten. So konnte der neue EU-Kommissar für Wirtschaft und Finanzen, der Spanier Joaquin Almunia, jetzt in Brüssel berichten, dass es der portugiesischen Regierung gelungen sei, ihr Haushaltsdefizit in den Jahren 2002 und 2003 auf unter drei Prozent zu senken. Für das laufende Jahr hat Lissabon angekündigt, zusätzliche Maßnahmen zu ergreifen, damit auch in diesem Jahr das Defizit weniger betragen werde. Die EU-Kommission hat daher dem Rat der EU empfohlen, das Verfahren gegen Portugal wegen "exzessivem Haushaltsdefizit" für beendet zu erklären.
Auch die ansonsten wirtschaftlich so erfolgreichen Niederländer haben bekanntlich die Defizitgrenze im vergangenen Jahr überschritten. Die EU-Kommission ist bisher davon ausgegangen, dass unser Nachbarland auch in diesem und im nächsten Jahr das Limit nicht einhalten kann. Die Regierung in Den Haag hat jedoch am 16. April verschärfte Maßnahmen angekündigt, um ihr Defizit um 0,6 Prozent zu senken und damit unterhalb von drei Prozent zu bleiben. Diese Maßnahmen zur Senkung der Staatsausgaben sind für 2004 und 2005 vorgesehen. Die Kommission will ihr weiteres Vorgehen gegenüber Den Haag nach Prüfung der eingeleiteten Schritte festlegen.
Bei Großbritannien scheint die Überschreitung der Grenze im letzten Jahr ein einmaliger Vorgang gewesen zu sein. Die Kommission geht davon aus, dass das Defizit 2004 und 2005 unter oder nur geringfügig darüber liegen und dass es zeitlich sehr begrenzt sein wird. Von weiteren Maßnahmen gegenüber Großbritannien will man daher in Brüssel absehen.
Ganz anders ist die Lage in Italien. Gegen dieses EU-Land wurde bereits ein blauer Brief wegen exzessiver Haushaltsüberschreitung abgeschickt. Die Kommission hat errechnet, dass das Defizit in Italien in diesem Jahr mindestens 3,2 Prozent betragen wird, gegenüber einer Zielvorgabe von 2,2 im Jahre 2003. Brüssel erhebt in diesem Zusammenhang den Vorwurf, dass die Regierung in Rom ihren Haushalt mehrfach auf zu optimistischen Schätzungen des Wirtschaftswachstums gestützt habe. Die Probleme in Italien seien überwiegend struktureller Natur.
Besonders beunruhigt zeigt man sich bei der EU-Kommission in Brüssel über den nach wie vor zu hohen Stand der Gesamtschulden des Staates. Mit 106 Prozent des Bruttoinlandsprodukts steht Italien nach wie vor an der Spitze der Schuldnerländer in der EU. Die Kommission hat daher Italien dringend zur weiteren Haushaltsreduzierung aufgefordert. An den Rat der Wirtschafts- und Finanzminister der EU wird eine entsprechende Empfehlung gerichtet. Mit den beiden anderen großen Defizitsündern, Frankreich und Deutschland, hat sich die Kommission diesmal nicht befasst.
Joaquin Almunia, lange Jahre Vorsitzender der Sozialistischen Partei in Spanien, ist Nachfolger des Kommissars Pedro Solbes, der Wirtschafts- und Finanzminister in der neuen spanischen Regierung geworden ist. Egon C. Heinrich